Wenn ein regierender Bürgermeister eine Rede hält, dann müssen natürlich auch allerlei Häppchen und ein bis zwei Aperitifs dazu gereicht werden. Und was bietet sich besser an, um Berühmtheiten dezent ganz nahe zu kommen, als Reicherin eben dieser Häppchen zu sein?
So scharwenzelte ich denn auch schon den ganzen Vormittag durchs Rote Rathaus, nutzte die Gelegenheit, um heimlich in offene Schränke und staubige Treppenaufgänge zu lugen und setzte mich auch schon einmal auf den einen oder anderen Stuhl. Mochte er hier vielleicht schon einmal selbst gesessen haben, unser Bürgermeister?
Nebenbei rannte ich auch mehrmals auf die Damentoilette (ungünstigerweise ein Stockwerk höher als der Saal), um zu prüfen, ob auch die rote Fliege richtig saß.Leider bin ich nicht sehr geübt im Tragen solcher Kleidungsstücke. Schnell noch einmal vom Balkon gewunken (wer da draußen wußte denn schon, daß ich nicht selbst berühmt war?) und schon war es soweit.Die ersten Gäste trudelten ein und ich stellte mich mit einem Tablett voller Sektgläser an die mittlere Tür des Saales. Durch diese Tür muß er kommen, dachte ich so bei mir, denn ein Bürgermeister konnte unmöglich durch eine Seitentür eintreten.
Ob er mir wohl die Hand schütteln würde? Würde mir dabei das Tablett runterfallen?Würde er danke sagen für die Kanapees, für die ich seit früh um vier in der kalten Küche einer Gaststätte gestanden hatte? Würde er gar die Ringe unter meinen Augen bemerken?
Nein, würde er nicht. 'Herr Diepgen mußte leider kurzfristig nach Afrika fliegen.' entschuldigte ihn sein Sekretär und verlas stattdessen selbst die Rede für die...wer waren sie überhaupt, diese Unbekannten, die hier den Sekt soffen und die Kanapees frassen?
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