Die Anzahl berühmter Persönlichkeiten, die ich in meinem Leben antraf, ist sehr gering. Es mag sein, dass ich die ein oder andere Erinnerung im Moment nicht abrufbereit habe. Ich bezweifele das.
Lediglich zwei verlässlich Prominente habe ich gesichtet: Zuerst Jürgen Möllemann, dann Elizabeth II.
Die Begegnung mit ersterem ereignete sich zu meiner fortgeschrittenen Schulzeit. Ich war damals 16, und wahrscheinlich in einem Stadium jugendlicher Demenz befindlich. Ua. fühlte ich mich dazu hingerissen beim Besuch des Landtags NRW anlässlich der dortigen Wahlen im Jahr 1998 eine Marlboro-Reklame-Mütze zu tragen und merkwürdige Grimassen zu schneiden. Immerhin schlug ich mit meinem Verhalten nicht sonderlich aus der Art. Zwischen zwei Schulfreunden spielte sich ein Lächerlichkeitskontest auf dem Gebiet geschmackloser Sonnenbrillenauswahl ab. Es gab eine Menge Verlorenheit zu kompensieren.
Diese hatte ein ganzes Geschwader an Lehrbeauftragten, das Fernsehen, das ratlose Elternhaus und überhaupt der Zeitgeist zu verschulden, nur nicht unser Politiklehrer, der unsere Klasse auf den Auslug in das architektonische Wunderwerk am Rheinufer geleitete. Ein guter Mann, Herr Brockmann mit krausen Locken und 68er Vergangenheit, der gemeinsam mit Herrn Haarhausen den soziologisch geschulten Kern unserer nicht grade kleinen Bildungseinrichtung mit ca. 300 Absolventen pro Jahrgang bildete.
Der Landtag empfing uns mit gläsernen Wänden, schleuste uns durch Drehtüren unter seine schützende Kuppel. Wir durften der Wahl vom Vortag in Ausschnitten der Aufzeichnung auf einer Leinwand in einem Auditorium beiwohnen. Es gab Törtchen und Sprudelwasser, Brötchen und Marmeladendöschen zum Mittag. Anschließend wurden wir im Obergeschoss in einen Seminarraum von einer Abgeordneten der SPD aus unserem Leverkusener Wahlkreis empfangen.
Im gläsernen Aufzug fand die gesamte Schulklasse Platz. Das Foyer breitete sich prächtig unter der Kabine aus. Hier und da ging ein Klumpen Volksvertreter entlang. Jemand kiekste:
"Da, Möllemann!" Der FDP-NRW-Chef war entdeckt und der Aufzug tobte vor Sensationslust. Manche skandierten den in Kindheitserinnerungen wohlbehaltenen "Hurra-Deutschland" Refrain "Möllemann, Möllemann, der Mann, der wirklich gar nichts kann!", manche streckten schräg grinsend den Daumen in die Höhe, andere winkten.
Da hatte uns die Spürnase Jürgen Möllemann bereits ausfindig gemacht. Sein Schnauz formte ein breites Grinsen. Er wackelte irgendwie mit den Fingern in der Luft rum. Im Aufzug fühlte sich die Rockerfraktion, der ich angehörte, dazu angehalten, wild zu headbangen und gegen Möllemann den Satansgruß zu erheben.
Im Adrenalinrausch dauerte die Fahrt scheinbar endlos.
"Was hat der da eben mit den Fingern gemacht?"
"Der hat FDP geschrieben, will doch Wählerstimmen."
"So ein Drecksack, das ist doch der pure Populismus!"
So bekam Möllemann meinen Mittelfinger zu schmecken. Er schien nicht sonderlich irritiert, wandte sich ab und ging. Ob ihn diese Szene nachhaltig beschäftigte, wage ich nicht anzunehmen. Wahrscheinlich war sie ihm mehr alltäglich.
So lebte ich mein Leben weiter. Der Gedanke an Jürgen Möllemann beschäftigte mich wenig. Als ich dann von seinem Selbstmord in Kenntnis gelangte, ging die Erinnerung an unsere Begegnung in mein Repertoire der makaberen Scherze über; ich hätte ihn in den Selbstmord getrieben, gesellte sich gleich neben die Anektote von meinem CD-Kauf am zehnten Septemper 2001, an dem ich gleichzeitig die Alben "A flight and a crash" von Hot Water Music und "Bleed American" von Jimmy Eat World erstand. Genug davon.
Ich habe die Queen gesehen!
Meine Ignoranz der Medienlandschaft und öffentlichen Berichterstattung gegenüber hat mir dazu verholfen, mein Aufeinandertreffen mit Königin Mutter zu einer minderen Überraschung aufzubauschen. Zwar hatte ich bereits im Vorfeld, jedoch durch mündliche Überlieferung und nur wenige Minuten vor dem tatsächlichen Aufeinandertreffen erfahren, dass im späten Frühjahr 2005 die Königin von England der Heinrich Heine Universität im Rahmen ihrer Deutschlandtour einen Kurzbesuch abstatten würde.
Es ereignete sich an einem Freitag gegen Elf morgens. Gemeinsam mit einem Komilliton und guten Freund machte ich mich nach Seminarende zur Tramhaltestelle auf. Schon aus einiger Entfernung sichteten wir eine kleine Menschenmenge am Fahrbahnübergang, eine Hand voll Polizeipersonal und wenige, hier und dort am Straßenrand verteilte Figürchen. Die Straße war für jeden Verkehr gesperrt. Bis die Queen gekreuzt haben würde, sollte es keinem Fußgänger erlaubt sein, überzusetzen. Wir warteten also.
Schließlich kam die Queen. Gewunken hat sie nicht. Nichtmal hat ihre Wagenkollone das Tempo gedrosselt. Einen pechschwarzen Bus führte sie im Anhang. "Ein Bus voller Royals" bemerkte mein Freund sehr treffend und, dass sie sicherlich "not amused" gewesen sei.
Sehr erbaulich war diese Begegnung nicht, dafür umso tpyischer. Immerhin habe ich gelernt, was Würde bedeutet.
Lesezeichen