Klaus Kinski hätte ich an dem langweiligen, brütend heißen Nachmittag im Sommer 1982 wahrscheinlich übersehen, wenn ich mich in dem angeblich vornehmsten Cafe der Stadt nicht zu einem Bekannten an den Tisch gesetzt hätte.
An der Einrichtung des Cafes war nichts Besonderes, ein einziger, großer Raum mit Wartesaalatmosphäre, aber es gab einen Herrn im Frack, der stocksteif und mit hochnäsigem Gesichtsausdruck von Tisch zu Tisch ging, den Gästen huldvoll einen guten Tag wünschte, hie und da ein Tischdeckchen gerade zog oder eine Vase umstellte und keinen Zweifel daran ließ, dass er sich für den wichtigsten Mann an Bord hielt. An jenem Nachmittag aber machte er merkwürdige Verrenkungen und versuchte immer wieder, verstohlen unter manche Tische zu schauen. Mein Bekannter löste das Rätsel, als er mich auf die Geraderobe aufmerksam machte, an der an grauen Gummihosenträgern eine mit Mörtelresten beschmierte, große, braune Mauerercordhose hing, heimlich von ihm dort hingehängt, um den Marabu, so nannte er den Frackträger, zu ärgern. Und es funktionierte, der Marabu pirschte, durch das Jagdfieber langsam unvorsichtig werdend, immer gebückter durch den Saal und kam endlich zu einem Tisch, an dem mit dem Rücken zu ihm ein blonder Mann saß, ihm gegenüber eine junge Frau. Der Marabu bückte sich wieder, doch zu offensichtlich. Die Frau bekam einen empörten Gesichtsausdruck und presste die Knie zusammen und der Mann fuhr plötzlich herum, entpuppte sich als Klaus Kinski, und starrte ihn mit dem gleichen Gesichtsausdruck an, den er hatte, nachdem Lee Van Cleef in „Für ein paar Dollar mehr“ leise von hinten an ihn herangetreten war und ein Streichholz auf seiner Schulter angerissen hatte. Ob der Marabu vor Schreck oder vor Ehrfurcht erstarrte, war uns egal, der Nachmittag war gerettet.
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