"Ruf mal die Nummer soundso an" sagte Thomas, und ich rief. "HALLO, hier ist das Meet & Greet Telephon von Radio DRS3" frohlockte mir eine Jungmännerstimme entgegen, "hinterlass' nach dem Signal Deinen Namen, Deine Adresse und den Grund warum gerade DU die Rolling Stones kennenlernen musst!" Ich war leicht überrumpelt, aber ich mache immer was man mir sagt. Also nuschelte ich was von Keith, Fan, alter ego und gab dann eine stimmliche Keithimitation zum besten, indem ich sprach: "The doctor told me I could only be cured (cuaahd) if I can meet myself, Keith, that is, hemhem, cough!". Bumm - paar Tage später hatte ich gewonnen, per Hörerabstimmung.
Zuerst dachte ich, meine Freunde und Bekannten hätten aus lauter Mitleid den TED überflutet aber bald erfuhr ich, dass Platz zwei an eine Olle ging, die lediglich irgendwas von ihrer wegen des Konzerts verschobenen Nierenstein-(get it?)operation seierte und der dritte an ein vierzigjähriges Männlein, dass Jumping Jack Flash mit Innerschweizer Akzent aufs Band gekrächzt hatte.
Mit diesen Leuten, plus einem halben Dutzend ähnlicher Verlierer in soeben erworbenen Zungenlogo-Shirts, fand ich mich dann eine Woche später im Basler Stadion wieder. Eine dicke Repräsentante von EMI-Schweiz begrüsste die armselige Versammlung aufs herablassendste und gab erst einmal den Tarif durch: "Es gibt nur einen Handshake plus ein Gruppenfoto und das ganze dauert knapp zwei Minuten. Es werden keine Autogramme gegeben, bitte auf gar keinen Fall um Autogramme bitten!"
Von dieser Ansprache mächtig motiviert machten wir uns auf den Weg ins Gekröse des alten St. Jakobsstadions. Den zu passierenden Kontrollen nach zu schliessen, ist es einfacher aus Nordkorea raus zu kommen als zu den Rolling Stones rein. Schliesslich waren wir tatsächlich backstage und standen im Stadionkeller am Ende eines kafkaesken Ganges, dessen Wände mit schwarzen Tüchern und dem Voodoo Lounge-Logo verziert waren, was die Stimmung auch nicht enorm aufheiterte. Vom ultrajovialen amerikanischen Fotografen aufs kläglichste unterhalten, standen wir uns zehn Minuten lang die Beine in den Bauch. Da löste sich eine Gestalt aus dem Dunkel am anderen Ende des Ganges. Es war ein riesiger Bodyguard. Erst als dieser in der Mitte des Ganges war bemerkte ich, dass 'Mike' in seinem Kielwasser auf uns zu wippte. Drei Meter hinter ihm ging Charlie, seinerseits gefolgt von den zwei Gitarristen die auf ihren dünnen Beinchen liefen, als müssten sie irgendwelchen am Boden liegenden Hindernissen ausweichen. Vor allem Ronnie sieht aus wie ein Fall für den Entomologen.
Jagger trug ein enganliegendes T-Shirt, ein wehendes Hemd und - passend zur überflüssigen Gesichtshaut - sommerliche Bundfaltenhosen; das ganze in den Pastelltönen Malve bis Bougainvillea. Seine Hüften sind so schmal wie einer meiner Oberschenkel. Ohne mir in die Augen zu schauen streckte er sein Hänchdchen in meine Richtung und sagte: "Hi, I'm Mick". "No kidding" konnte ich gerade noch erwidern, schon hatte er mir seine kraftlose Pfote entzogen und hielt sie dem nächsten hin. Charlie ist so schmächtig, dass ich dachte, wenn ich Hände-Druck mache geht er kaputt. Deswegen fasste ich ihn nur mit zwei Fingern bei der Hand, führte diese zu meinem Kugelschreiber und bat ihn diskret, mir sein Buch "From one Charlie" zu signieren. Er signierte, und blieb neben mir stehen, denn nun wurde das Gruppenphoto aufgenommen. Ich habe dabei den Arm um Charlie Watts' Schultern gelegt, auch wenn man das auf der Aufnahme nicht erkennen kann.
Blitz, blitz - schon machte sich die Bande wieder auf den Weg doch ich schrie "Hey Ronnie, could you sign 'Slide on This Live' for me?" "Sure!" rief er, und kam nochmal zurück. Er hielt die LP in den Händen, begutachtete sie und stellte fest: "Never even seen a big one!" Während er unterschrieb zog mich der Gorilla am Oberarm: "Hey, no autographs!" herrschte er mich an. "Well, I'm not signing anything" erwiderte ich, was offenbar ausreichend schlagfertig war um mir weitere Interventionen des Primaten zu ersparen. Ronnie reichte mir die Platte, ich rief Keith noch einen Gruss von einem gemeinsamen Bekannten hinterher und der Spuk war vorbei.
Die Gigs waren nicht schlecht, besonders der am folgenden Tag.
Ein Jahr später begann ich damit, meine Stonessammlung zu verkaufen.
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Aenderungen sind lediglich Sonderzeichenkorrektur.
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