Letzes Wochenende wieder auf einer einer Beerdigung. Langsam werde ich Routinier. Der Knoten in der schwarzen Krawatte ist noch gebunden. Nach dem Leichenschmaus bleibt noch ein harter Kern Frankfurter Alt68er und trinkt.
Ich sitze neben einer ehemaligen Kollegin meiner Mutter mit wagnerianischem Vornamen. Ich werde sie Brünhilde nennen (ihr richtiger Vorname ist noch absurder). Sie hat tiefschwarzes, großes Haar, zuviel Kajal und viele geplatze Äderchen auf den Backen. Sie war mal ein richtig "steiler Zahn" (ihre Worte) und hat in den 60ern in einer großen frankfurter Buchhandlung gearbeitet.
Auf einer Buchmessensause hat sie dann mit Günter Grass getanzt. "Und der war ein Tänzer. So agil, und mit Feuer, würd man gar nicht denke, wenn man den heute sieht." Sie hat ihn dann mit nach Hause genommen und sie verbringen eine leidenschaftliche Nacht.
Als sie aufwacht ist er weg. Auf dem Tisch liegt die Blechtrommel (das einzige Grass-Buch, das sie besaß.) Und auf dem Vorsatzblatt steht "Ich habe Brünhilde erkannt! Günter Grass." Später, als sie U. heiratete, musste sie das Buch dann verstecken, weil der immer soo eifersüchtig war, aber der ist ja jetzt auch schon eine Weile unter der Erde. Und neulich beim Nobelpreis, da hat sies wieder rausgeholt angeschaut und sich gefreut.
Im ICE schlafe ich ein, habe wiederliche, unerklärliche Träume. Im Ostbahnhof weckt mich der Schaffner, kotziger Geschmack im Mund.
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