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Thema: Gysi, Gregor

  1. #1
    Avatar von Joachim Lottmann
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    Gysi, Gregor

    Lieber mm, stell Dir bloß vor, heute habe ich den Gysi gesehen! Ich werde gleich davon berichten. Aber vorher muß ich natürlich auf Deine ausführlichen letzten Briefe eingehen, endlich. Es muß hart für Dich sein, immer erst verspätet eine Reaktion aus Deutschland zu bekommen, also von mir, der Stimme des Vaterlandes. Aber ich schreibe nicht mehr im Internetcafé bei der brutal bauchfreien Kellernadine und ihren Spastikerkids aus Hellersdorf - ich kann es mir nicht mehr leisten (nicht jeder hat die fetten Sozialhilfesätze der Marginalisierten). Ich schreibe nun nachts, in den Stunden, in denen ich sonst illegal n-tv geguckt habe. Das tue ich natürlich trotzdem noch, und ich muß Dir sagen, es ist in den letzten Tagen irgendwie anders geworden, verrückter, abgehobener, die ganze Medien-Wahlkampf-Sache. Immer mehr Politiker melden sich zu Wort, in allen Talkrunden sitzen sie nun, und die Talkshows werden immer zahlreicher, und dann kommt es zum Overkill, und dann wird der Overkill zum Normalzustand, der schon bald wieder überboten wird durch Doppel- und Dreifachauftritte der Politiker: da ist dann, wie heute geschehen, Gysi zugleich live direkt vor mir auf dem Alexanderplatz (und er ist hinreißend, stell Dir bloß vor, ein 'Gysi zum Anfassen', wie die Plakate versprechen und sogar halten!) und natürlich mittels diverser Wiederholungen auf den Sendern N24 (mit Rexrodt, Stolpe, Schäuble) und n-tv (mit Böhme, Eggert, Koch, Däubler-Gmelin) und Sabine Christiansen (wieder mit Stolpe, Laurenz Meyer, Kerstin Müller und Rexrodt). Ist die Sendung vorbei, kommt garantiert eine Sondersendung zur Wahl (eingeblendet und zugeschaltet einige prägnante Spitzenvertreter der Parteien wie Westerwelle, Gysi, Müntefering, Platzek, Rexrodt und in einem Schlußwort noch einmal Gregor Gysi von der PDS). Danach kommen die Nachrichten, bestehend zu 80 Prozent aus Wahlkampfnachrichten, und danach Sondersendungen von Emnid, Infratest-Dimap, Forsa oder Allensbach über neueste Wahlkampftrends. Und dann eine große Polit-Talk-Show mit ausgesuchten Alpha-Tieren der Großen Politischen Arena (Gysi, Rexrodt, Renate Schmidt, Gerhardt, Merz und einem Überraschungsgast von der PDS). Und so weiter. Nun kam gestern und heute das Thema "Blauer Brief aus Brüssel" nach vorne. Das hat mich unangenehm irritiert. Alle redeten plötzlich pausenlos dieses nun wirklich absolut unverständliche Buchhalterdeutsch. Sie wurden dabei lauter und gnadenloser, sprich verrückter, als bei anderen, noch nachvollziehbaren Themen. Ich habe Angst, die beiden Lager machen damit Schröders Wahlsieg wieder kaputt. Denn der beruhte auf der schlagartigen Mobilisierung vieler Unzufriedener, die durch Schröders zupackende Hand bei der Flut begeistert wurden. Nun sehen sie wieder durchgeknallte Beamte über das Defizit-Ziel des Maastricht-Vertrages der Neuverschuldung der Sozialversicherungen des Bruttozozialproduktes im Kostenrahmen der Mitgliedsstaaten durch den Wert der Arbeitslosenunterstützung bei gleichzeitiger Obergrenze von 3,5 Prozent, sprich "Blauer Brief aus Brüssel", brüllen, keifen und kreischen, daß die immer gleichen gedeckten Krawatten fliegen. Das will niemand. Da bleiben die Wähler lieber zu Hause. Armer Gerd!
