Berühmt werden mit Rainald Goetz
Auf einer Party in Berlin im Februar diesen Jahres raunte mir meine Freundin Almut plötzlich zu: 'Rainald Goetz ist auch hier.' Ich war sofort total hingerissen und fragte sie aufgeregt: 'Wer ist denn das?' Almut sah mich entgeistert an und fragte: 'Was? Du hast noch nie etwas von Rainald Goetz gehört?' Ich schämte mich zu Tode. 'Rainald Goetz', klärte mich Almut auf, 'ist ein superberühmter Schriftsteller, der sich bei einer Lesung mal die Stirn aufgeschlitzt hat.' Mir blieb beinahe der Atem stocken. Die Erklärung 'superberühmter Schriftsteller, Stirn aufgeschlitzt' barg so viele S & Zischlaute, dass mir ganz schwurbelig wurde. Almuth zeigte mir Herrn Goetz, und bei passender Gelegenheit fragte ich ihn: 'Und Sie sind der weltberühmte Rainald Goetz?' Herr Goetz bestätigte mir das. 'Und Sie sind wirklich ein berühmter Schriftsteller?' fragte ich weiter. 'Ja, das bin ich.' sagte Herr Goetz. Ich rief: 'Ich bin auch Schriftstellerin und ich wäre auch so furchtbar gerne berühmt!!!' Herr Goetz sagte: ³Das glaube ich gernã,und setzte sich mir gegenüber. 'Und', fragte er mich, 'schreiben Sie denn gerade auch etwas?' Ich erzählte ihm, dass ich gerade an der Geschichte schrieb, wie ich mal im Theater einen Betriebsrat gründete, weil ich total verknallt in meinen damaligen Intendanten (ein Alt 68iger) war, der immer gerufen hatte: 'Wenn ihr alle so unzufrieden seid, dann gründet doch einen Betriebsrat! Aber das schafft ihr Luschen ja nicht.' Das haben wir Luschen unter meiner Führung aber doch geschafft. Allerdings nur, weil ich die ganze Zeit gedacht hatte, die schlimmen Repressalien, die dann vom Intendanten kamen, wären nur eine Show von ihm, um uns für den Ernstfall zu trainieren. Dabei war das damals schon längst der Ernstfall, ohne dass ich es bemerkt hatte. Herr Goetz hörte sich die Geschichte an, lachte sich schlapp und fragte: 'Wie lautet denn der Arbeitstitel dieser Geschichte?' Ich antwortete: 'Zen - die Kunst ein Fahrrad zu reparieren, ohne zu arbeiten'. Herr Goetz guckte irritiert. 'Es ist ja eine Betriebsratsgeschichte', rief ich. Herr Goetz verstand, kicherte und sagte: 'Es gibt ein Buch, das heisst Zen - oder die Kunst, auf ein Motorrad zu warten.' Ich konnte nicht mehr. Haargenau dieses Buch hatte mir der damalige Intendant auch immer empfohlen. Er hat damals immer zu mir gesagt: 'Lies dieses Buch! Lies dieses Buch!' Herr Goetz sagte: 'Wenn diese Geschichte fertig ist, will ich sie unbedingt lesen!' Ich versprach ihm, ihm die Geschichte sobald sie fertig sei zuzuschicken, nicht ohne den Warnhinweis: 'Es ist aber eine Liebesgeschichte!!!' Sonst hätte ich ja Zen falsch verstanden.
Corinna Stegemann
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