Windhorst, Lars fliegt Lufthansa, First
Es scheint ihm wieder gut zu gehen. Jedenfalls läuft er an mir vorbei an den Schalter: Lufthansa First Class. Das letzte Mal als wir uns trafen, war es ihm nicht gut gegangen. Auf der Münchner Herbstmesse vor sechs Jahren hat er mich unbedingt sprechen müssen. Hatten er mir durch sechs Menschen aus der Branche ausrichten lassen und durch die halbe Halle war er mir entgegen gehastet. Lars Windhorst hatte gerade den Weg nach ganz unten eingeschlagen. Etwas gebeugt, Haar wirr, aber strahlend, mit ausgebreiteten Armen: »Herr raumoberbayern, gut, dass ich Sie gerade sehe! Sie müssen sich unser neues Gebäude ansehen! Kommen Sie uns besuchen! Wir müssen reden! Es gibt so viele tolle Neuigkeiten! Wir werden Computer für Rentner bauen! Und Millionen davon verkaufen! Die Koreaner mit der dicken Kohle sich auch dabei! Es ist so großartig«. Eben hatte mein Kumpel Kai Rostrom den wieder einmal vakanten Geschäftsführerposten der dümpelnden Windhorst Electronics ausgeschlagen (Kai: »Die beste Entscheidung meines Lebens«). Ohne Kai Rostrom, der Rentner PC ein Reinfall, die Koreaner mit der dicken Kohle gar nicht erst eingestiegen, die Electronics am Ende, Wunderknabe Lars jenseits des Karriereknicks im freien Fall.
Sechs Jahre später hat sich das Bild gewandelt. Am Düsseldorfer Flughafen, gegenüber der Sicherheitskontrolle befindet sich ein rundes Bistro. Ich überbrücke Wartezeit. In etwa zwei Meter Entfernung schreitet Lars Windhorst an mir vorbei. Es scheint ihm wieder gut zu gehen. »Grüß Gott Herr Windhorst«, nicke ich ihm zu, aber er sieht mich nicht. Erhobenen Hauptes, zügig aber ohne Hast, begibt er sich an den Lufthansa First Class Check In gleich neben der Security. Er ist erwachsen geworden, wirkt sehr aufgeräumt, beinahe weltmännisch. Als ich ihn das erste Mal traf (hier drüben im Strang zu finden), als das Wunderkindimage erste Risse hatte, war er ein ostwestfälischer Bauernrotzlöffel, hatte nichts Genialisches.
2006 am Düsseldorfer Lufthansa First Class Schalter steht ein total veränderter Lars Windhorst: Er trägt einen eng geschnittenen, etwa knielangen dunklen Mantel aus einem teueren weichen Stoff, darunter einen figurbetonten, eleganten dunklen Anzug, hellblaue Krawatte mit hellgrauen Tupfen. Er ist schmaler als damals, auch im Gesicht. Bewegt sich sicher, elegant und völlig entspannt. Eine schwarze Ledermappe hat er unter den rechten Arm geklemmt. Der mittelalte Herr in seiner Begleitung, etwa einen Kopf größer als Windhorst, kommt mir unglaublich bekannt vor, wie jemand, den ich schon sehr lange aber nicht sehr gut kenne. »Könnte der Geschäftsführer seines Electronics-Nachfolgeunternehmens sein«, denke ich. Er ist schlank, trägt ebenfalls einen dunklen Anzug, wirkt jedoch weniger weltmännisch als Windhorst. Sein knöchellanger Mantel ist plump geschnitten und dunkelbraun.
Auch auf dem Weg vom Schalter zur First Class Lane Security Kontrolle sieht mich Lars Windhorst auch nicht, ich ihm allerdings genau ins Gesicht. Das Alter hat seine Akneprobleme gelöst. Nur seine buschigen dunklen Augenbrauen und seine dicke Hakennase verraten ihn – trotz der eleganten Verpackung – als ostwestfälischen Bauernschlauen vom platten Land.
Gern hätte ich ihn gefragt, was er heute so tut. Welche Asiaten »mit der dicken Kohle« heute mit dabei sind. Doch als ich die Economy Security passiert habe, sehe ich Lars Windhorst samt Geschäftsführer in den Berlin Flieger verschwinden. First Class, versteht sich.
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