    Auch wird die Flut-Aktivität langsam befremdlich. Jeden Tag, ja jede volle Stunde, werden weitere Hilfen beschlossen. Schon jetzt kann man es nicht mehr hören - und es sind noch 20 Tage bis zur Wahl! Drittens waren die Bilder aus Johannesburg nicht so toll wie erwartet. Der Kanzler vor dem Forum der Welt, vor den Regierungschefs von 200 Staaten, mitten in Afrika, weit weg von diesem Planeten, mit klarer Stimme den Klimawandel endlich Widerstand leistend, auf DEUTSCH! Aber es gab keine guten Bilder, keine Übertragung, nicht mal in den Nachrichten wurde es erwähnt (weil sie keine guten Bilder hatten), und auch Friedrich Merz wurde in seinem verlogenen Dauergehetze während einer Gemeinschaftstalkshow keineswegs unterbrochen, als die Live-Schaltung dann doch noch zustande kam. Merz lärmte weiter über die Brutto-Inlands-Sozialversicherungsquote, während der Kanzler in den Äonen der Welt dem Klima trotzte... umsonst.
    Ja, die Stimmung ist kurz vor dem Kippen. Ich merke es ja als erster, da ich aktiver Wahlkampfhelfer bin. So hatte ich zwei SPD-Termine mit dem Abgeordneten Jörg-Otto Spilles abgemacht. Ich hatte ja seine Plakate geklebt und aufgehängt, jetzt wollte ich dieses Alptraum-Gesicht endlich einmal in Aktion sehen. Ich hatte sogar eine freie Mitarbeiterin einer bedeutenden Regionalzeitung ("Mannheimer Morgen") angerufen, damit sie auch komme und über Spilles berichte. Sicher würden MIR keine Worte zu dem fahlen Einfaltspinsel kommen, sodaß es gut war, auf die routinierten Formulierungen der Kollegin zurückgreifen zu können (um Dir dann davon zu berichten, lieber Matthias Matussek). Zudem wollte ich gern sehen, wie Jörg-Otto auf die Frau rein körperlich reagierte. Das sah man doch selten, daß so ein Aktenmonster mit jenen Reizen konfrontiert wurde, die Eva Harlan, so hieß sie, ohne jeden Zweifel zu bieten hatte. Die äußerlich attraktive "freie" Journalistin tourte mal wieder 14 Tage lang durch Deutschland, Termin auf Termin, was mich unangenehm an das ganz normale Medientanten-Getue erinnerte, das ich schon von anderen schönen Frauen kannte. Freilich gab es bei Mrs. Harlan noch einen Plus-Faktor, ein MEHR von allem. Gewiß war sie eine schöne Frau, eine Medientante, und gewiß traf jedes entsprechende Klischee auf sie zu. Aber sie unterschied sich von allen anderen Frauen dieser Art dadurch, daß sie noch weit schöner war als diese. Schönheit an sich war heute leicht herstellbar: ein schwarzer Lederminirock, viel Haut, aufgeworfene Lippen und halb geschlossene Augen, ein Tattoo auf der freigelegten Brust, ein paar "freche" und respektlose Bemerkungen mit kieksender Stimme - und der ältliche Chefredakteur war auf ihrer Seite. Solange sie eine normale Dienstleisterin war und absoluten Mainstream ablieferte, war es nun nicht mehr ihre Stelle, die abgebaut wurde (sondern die des männlichen Kollegen). Das ging so lange, bis nur noch Frauen in bestimmten Berufen und Redaktionen tätig waren. Gut so. Ein Verdienst vom Gerd, der Frauen mochte. Er war ein Kanzler der Frauen, und das war meine heimliche Hoffung. Konnte man als Frau wirklich die CSU wählen? Nicht wirklich. Was aber geschah, wenn am Wahltag 65 Prozent aller Frauen heimlich Schröder wählten? Also ich fand es nicht schlecht. Aber was ich sagen wollte, war etwas anderes: Eva Harlan war physisch weit attraktiver als die üblichen "schönen" Frauen ihres Gewerbes. Und deshalb sollte sie mit zu Spiller.
