"Es sind Dokumente aus vier Epochen der deutschen Geschichte, die im Haus Konrad Adenauers im Bad Honnefer Stadtteil Rhöndorf zusammengetragen wurden. Der Kanzlerzeit Adenauers, die (sic!) Krönung seines politischen Lebens, kommt dabei besondere Bedeutung zu. Natürlich gibt es auch Einblicke des 'Alten'."

So schrecklich sich dieses Gestammel liest, das ich der Homepage des WDR unter der Rubrik 'Ausflugstipps' entnehmen durfte, so wahr ist der letzte Satz: Es gibt Einblicke des 'Alten' in Rhöndorf. Aber nur für Eingeweihte.

Was bisher geschah: Für eine Comedy-Reisesendung beauftragt mich der Sender, mit zwei Comedians eine Art Pilotfilm bzw. erweitertes Casting unter erschwerten Bedingungen am Drachenfels zu drehen. Ja, lacht nur, was in der Südsee funktionieren soll, muß vorher eben durch das Souvenirgewitter an diesem zentralen Punkt deutscher Rhein-, Wein- und Romantikseligkeit.
Wenn man sich den langen, steilen Weg zu besagtem Felsen hinaufgequält hat - der Dekadentere bevorzugt die mittelalterliche Fortbewegungsart des Eselreitens -, so wird man neben der 70er-Jahre-Regierungsbunkerästhetik des ansässigen Gastronomiebetriebes auch des erwähnten Rhöndorfs dort links unten gewahr und ehrfurchtsvoll hauchen die anwesenden Kegelbrüder: 'Da liegt das Haus des Alten!'

Wir haben einen Termin im Haus des 'Alten'. Wir wollen dort vorsätzlich Schindluder und Schabernack treiben. Live on tape, improvisiert und vor laufender Kamera. Ein Mitarbeiter des unterhalb des Hauses angelegten Museums- und Archivkomplexes empfängt uns. Mir fällt sofort die sanfte, annähernd religiöse Verehrung auf, die man hier dem ersten Kanzler der BRD entgegenbringt. So ähnlich muß es auch im Vatikan sein - Hofschranzen und Wichtigmenschen, die gedämpft sprechen, verbindlich lächeln und doch den Dolch wider ihren Nächsten im Gewande führen. Der Führer, ich nenn ihn jetzt einfach mal so, ermahnt uns, der weltgeschichtlichen Rolle des 'Alten' ja gerecht zu werden, bloß keinen Schabernack zu treiben und verweist auf den Kollegen Guido Knopp, der ja gerade für seine ZDF-Reihe über die Kanzler auch schon dagewesen sei. Knopp, ausgerechnet Knopp, dieser Holzschnitthistoriker, der in seinen sog. Sendungen die neuesten historischen Trends des Jahres 1956 eloquent zusammenfassen kann - der dürfte sich hier wohlgefühlt haben. Es mieft.

Wir winden uns einen mäandernden Weg hoch zum Anwesen des 'Alten', das genauso aussieht, wie ich es mir vorgestellt habe. Oder nein, doch nicht: Es sieht nicht aus wie das Haus eines Kanzlers, es sieht aus wie das Haus von Onkel Helmut, der zur selben Zeit wie Adenauer einen bescheidenen Wohlstand mit dem Verkauf und der Reparatur von Musiktruhen und Fernsehgeräten erwarb - "Wir sind wieder wer" könnte über dem Eingang stehen, 50er Jahre-Bürgertum, aber bitte nicht zu aufdringlich. 6 Millionen verhindern Protzigkeit. Bißchen popelig für einen Kanzler, denken wir.

Innen: Dasselbe. Bürgerliches Wohnzimmer, eine Küche, in der eine flinke Hausfrau Dinge zubereitet und den Gemahl von der anstrengenden Überfahrt über den Rhein in Empfang nimmt mit dem klassischen Kanzlergattinnen-Satz: "Wie war Dein Tag, Schatz?" ("Ach, McCloy hat einen schrecklichen Geschmack, was Teppiche angeht und der Iwan will die Zoffjetzone weiter militarisieren. Was gibt's denn zum Abendessen?") Der Guide erläutert uns alles. Wir merken bald, dass wir hier nicht viel reissen können für unsere kleine Sendung - es macht keinen Spass, Dinge zu beschmutzen, die in ihrer Spießigkeit für sich schon schmutzig genug wirken.

Wir laufen durchs Haus und der Guide erklärt uns die Räumlichkeiten. Nur eine nicht: "Das hier ist die Toilette, hier bitte keine Aufnahmen, sie verstehen, das gehört zur Intimsphäre." Grins. ER grinst, nicht wir. Gott, wie verdruckst sind die hier, als wenn Kanzler vollkommen fäkalienlos seien. Unser Ehrgeiz ist geweckt - wir wollen DEN Scoop: Das Scheißhaus der Westintegration.

Dann senkt der Führer die Stimme, bevor wir einen Raum betreten, der einst als Schlafzimmer diente, im kollektiven Gedächtnis der Nation aber nur in einer einzigen, quasi hagiographischen Fassung verankert werden soll: "Hier ist das Sterbezimmer." Hinter einer spanischen Wand eine Art Krankenhausbett, daneben ein kleiner Tisch. That's it. Man merkt dem Offiziellen an, dass wir nun besonders ehrfurchtsvoll sein sollen, schließlich kann der Mantel der Geschichte auch ein Totenhemd sein. Mai 67, da bin ich geboren und der 'Alte' bekam ein Staatsbegräbnis mit Feier im Kölner Dom. Die Polizisten, die draußen standen, trugen die Stahlhelme der Wehrmacht und verbanden so eindrucksvoll mindestens zwei deutsche Geschichtsepochen.

Ich langweile mich und mache mich mit der kleinen Digitalkamera auf, um ein paar Snapshots im restlichen Haus zu machen. Vom Klo natürlich. Die anderen verwickeln den Guide in ein Gepräch über die letzten Stunden des 'Alten', ich husche durch die Gänge und schließlich bin ich am Ziel. Flugs die Kamera parat gemacht und alles säuberlich abgeschwenkt. Um die Wahrheit zu sagen: Es sieht aus wie das Klo von Onkel Helmut. Aber ich bin gerne investigativ.

Als wir gehen, bietet uns der Museumsmensch noch an, in die fertige Sendung ein Gewinnspiel zu integrieren, das würde bestimmt toll funktionieren und sie hätten doch letztes Jahr diesen schöne Adenauerkalender herausgebracht, davon würde er uns 50 Stück zur Verfügung stellen. Wir flüchten.