Strahlenkranz deutscher Fernsehunterhaltung
(paparazzt auf dem Flughafen Heathrow am vierten Tage des zweiten Monats im Jahre des Herrn zweitausendundzwei)
Stürme fegen über das perfide Albion hinweg und vereiteln jegliche Pünktlichkeit. Die Fluggesellschaft Ihrer Majestät muss zwei Tage vor dem Goldenen Thronjubiläum eine Niederlage nach der anderen eingestehen. Nicht einmal die Verteilung von Malzeug an die Passagiere von morgen gelingt, von Personenbeförderung ganz zu schweigen. In der Halle des Terminal 1 herrschen Anarchie und Verzweiflung, Kinder schreien, Eltern fluchen, Greise sinken auf ihren Gepäckwagen nieder. Die Flüge, die stattfinden, haben teilweise mehrere Stunden Verspätung. Ich warte auf jemanden, der mich noch rasch vor dem Abflug treffen will. Nicht nur der Flughafen hat den Verkehrsinfarkt erlitten, sondern auch die Zufahrtsautobahn M4, so warte ich bis ich so schwarz bin wie der Erwartete südafrikanisch-irischer Herkunft.
Doch da plötzlich, goldene Locken strahlen kurz vor mir auf hochgewachsenem Haupt. Mir ist so sonderbar, sinke in mir nieder. Das kann doch nicht, nein das ist...es IST der HERR! Er, der Herrscher der ZDF-Unterhaltung; er, der nach Belieben überziehen darf; Er, der für acht Sendungen zur Prime Time im Jahr aus Amerika einfliegt; Er, der für jede Moderation ein Schloss erhält; Er, der einzige Master of Ceremonies, der Michael Jackson, Madonna und Cher gleichzeitig auf eine Fernsehcouch im provinziellen Deutschland locken kann. Fürwahr, er ist der HERR und ich bin gesegnet, denn ich sah ihn eigenen Auges zwei Meter vor mir, hätte auf ihn zugehen und berühren können. Tue das nicht aus Pappenetikette und um zu vermeiden, dass mich Bewunderer des Herrn sogleich ausstopfen und ins Museum stellen.
Ich Niedriger stehe hier in seinem Strahlenglanz. Ihm, für den ZDF-Volontäre goldene Rosen streuen. Eines berätselt mich, warum steht er hier ungeschützt vor profanen Augen öffentlich herum? Warum ist er nicht mit den anderen Superprominenten in der Champagner-Lounge zum Hummerknacken? Nein, mehr noch, er und seine Gattin warten am BA-Schalter ungerührt. Er mobiltelefoniert ohn’ Unterlass, lässig auf seinen eindrucksvollen Gepäckberg gestützt. Zwischendurch holt er ein Papptablett mit Fast Food, zu dem er sich dereinst für den Gegenwert einiger Schlösser öffentlich im deutschen Werbefernsehen bekannte. Seine Gattin sieht irgendwie ramponiert aus, der Lippenstift recht sonderbar. Er lächelt sie zwischen Mobiltelefonaten an. Plötzlich kommt Leben ins Familienidyll: Die Dame am Schalter verwickelt das hohe Paar in ein Gespräch. Zackzack reichen die Gottschalks ihr die vielen Reisetaschen. Abgang Superstar. Mit wehendem Ledermantel bahnt sich schillerndes Goldhaar den Weg durch die Menge, die sich wie dereinst das Rote Meer vor Mose teilt, hinweg aus meiner nunmehr geheiligten Vision. Vermutlich hat die Dame ihnen mitgeteilt, dass die British Airways sich geehrt fühlt, ihnen eine Ersatz-Concorde aus der Flugbereitschaft zur Verfügung zu stellen. Selig verweile ich als mich mein Telefon aufschrillt. Mein südafrikanisch-irischer Bekannter sagt, er stecke auf der M4 fest, ich solle nicht länger warten. Im selben Stau, so stellt sich später heraus, steht auch der Pilot meines eigenen Fluges nach Berlin. Wir haben zwei Stunden angeschnallt in der Maschine Auf ihn gewartet. Einen derart Gesegneten ficht das aber nicht an, nun so entrückt...
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