    Jedoch: Jörg-Otto Spiller kam nicht. Der rote SPD-Bus, der an der Berliner Mauer stehen sollte, damit der Kandidat vor laufenden Kameras ein "Mauerputzen"-Happening abhalten konnte - er stand da nicht. Er kam nicht. Begründung: Kein Medieninteresse. Später sollte Spiller einen Stand am Alex haben und Wähler agitieren. Nix davon stimmte. Die Kollegin in ihrer sommerlich flirrenden, leicht neurotischen Schönheit raste mit mir im Taxi zum Alex. Und da war zwar wirklich etwas los, nämlich echter deutscher Wahlkampf, aber nicht von Spiller, dem Flop. Sondern von Gysi. Der hatte sich einfach auf ein Autodach gestellt und mit dem Reden begonnen, lautsprechergestützt. Ja, ein alter krächzender SED-Lautsprecher verlieh seiner ohnehin grandiosen Stimme etwas Aufpeitschendes. Daraufhin hatte Spiller seinen im neuen roten SPD-Bus integrierten Hightech-Stand wieder eingefahren und unbemerkt Gas gegeben, Richtung häuslicher Villa im Grunewald. Die Kollegin und ich standen mit offenem Mund vor dem Phänomen Gysi und wollten ihm näherkommen und ihn womöglich "anfassen", wurden aber von nachdrängenden Zehntausenden weggeschoben. Gysi sprach ersten (noch) schneller als im Fernsehen und zweitens noch sicherer. Er beherrschte seinen Stoff inhaltlich wie ein passionierter (nicht pensionierter) Lehrer, der den Kleinen zum x-ten Mal das Einmaleins oder die Schlacht bei Waterloo beibringt. Auch Du, Matthias, wärest begeistert gewesen und hättest Deine "Politik-ist-ein-schmutziges-Geschäft"-Haltung abgeschüttelt wie eine lästige Badehaube. Gleich mir hättest Du einen anderen Blick auf alles bekommen. Wobei man sagen muß: Ich bin ja der Sohn eines Politikers und daher im Vorteil. Dieses Politik-ist-ein schmutziges-Geschäft hörte ich schon in der Grundschule und dann ein ganzes Leben lang, während mein armer Vater sich abschuftete und in den Wirtshäusern der Bauern auf Tische stieg und Reden hielt wie Gysi heute. Mit Eiern und alten Tomaten wurde er beworfen, seine Kinder wurden geschnitten, seine Frau hat ihn gehaßt, seine Verwandten konnten seine Leidenschaft nicht verzeihen und warfen ihn aus der Stadt - aber "Schmutz"? "Geschäft"? Keine Spur. Im Fernsehen sah ich vorhin einen Serienstar namens Jutta Speidel oder so ähnlich in der Sendung "Beckmann" etwas sagen, das ich schon als Kind wortwörtlich so gehört hatte:
    "Also ich kann nicht mehr wählen. Die Politiker, einer wie der andere, stopfen sich die Taschen voll, bereichern sich, aber uns erhöhen sie die Steuern. Ich sehe seit drei Wochen nicht mehr fern, lese keine Zeitungen mehr. Das brauche ich jetzt einfach."
    So lief sie immer, die demokratiefeindliche Hetze. Die Leute denken wirklich, der Kanzler würde jeden Tag in seinen 16 Arbeitsstunden an nichts anderes als Brioni-Anzüge denken. Und Christian Ströbele an seine mit Schmiergeldern erbauten Feriengroßanlagen auf den Cayman Islands. Und wenn nicht, dann hat er wahrscheinlich seine Nichte mit einem Bonusflug fliegen lassen, was auf dasselbe hinauskommt. Alles Verbrecher, diese Politiker, ob im Großen oder im Kleinen! Alles egal, alles Scheiße, hinweg mit ihnen! Du mußt zugeben, daß das exakt auch Deine Haltung ist, die Du da, als großer Sohn Deines Volkes, mit 99 Prozent aller Volksgenossen teilst. Du hast es in Deinem letzten Brief ja selbst gesagt: Politische Unterschiede gebe es nicht mehr, einer sei so wie der andere, auch Schröder und Stoiber seien identisch, sähen nur anders aus. Die Rechnung geht doch so, der durch alle Jahrzehnte immer gleiche Gedankengang, dem auch Du folgst und den niemand so klar ausdrückt wie immer wieder Franz-Josef Wagner: Die Gutmenschen wollen, indem sie Gutes tun, zeigen, daß sie besser sind als die Schlechtmenschen. Das aber ist gottlos, denn Gott sagt, daß alle Menschen gleich sind. Somit sind die Gutmenschen verlogen. Und damit nicht besser, sondern einfach nur verlogener als die anderen, somit schlechter: "Sie predigen Wasser und trinken Wein!" (Wagner über grüne Politiker in der Bonusmeilen-Krise vor fünf Wochen). Die großen Verbrechen der Rechten werden stets mit den kleinen Tolpatschigkeiten der Linken gegengerechnet und auf Null gebracht. 200 Milliarden zusätzlich für ein neues Flugzeug, das keiner braucht: na und - dafür hat Clinton sich einen blasen lassen! Mein Vater, dessen ältere Brüder als Mitglieder des Kreisauer Kreises liquidiert wurden, sah die Dinge natürlich differenzierter, also eher wie Jürgen Leinemann; aber der ist ja auch älter.
