Fünf Jahre ist es her, da führten mich meine Wanderungen nach Lesotho, einem winzigen und bettelarmen Staat in der Mitte Südafrikas. Aus Gründen, die an dieser Stelle ungenannt bleiben sollen, war ich eingeladen, an den Krönungsfeierlichkeiten des zukünftigen Herrschers des Landes, Letsie dem Dritten, teilzunehmen. Das Volk versammelte sich in einem großen Sportstadion am Rande der Hauptstadt Maseru.
Die Stimmung im Stadion war ausgelassen. Die Häuptlinge und Stammesfürsten hatten sich in ihre schicksten Leopardenfelle geschmissen, auf dem Fußballfeld tanzte ein Medizinmann, und die Frauen im Publikum stießen als Ausdruck ihres Enthusiasmus spitze, vibrierende Rufe aus, wobei ihre Zungen in den weit geöffneten Mündern flatterten.
Nach einer Weile verließ ich meinen Sitzplatz und begab mich an das vordere Geländer, um die Feierlichkeiten besser verfolgen zu können. Schräg unter mir, unter einem gläsernen Dach, keine fünf Meter entfernt, saßen die Ehrengäste der Krönung. Ich entdeckte Herrn Mandela, damals noch Präsident Südafrikas, und Bischof Tutu, die sich ausgelassen unterhielten, lachten und mutmaßlich Sträflingswitze austauschten. Dazwischen saß ein schlaksiger, unglücklicher Kerl, das einzige weiße Gesicht in der Stuhlreihe. Er trug eine blendend weiße Kapitänsuniform mit einer Menge Orden auf der Brust und hockte zusammenkauert auf seinem Platz, den Blick starr geradeaus gerichtet. Mit der einen Hand hielt er den Knauf seines Degens so fest umschlungen, dass die Knöchel hervortraten (wenn Sie jetzt bitte diese Farbfotografien herumgehen lassen könnten, ja, vielen Dank). Es war Prinz Charles. Er hatte einen schlimmen Sonnenbrand im Gesicht, der Arme, und er war ganz allein. Auf seiner Nase schälte sich die Haut.
Alle um ihn herum amüsierten sich prächtig und beachteten ihn, den Nachfolger des ruhmreichen britischen Empires, nicht weiter. Und er starrte vor sich hin und dachte wahrscheinlich wehmütig an Kricket oder Camilla (Di war ja schon tot) oder an seine Zinnsammlung zuhause im Palast. Er tat mir sehr leid.
Als ich nach einer Viertelstunde noch einmal meinen Blick auf ihn richtete, hatte er sich nicht bewegt.
Die Krönungs-Zeremonie begann mit einer großen Parade. Die Leibgarde des Königs ritt unter begeisterten Rufen in das Stadion ein und dann fiel einer der vordersten Reiter vom Pferd. Alle lachten. Ich vermute, der Unglückliche musste noch am nächsten Tag das Land in Schande verlassen.
Es wurde auch eine Broschüre verteilt, die über das Leben des jungen Königs Letsie informierte, seine College-Ausbildung in England, das Jurastudium, den tragischen Tod seines Vaters Moshoeshoe, seine Hobbys (Squash, klassische Musik). Der Text schloss mit dem schelmischen Satz: "He is still single."
Am Nachmittag schmiss Letsie eine Party in seinem königlichen Palast, der mich von außen merkwürdig an Helmut Kohls Bungalow in Oggersheim erinnerte. Tutu tanzte zur Musik der Band, Mandela tatschte einer Kellnerin an den Hintern (nein, das ist erfunden, aber verstehen könnte man’s, nach der langen Zeit hinter Gittern) und Letsie III., der junge König, er stand unter seinen Gästen, übergewichtig, in einer blauen Uniform mit goldenen Knöpfen, und grinste wie ein Gymnasiast, der alle seine Kumpels nach Hause eingeladen hat, weil die Eltern übers Wochenende weggefahren sind. Es wurde dann noch eine ziemlich dufte Party.
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