Als wir das Casting für meinen Film machten, war die erste Wahl für den Darsteller eines amerikanischen, halbseidenen Senators David Carradine.
Wir schrieben seine Agentur an, die zeigte sich interessiert, also flog ich nach New York, um den grossen 70-er Jahre Kung-Fu-Guru persönlich zu treffen.
Carradine brachte einen bulligen, trinkfesten Assistenten mit Klunkern an jedem Finger mit und Fotos von seiner Frau (laut eigenen Angaben leider erst die siebte), für die er unbedingt eine Rolle herausschlagen wollte.
Wir assen in einen teuren Restaurant, in dem Rauchen natürlich verboten war, also verbrachte ich mit ihm Stunde um Stunde in beissender Kälte vor dem Laden, weil er Kettenraucher ist. Essen liegt ihm nicht so, Schnaps hat schliesslich auch Kalorien.
Er redete wie ein Wasserfall. "When I met Johnny Depp at the Oscars, he told me that... and anyway, when we were filming the kung-fu series, we took some lsd for breakfast und smoked joints for the rest of the day". So erzählte er eine Anekdote nach der andern, mit leerem Blick, es kam gar nicht darauf an, ob ich hinhörte oder nicht. Aber ich war trotzdem beeindruckt und war mir sicher: der Mann ist der richtige für die Rolle.
Gesagt getan. Drei Wochen später kam er in die Schweiz für den ersten Drehtag. First Class Flug und Suite im Hotel Baur au Lac, die gesamte Gage im voraus ausbezahlt natürlich.
Ich war unglaublich nervös, das ganze Team war nervös. Niemand wusste, wie man so eine Hollywood-Grösse behandeln sollte. Nicht mal einen Wohnwagen hatten wir!
Die Ausstatterinnen hatten ihm stattdessen in einem leeren Zimmer des Schulhauses, in dem wir drehten, eine Lounge eingerichtet.
Die Limousine fuhr vor. Da kam Carradine, wieder mit dem Assistenten, ich eile auf ihn zu und drücke ihm die Hand. "Great to have you here". Er wendet sich an seinen Assistenten. "Who is she?"
Dann verschwand er in seinen Gemächern bis zum Drehbbeginn.
Natürlich arbeiteten wir mit Stand-Ins, so dass sich Carradine nicht zu technischen Proben herablassen musste. Irgendwann drehten wir. Was er dann zeigte, war schon beeindruckend. Sobald ich dazu ansetzte, ihm zu erklären, welches seine Marken waren und welche Bewegungen die Kamera machen würde, unterbrach er mich. "Don’t tell me, girl. Let’s shoot."
Und wirklich, jeder Schritt stimmte ohne eine einzige Probe, er passte sich der Kamera perfekt an, ein Profi.
Er hatte nur diesen einen Drehtag. Am Abend Essen mit der Crew. Carradine redete wieder ununterbrochen. Sein Essen bestand aus ungefähr zehn Espresso und zehn Grappas.
Drei Monate später hätte der wirkliche Dreh stattfinden sollen. Meine Produzentin wollte mit seiner Agentur die Drehtermine abgleichen, aber es stellte sich heraus, dass sie ihn rausgeschmissen hatten. Er sei mal wieder total abgestürzt. Nun habe sie genug von diesem Idioten. Ein Anruf bei seiner Frau ergab ähnliches: "I dont’t wanna see this asshole any more. I wanna divorce!"
Nichts zu machen. Wir besetzten die Rolle um und drehten den einen Tag in der Schweiz mit dem neuen Schauspieler nach.
Carradine hat seine Gage bis jetzt einbehalten. Man sieht sich vor Gericht.
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