Der Chefredakteur sagte: 'Hol mir den Arsch von Claudia Schiffer', und wenn der Chefredakteur sagt, du sollst den Arsch von jemanden holen, dann holst du den Arsch von dem.
In diesem Fall war das noch nicht mal blödes Chefgehabe, es gab tatsächlich einen konkreten Anlass: Giorgio Armani hatte in einem Hochglanzmagazin gesagt, Claudia sei ein phantastisches Fotomodell, aber als Mannequin für den Laufsteg sei sie ungeeignet, denn sie würde gehen wie ein Kamel. Das musste natürlich investigativ sofort überprüft werden.
Wir bekamen einen Tip aus der Szene: Claudia Schiffer solle heute Abend mit ihrem damaligen Freund Tim Jeffries in einer Galerie auf der Kantstraße auftauchen. Der Tip kam von der Galeristin selbst. Nicht wir unhöflichen Paparazzi sind die Schweine, es ist die Situation in der wir leben.
Ich schnappte mir meinen Lieblingskameramann A., wie immer hatte er einen obskuren Tonassistenten dabei, diesmal einen jungen Russen namens Oleg, ein Musikstudent aus Petersburg. Nicht nur wegen seiner Vorliebe für osteuropäische Tonassis mit zweifelhafter Vergangenheit war A. mein Lieblingskameramann. Tonassis aus dem Osten sind alle irgendwie stasimäßig geschult, ein nicht zu unterschätzender Vorteil in unserem schmutzigen Geschäft, darüber hinaus sind sie sehr schweigsam und sabbeln nicht ununterbrochen dummes Zeug, wie der prototypische West-Fernsehfuzzi. Mit A. ging ich gerne auf Drehs weil ich mich mit ihm zivilisiert plauschen konnte, sein Lieblingsthema war preußische Geschichte, man konnte sich mit ihm aber auch über die Claus Eduard Gärtner Ausstellung oder die letzte Inszenierung von Schleef unterhalten.
So saßen wir also im Wagen direkt vor der Paris-Bar und warteten. Unser blutiges Tagewerk hatten wir schon verrichtet, Claudias Po war schon im Kasten.
Es war nicht ganz einfach gewesen, wir hatten uns im Wagen unauffällig vor die Galerie gestellt, doch wir hatten nicht damit gerechnet, dass die mit Abstand dämlichste Paparazza Berlins, irgend so etwas imbeziles vom Kurier genau in dem Moment mit ihrer Nikon aus der Galerie trat als der schwarze Mercedes mit den getönten Scheiben von Sixt mit der Schiffer drin vorfuhr. Paparazziregel Nr. 1: Immer erst warten bis der Promi aus dem Wagen ausgestiegen ist UND DIE TÜR ZUGEMACHT HAT, und DANN erst hinterm Gebüsch vorspringen, denn dann kann der zu paparazzende nicht mehr FLIEHEN.
Claudia hatte sofort gecheckt was ist, ließ gepanzerte 3 Tonnen und 385 PS durchstarten und weg war sie. Wir hinterher, doch wir hatten keine Chance, der Fahrer von Sixt war Profi und kannte keine Skrupel, an der Ampel an Fasanenstraße hatte er uns schon abgehängt, und A. wollte wegen der Schiffer sein Auto nicht riskieren. Wir wussten sie kommt zurück, denn als wir ihr hinterher sind kam Tim Jeffries gerade mit einer zweiten Limmo an.
Wir fuhren also zurück in die Galerie, Claudia und ihr Freund Tim waren schon drin, der Fahrer von Sixt hatte ganze Arbeit geleistet. Die Galeristin ließ uns mit der Kamera anstandslos rein, wir begannen seitenblickemäßig zu drehen, also Bilder von Bildern , Dekolletees und Naheinstellungen von Sektgläsern, dazu O-Töne von Adabeis, langsam robbten wir uns an das kleine abgeschirmte Grüppchen um die Schiffer heran, die langsam nervös wurde, und unauffällig damit begann, sich immer genau so hinzustellen, dass wir sie nicht neben Tim Jeffries filmen konnten. Ich weiß nicht warum, sie wollte offensichtlich verhindern, dass es Bilder von ihr und Tim gemeinsam gab.
Claudia Schiffer sieht in natura phantastisch aus, sie ist keine Sexbombe, hat keine sinnliche erotische Ausstrahlung, doch ihre Figur ist atemberaubend, die Gesichtszüge fein, edel und ebenmäßig, eine deutsche Ikone der Schönheit, wahrlich keine Barbiepuppe.
Als ich dann höflich um ein Interview bat, verneinte sie und ging. Wir abermals hinterher. Diesmal unhöflich. Sie lief durch den Hinterausgang über einen kopfsteingepflasterten Hinterhof, das war ihr Verhängnis. Niemand, nicht einmal bettyford kann mit Anmut und Grazie mit Highheels über Kopfstein laufen, auch nicht La Schiffer. Mein Lieblingskameramann ist auch deshalb mein Lieblingskameramann, weil er immer genau spürt was ich denke, so musste ich ihm auch gar nicht sagen, er solle aus der Hüfte schießen und einfach auf den Arsch draufhalten. Claudia Schiffer ging wie ein Kamel - Auftrag erledigt.
Claudia wurde in die Paris-Bar chauffiert , wir platzierten uns direkt davor, in der Hoffnung noch etwas von ihr abzugreifen, aber eigentlich hatten wir alles was wir brauchten, deshalb saßen wir ganz entspannt im Wagen. A. las die FAZ, ich die taz , Oleg hatte sich eine eigene CD mitgebracht, es war ein lauer Sommerabend und wir hörten Brahms-Arien, melancholische Musik strömte durchs offene Fenster und umschmeichelten auch die Ohren der auf der Terrasse sitzenden Gäste. Direkt neben uns, übers Trottoir ca. 2 Meter entfernt, saß eine kleine Runde an einen Bistrotisch und trank eine Flasche Veltliner. Mit dem Rücken zu uns eine Frau in einem trägerlosen schwarzen Abendkleid, über den wohlgebräunten Rücken floss gepflegtes und doch wildes dauergewelltes dunkles Haar.
Wir saßen sicherlich eine halbe Stunde so da und hörten Musik, die Tür immer im Augenwinkel, aber auch die Gruppe am Bistrotisch warf immer wieder verstohlene Blicke zu uns herüber, schließlich waren wir nicht ganz einfach einzuordnen, Paparazzi hören keine Brahms-Arien und lesen die FAZ.
Schließlich kam Vicky Leandros zu uns herüber, und sagte eigentlich sehr freundlich und milde zu Oleg, sie sei ja froh, dass sie nicht dran sei, aber wenn wir die Schiffer schon 'abflashen' wollten, warum wir dann nicht einfach zu ihr hinein gingen um sie vorher zu fragen, und, falls wir noch länger warten wollten, ob wir das 'Ariengedudel' nicht etwas leiser stellen könnten.
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