Eins vorweg: diese geschichte wird lang. Ich hoffe, dass ich sie heute noch fertigbekomme, aber das kann ich nicht garantieren. Ich stelle jetzt schon mal ein wenig rein, mache dann weiter. Ichj will keine "Aufhören!"-Postings lesen. Auch keine"Weiter, weiter!"-Aufforderungen. Der Rest wird kommen. Ich habe CY Schmidt irgendwann mal versprochen, dass ich meine Version der Geschichte aufschreibe. Dies wird das Ergebnis.
Eigentlich ist ja der Schiffner Schuld. Er hatte Kontakt zum Hogler gehalten und Christian Y und mich mitverkauft. Nach Köln. Für sechs Wochen. An Verona Feldbusch.
Kennegelernt hatten wir uns alle bei der ProSieben Morningshow. Der Hogler war als Chefredakteur eingestellt worden, wir als kreative Autoren. Christian hatte sich nach sehr kurzer Zeit in ein kreatives Loch gestürzt und war bis Ende November nicht mehr im Rennen, aber im Dezember konnte man wieder mit ihm planen. Und das tat der Schiffner Benni.
Holger hatte ihn angrufen und erzählt, dass er nun in einer neuen Firma sei, die in Zukunft exklusiv für Verona Feldbusch Shows produzieren sollte. Schließlich sei die Feldbusch ja auch Teilhaberin, Mitfinanzier der gesamten Firma. Man testete uns noch einmal und nach vier - für unsere Vorstellung - viel zu hoch bezahlten Adventsspots mit der smarten Brunetten für eine Internet-Start-Up-AG war klar, dass diese Gesellschaft mit uns als Autoren eine große Zukunft hatte. Kurz nach Sylvester packten wir unsere Koffer, ließen das stinkende, kalte Berlin hinter uns und fuhren in die unsympathische Medienmetropole mit Dom.
Schrecki, Hoglers freundliche Sekretärin, hatte für uns drei eine kleine Reihenhaushälfte in der Heinestraße gemietet. Die Besitzer waren für längere Zeit in Spanien und wollten das kleine Juwel in der Stadt, die den Frohsinn gepachtet hat, nicht aufgeben. Also vermieteten sie das Haus an die Filmproduktion, die es dann und Idioten überließ. Kann ja nichts schiefgehen.
Die Ankunft war relativ unspektakulär. Köln miefte, es war kalt und unfreundlich. Rheinländisch Scheiße, möchte man sagen und Recht haben. Wir teilten die Zimmer auf - dem Senior den Raum mit dem Doppelbett, den Hypochonder in die Gästekammer und mich ins Kinderland, einem kleinen Raum mit einer Matratze auf dem Boden und überraschend ekligen Plüschtieren auf der Heizung. Perfekt.
Am nächsten Morgen mussten wir gleich mal raus nach Hürth. Hürth ist noch schlechter als der Klang seines Namens. Aber ein bauernschlauer Bauunternehmer namens Breuer hatte irgendwann die Idee gehabt, dort auf einem Acker ein Film- und Fernsehstudio zu bauen. Und noch eins, noch eins, und wieder eins, bis er der Herr eins der wichtigsten Medienzentren Deutschlands war. Der Rest von Hürth besteht aus armseligen Betonbauten, Einbahnstraßen und sparsamen Medienarbeitern.
Was wir nicht wußten, der reichste Mann der Welt, eben jener Breuer, war auch an der Firma beteiligt, für die wir arbeiten sollten. Er hatte seine Büroräume in einem kleinen Glaspalast neben seinem Medienpark, dem MME-Gelände, und für uns extra zwei Büroräume geleert. Der vorherige Inhalt, zwei biestige Sekretärinnen, saßen nun mit anderen Biestigen Sekretärinnen auf wenig Platz zusammengepfercht. Dafür hatten wir "Raum für kreative Ergüsse". Doch dieser Raum war eingeschränkt.
Zum einen war das Büro halb verglast, was bedeutet, dass man durch die Glaswände und die Glastür ständiger Beobachtung ausgesetzt war. Und es wurde auch gleich klargemacht, dass wir uns anständig zu benehmen hätten. Schließlich säßen wir nicht im Autorenzimmer irgendeiner Filmproduktion, sondern in den Räumen, in denen der reichste Mann der Welt wichtige Geschäftspartner empfängt, um mit ihnen Schwertransporte und Milliardengeschäfte zu besprechen. Nichts also mit auf dem Boden liegen und Ideen haben, auf dem Boden liegen und nachdenken oder gar auf dem Boden liegen und schlafen. Nein. Wir sollten am Tisch sitzen und Comedy schreiben. Und was für eine.
Der Holger hatte eine geniale Idee. Er wollte mit Verona was ganz Neues machen. Ein ganz verrücktes Ding. Eine Sit-Com. Aber nicht nur eine Sit-Com, sondern eine Comedy, die sich gewaschen hat. Eine mit ner geilen Idee dahinter. Der Auftrag lautete: schreibt eine Sit-Com, in der Verona als Schneewittchen mit den Sieben Zwergen in der Gegenwart lebt. Weitere Ausführungen dazu klangen ungefähr so: "Also, stellt euch mal vor, was passiert wäre, wenn Schneewittchen nicht zu dem Prinz abgehauen wäre, sondern noch immer bei den Zwergen leben würde. Also, dass die Zwerge die Gebrüder Grimm eingesperrt hätten, bevor sie die Geschichte zuende schreiben konnten. Versteht ihr? Die Gebrüder Grimm sitzen da im Keller und oben lebt Schneewittchen mit den Zwergen. Außenrum ist mittlerweile eine kleine Stadt entstanden und ein Nachbar ist auch eingezogen und mit dem gibt es immer Streit. Da haben wir an Piet Klocke gedacht. Naja, wo war ich? Ach, ....."
Irre. Verona Feldbusch wird also das Milleniumsschnewittchen und die Zwerge finden Piet Klocke Scheiße. Klingt doch lustig. Nur das mit den Gebrüdern Grimm, das, ... ja, das müsse man sich eben vorstellen wie die beiden alten da bei der Muppet Show. Dings, wie heißen die gleich wieder? Waldorf und Stadler. Stimmt, genau. Ja. So. Als hätte man das nicht schon mal irgendwo gehört.
Jungautoren aufgemerkt: Auf den Comedyproducerklischeesatz "Man könnte dann ja noch jemanden haben, der das alles so zynisch kommentiert, wie die beiden bei der Muppet Show. Wie heißen die gleich wieder?" immer kurz nachdenken und dann "Waldorf und Stadler" sagen. Das ist ein Test. Wenn der Producer aber selbst etwas wie "Walmart und Stendler" sagt, zustimmend nicken. Höchstens "Ja, so in der Art, is aber auch egal" sagen. "Ich weiß, was Du meinst". Man duzt. Alles und jeden.
Duzend wurde uns auch der Martin vorgestellt. Der Martin, das war das Hirn, der Magen und die Faust in einer Person. Er war schon der Oberboß bei Endemol gewesen, hatte mit allen Großen zusammengearbeitet und jetzt die Kiste mit der Verona an Land gezogen. Klar, das würde schon werden. Aber uns war klar, dass der Martin uns nicht traute. Er traute auch dem Hogler nicht, aber das durfte der Martin auch nicht. Der Martin traute nur sich und seinen bescheuerten Spielzeugautos, die in Vitrinen gepackt sein Büro zierten. Nach einer kurzen Vorstellung wurden wir auch schon wieder in unser kleines Glasbüro gesetzt und sollten mal losspinnen. Verona würde Ende der Woche mal vorbeischauen.
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