    Zurück zur schönen Frau! Ein Leiden an den Medien oder an der Welt war ihr unbekannt. Wie ich schon sagte, hatte sie etwas, das über bloße Schönheit hinaus ging. Sie war nicht nur schön, sie war SEHR schön. Sie war nicht nur ein Lustobjekt für väterliche Vorgesetzte, nein, viel mehr: Sie war die FLEISCHWERDUNG jener erotischen Altmännerphantien der väterlichen Vorgesetzten. Etwas, das sie sich immer nur vorgestellt hatten und das plötzlich da war, so wie Gysi heute erstmals für mich DA WAR, nach hundertzwanzig digitalen Talkshowübertragungen. Wahrscheinlich hatte sie noch nicht ein einziges Mal mit diesen Klaus-Bednarz-Schnarchern schlafen müssen und trotzdem ihre Aufträge bekommen. So wie ich sie immer wieder einlud, ohne zu wissen wieso.

    Ja, die schöne Frau, sie beschäftigte mich beträchtlich. Das Wort Harlan, das der Leser und auch Du, Matthias, für eine besonders schlechte Namenserfindung meinerseits halten wirst, gibt es wirklich. Also sie heißt wirklich so. Ich erinnere mich, wie unangenehm es war, Helmut Krausser bei der Lesung seiner Schmerznovelle für die 'bösen' Figuren Namen von alten Nazigrößen verwenden zu sehen, also Kaltenbrunner, Frank, Dietrich und so weiter. Harlan kam nicht vor, weil der geistig unterbelichtete Krausser den nicht kannte. Auch der Vorname Eva ist echt. Ich würde eine fiktive Frauenperson niemals freiwillig so nennen. Aber man muß ja bei der Wahrheit bleiben. Sie hatte also etwas, Eva Harlan, was über pure Schönheit hinausging. Sie war nicht nur ein Lustobjekt, sondern hatte einen zusätzlichen Faktor, wie ich schon sagte, nennen wir ihn den Plus-Faktor. Lange hatte ich darüber nachgedacht. Beinahe hätte ich schon angefangen, ihre Artikel zu lesen, bis mir die Idee mit dem Plus-Faktor kam: sie hatte von allem zehn Prozent MEHR. Ihre Augen strahlten zehn Prozent heller als die Augen anderer Autos, äh, Frauen, anderer SCHÖNER Frauen. Ihre Brüste waren noch einmal um zehn Prozent größer und vor allem fester als die jener Frauen, nach denen man sich bereits umdrehte. Und so weiter. Vielleicht schrieb sie sogar zehn Prozent 'besser', also mainstreamiger, als die anderen Sexbomben? Viel hätte nicht gefehlt und ich hätte mir das Zeug mal angesehen, hätte zum ersten- und letztenmal in meinem Leben in der Bahnhofsbuchhandlung den Mannheimer Morgen erstanden. So wahr ich hier sitze und Dir schreibe, ich hätte es getan. Weißt Du noch, wie Du mich in Berlin fragtest, ob diese Journalistin vom Mannheimer Morgen denn auch gut aussehe, und ich spontan sagte: "Besser als Ulrike!" Und Du grüngelb angelaufen bist und man auf Deiner Stirn die Gedanken lesen konnte: "Da hat man sich nun ein Leben lang abgeschuftet und totgemacht und alles gegeben bis zum Umfallen - und nur, damit dieser Jolo dann mit der schöneren Frau nach Hause kommt?! Soweit kommts noch!" Du hattest beide Hände so zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß wurden. Ich bekam fast Angst und sagte irgendetwas Relativierendes ("...die schönste Frau der Welt, ja schon, aber das betrifft nicht Ulrike, so darf man das nicht sehen, äh, im Gegenteil").
