Vor beinahe zwei Wochen habe ich mir im Frauen-KZ Ravensbrück eine Erkaeltung zugezogen, die sich einfach nicht abschuetteln laesst. Sobald es mir etwas besser geht, gehe ich in verrauchte Kneipen und saufe, und am Morgen danach ist alles wieder im Eimer. Heute ging es mir besser, aber ich war festen Willens, diesmal den Teufelskreis zu durchbrechen, nicht wieder ins Cafe Klatsch an der Ecke zu rennen und Futschis fuer ein Euro das Stueck zu trinken. Also schleppte ich mich ins Kino, in die laengste Vorstellung, die ich finden konnte, Herr der Ringe, im Sony Center. Der Film hoert wirklich einfach nicht auf, er geht immer weiter, es ist unglaublich, vier mal wollte ich aufstehen, dann kam noch ein Ende, danach noch eins und noch eins. Neben mir sassen zwei Maedchen, beide vielleicht vierzehn, die mindestens eine Stunde lang heulten, die Taschentuecher gingen ihnen aus, sie mussten in ihre Aermel rotzen.
Nach dem Film, sechs Stunden, nachdem ich meine Wohnung verlassen hatte, setzte ich mich in mein Auto und fuhr los. Der Verkehr am Potsdamer Platz war krank, alles verstopft, gerade mal drei Autos kamen bei Gruen weiter. Im Radio lief nur Muell, ich hatte nichts zu lesen dabei, und fing also an, mich umzuschauen.
Im Rueckspiegel dann ein seltsamer Anblick: eine sehr huebsche Frau mit langen dunklen Locken, die sich im Sonnenblendenspiegel schminkte, daneben ein androgynes Wesen, Alter schwer einzuschaetzen, Haare jedenfalls blond gefaerbt, Augenbrauen fragwuerdig bearbeitet. Genaues konnte ich nicht erkennen, da, im Gegensatz zu der lockigen Schoenheit, die von einem kleinen Schminklaempchen beleuchtet wurde, der Fahrer im Dunkeln sass, und ich auch nicht zu auffaellig in den Rueckspiegel starren wollte. Als ich dann mal wieder drei Wagenlaengen vorwaerts fahren konnte und abbremste, sah ich im Licht meiner Bremslichter nun deutlicher, wer da hinter mir fuhr: Uwe Fahrenkrog-Petersen, Nena-Keyboarder, Superstardingens. Rotes Licht ist selten schmeichelhaft (Warum ist dann die Beleuchtung in Puffs und Strip Bars meist rot? Damit man die Pickel nicht sieht?), und bei Fahrenkrog-Petersen war es nicht anders, ich nahm den Fuss gleich wieder von der Bremse. Er fuhr dann noch eine Weile mit reichlich Sicherheitsabstand in seinem schwarzen 5er BMW hinter mir her. Die schoene Frau schminkte sich weiter, ab und zu unterhielten sie sich, sehr ruhig, gelassen, es sah nett und freundlich aus. Beim Holocaust Mahnmal bog er schliesslich rechts ab, ich musste weiter geradeaus fahren.
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