    "Lustobjekt Plus X!" hätte Stoiber den Sachverhalt auf den Punkt gebracht und wieder gerufen "Deutschland kann es besser!", ohne damit etwas auszusagen. Womit wir wieder beim Thema wären: der Wahlkampf! Jörg-Otto Spiller hat ein Kochbuch herausgegeben. Mit SPD-Mitteln. Denn natürlich soll es eine kleine Eigenwerbung im Rahmen des Wahlkampfs sein. Jeder kriegt es kostenlos zugesteckt, bevor er angelabert wird. Es steht auch wirklich nicht ein einziges politisches Wort drin. Die Botschaft lautet: Seht her, ich bin gar kein richtiger Politiker, ich bin ein Mensch, ich koche sogar, ich bin wie Ihr, Ihr könnt mich ruhig wählen! Seine Angst, Dinge politisch beim Namen zu nennen wie Gysi, muß bei Jörg-Otto Spiller übermenschlich groß sein. Lieber schreibt er über Tomatensorbet mit Kräutern ("Weißbrotwürfel halbieren und im Mixer pürieren..."), dem Essen also, der einzigen Freude nach dem Ende jener sexuellen Phasen, die er nie kennengelernt hat. Voilà, Soupe à l'oignon! Guten Appetit - aber ich bleibe dann doch besser beim Thema Harlan...
    Ich interessierte mich wirklich sehr für das, was sie eigentlich schrieb, und sie erzählte es mir auch. Aber ich konnte mich dann nicht auf ihre Rede konzentrieren, sondern starrte auf ihre sehr weißen, marmornen, blaugeäderten, sehr schlanken, geraden und natürlich endlos langen Beine, zum Beispiel. Sie waren zehn Prozent länger als von der Natur im Bestfall vorgesehen. Dennoch war Eva zart, leichtfüßig, leicht neurotisch, von einer inneren, liebenswerten Aufgeregtheit angetrieben oder in Unruhe gehalten - wie, ja: ein Schmetterling. Als Bild mag das unpassend erscheinen, aber wer sie gesehen und in ihren Bewegungen erlebt hat, wird mir zustimmen. Es hatte vielleicht mit ihrem Humor zu tun, oder umgekehrt: ihr Humor hatte mit dieser Nervosität und frivolen Gespanntheit zu tun. Sie lachte viel, aber nie freiwillig; es platzte immer gegen ihren Willen aus ihr heraus. Eigentlich war sie sehr zart und mädchenhaft, aber ihr makelloses Gesicht, das in Ruhestellung das Make-up-Gesicht eines Models beim Fotoshooting war, zerplatzte jede Minute in tausend Lachfältchen und Grübchen, weil sie grundlos lachen mußte. Ein unbändiger, zwanghafter Humor schien in ihr zu wüten, und deswegen war ein geregelter Geschlechtsverkehr mit ihr auch irgendwie schwer zu imaginieren. Vielleicht lachte sie auch gar nicht grundlos - wie gesagt konnte ich ihr nicht recht zuhören - und lachte über eigene lustige Formulierungen; ich weiß es nicht. Oder sie lachte über mich - das müßte ich als Kompliment verstehen, als verliebte Schüchternheit. Das aber glaubte ich nicht, denn es gab da doch diesen Lebemann in Mailand (nicht in der Toskana, wie ich erst dachte), diesen verlebten Architekten, der seit 1979 Mozart hörte und nach dem Feinschmecker-Buch Jörg-Otto Spillers die Sause machte. Der Mann war über 50 und gänzlich untätig! Der wartete nur darauf, daß er sich wieder sabbernd auf sie werfen würde. Eine wunderbare Rolle, die ich selbst gern eingenommen hätte. Wenn sie es schaffte, nicht zu lachen, entschlüpften ihr oft unkontrollierte Lachlaute, so ein Glucksen und Stöhnen, das auf mich erotisierend wirkte. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt, und ich bewunderte ihr perfektes Profil, ihre Wangen, die aus Grimms Märchenbuch zu stammen schienen, den immer tiefroten, schön und scharf geschnittenen, herzförmigen Mund. Bis sie wieder lachte. Sie hatte schöne Mozartlocken, ich meine hellblonde Locken, die wie bei einer Prinzessin mit vielen Nadeln gehalten wurden und dennoch nie ganz zu bändigen waren; viele kleinere Löckchen kräuselten sich ins Gesicht vor, und sie mußte sie zurückstreichen. So wie diese Löckchen war sie selbst: zart und doch nicht zu fassen.
    Dieser alte Schwerenöter... ich hatte mir in meiner Eifersucht ein Foto von ihm zeigen lassen. Ein Bubigesicht, traurig, aufgeschwemmt, der Blick weggerutscht nach links unten, ein Schmerzensmann. Sicher hörte er seit Jahren das Requium am liebsten, in Erwartung einer Krebs-Diagnose, die nicht kam. Das Foto war alt und Schwarzweiß. Eva sagte, heute sähe ihr Liebhaber natürlich älter aus und nicht mehr so gut wie vor so vielen Jahren. Ich wollte ausrufen "Aber er sieht doch sogar da schon scheiße aus!", ließ es aber. Ich kann manchmal so taktvoll sein! Insgeheim rechnete ich mir nun größere Chancen aus. Wenn DER sie kriegte, dann ich erst recht. In einem ersten Schritt konnte man sich die Dame ja teilen...
    Dann wieder dachte ich: Aber sie ist doch eine Medientante! Sie hat ihre Doktorarbeit über "Die Allegorie von Palmen und Pappeln in Goethes Wahlverwandtschaften" geschrieben, kein Scherz! Sie fühlte sich mehr als wohl in der etablierten Kultursoße! Der altersmilde Leisetreter in den Abruzzen mit seinem Plattenspieler verkörperte für sie wahrscheinlich das Abendland von "Aspekte" bis "Kulturzeit"! Sie verführte ihn immer - ja, sie IHN - bei einer guten Flasche Weines nach allen widerwärtigen Regeln der Ratgeberseiten von Frauenzeitschriften! Wie schrecklich! Konnte mir das gefallen?
    Klar, daß das alles von mir schon am zweiten Abend erkannt worden war. Dennoch glaubte ich, mit einer ausgefuchsten Langzeitstrategie würde es gehen können: "Was immer sie sei, sie ist so überirdisch schön, daß ich zu meinem Spaß schon kommen werde", sagte ich zu mir mit fester Stimme. In den Wochen darauf wurde ich frustriert, denn ihre Haupteigenschaft war, daß sie nicht spontan war. Für jedes Treffen brauchte man zig Formulare, und außerdem war sie stets für Monate im voraus verplant. Das sollte einen nicht wundern. Irgendwie mußte solch ein viel zu attraktiver Mensch ja durch die Massen kommen. Außerdem waren alle Medientanten so. Medientante war ja ein Traumberuf. Viele Männer wollten eine Medientante haben, vor allem Österreicher und Tankwarte.
    Ich werde das Wort jetzt nicht mehr verwenden. Ich werde Eva endlich "Journalistin" nennen. Ich werde ihr endlich "respect" entgegenbringen, wie sie es verdient hat. Ja, ehrlich. Als ersten Schritt begleitete ich sie heute bei einem Interview. Sie interviewte einen Westberliner Galeristen für "den Morgen", wie wir beiden Profis nun sagen. Leider erinnere ich mich nicht mehr an ihre Fragen, sonst würde ich sie hier wiedergeben. Ich starrte die ganze Zeit auf ihre viel zu weißen Beine, die sich nervös aneinander rieben. Als wir fertig waren, lud ich sie zu meiner SPD-Wahlkampfhelfergruppe ein, die sich abends im Kurt-Schumacher-Haus traf. Kurt Schumacher hat übrigens nichts mit Michael Schumacher zu tun, dem großen Rennfahrer. Es ist vielmehr ein Politiker, den es kurz nach dem Krieg gegeben haben muß, der aber schon ein Jahr später verstarb. Also bevor alles losging. Eine frühe Sekundenberühmtheit sozusagen, wie Andy Warhol sie später forderte: Jeder Mensch sollte einmal in seinem Leben kurz berühmt sein. Dieser Schumacher war da sicher ein Vorläufer. "Die young, stay pretty!" riefen ihm die Leute, wackere Genossen, ins Grab nach. Der Mann war ein SPD-Star, und noch heute heißen Häuser nach ihm. In einem trafen wir uns. 'Liebchen', wie ich die Harlan inzwischen nannte (sie nannte mich 'Lottchen'), war natürlich zu unspontan dafür und verabschiedete sich mit einem Lachanfall. Sie fuhr mit ihrem Fahrad weg, der hübsche Schmetterling, und winkte noch lange neurotisch-überschwenglich, was mich rührte. Andere Journalistinnen hätten das nicht getan.
    Die erwähnte Jusogruppe, umbenannt in DAS JUNGE TEAM, also diese Wahlhelfer, nahmen mich kaum wahr. Sie saßen in Kleingruppen à drei Mann über einem Strategiepapier, das sie anschließend diskutieren wollten. Mir ging es vor allem um Phil alias Philomena Handscke, die zwar nicht die Schönheit Evas hatte, aber jünger war und einen so nackten und freigelegten Busen hatte, daß mir das Herz stehenblieb. Ich wurde ihrer Kleingruppe zugeteilt, und immer wenn wir uns über das Strategiepapier beugten, fiel ich mitsamt meinen Stielaugen fast in ihren nicht vorhandenen Ausschnitt. Wie herrlich fest und kräftig der Busen einer 17jährigen Juso-Aktivistin sein kann, wie sinnlich und lebendig, weiß ich erst jetzt wieder und wußte vor mir nur der junge Goethe, als er noch über Pfänderspiele mit der Nachbarsjugend in Weilerswist schrieb und "ein guter Autor" (M. Reich-Ranicki) war. Die Weisheit späterer Phasen wog das niemals auf. Auch mein Hauptwerk Deutsche Einheit kann bei aller Reife solch schöne Erlebnisse wie das mit Phils pulsierender Brust nicht aufweisen.
    Gerade weil Phil nicht sonderlich gutaussehend war, wirkte der bemerkenswert feste und freizügige Busen hammerartig auf mich, und ich verpaßte viel von der Strategie und all den netten Aktionen, etwa der Aktion "Ariadne-Faden". Darüber wurde diskutiert, aber ich kriegte es nicht mit, was ich bedaure. Ich hätte es sonst an dieser Stelle mitgeteilt. Man sprach über Infostände, das Schröderticket, die Frühverteilung, das Laubenpieper Jubiläum, das "Pressegespräch mit türkischem Medienvertreter", das Kirchstraßenfest und: die Aktion "Wowereit für Spiller" am 17. September! Das war leider noch lange hin. Ich erzählte Phil, welches Pech ich mit (Jörg-Otto) Spiller bereits gehabt hatte und sie versprach, mir zu helfen. Sie gab mir eine Liste mit etwa 20 Terminen mit, auf denen ich sie und ihren offenen Jungmädchenbusen wiedersehen konnte. Das machte mich für den Moment wirklich glücklich, und ich glaubte mehr als je zuvor an Schröders Wahlsieg. Auch schmeichelte es mir, daß sie Texte von mir im Internet gelesen hatte. Sie sagte, es sei beeindruckend gewesen, was alles über mich im Internet stehe, und sie wurde rot dabei. Ich zog ein Buch von mir aus der Herbert-Wehner-Aktentasche und schenkte es ihr. Für solche Fälle trage ich immer eins bei mir.


    Ich habe Gysi gesehen! Und jetzt auch, gestern, den Abgeordneten der SPD meines Wahlkreises, Jörg-Otto Spiller. Ja, das ist die Wahrheit. Es wird niemanden interessieren, deswegen füge ich hinzu: auch Stefan Liebich, der junge PDS-Superstar, war dabei.
    Phil hatte mir den kompletten Wahlkampfterminplan der Kampa 02 überlassen. Deswegen wußte ich, daß in diesem SOS Kinderdorf (es war wirklich eins, das erste meines Lebens) im tiefsten Wedding (ich dachte immer, die stünden in Dänemark) um 15 Uhr Jörg-Otto sowie die Kandidaten ALLER Parteien auftreten würde. Auch einer von der CDU (Name vergessen), sowie der FDP, den Grünen, der PDS und als Sonder- und Überraschungsgast noch der ehemalige Wirtschaftssenator der Stadt, ebenfalls von der PDS. Vor den Kindern des SOS Kinderdorfs. Das war insofern komisch, als alle Redner andauernd leidenschaftlich mahnten, doch zur Wahl zu gehen. Ich stellte mir vor, wie diese insgesamt eher indifferenten, reservierten Kinder und Jugendlichen aus 20 Nationen am 22. September dann DOCH zu den Wahllokalen gingen und keine Wahlzettel bekamen. "Schleich di, du Ausländerbastard!" würde ein Stoiber-Wahlhelfer die kleine Amaar (11) aus Pakistan anschimpfen, äh, derblecken.
    Mein Jörg-Otto - Genossen müssen sich duzen - machte schlappe 50er Jahre Witzchen und wirkte sowieso ganz anders als auf den inzwischen vollständig überschmierten und mit nicht nachvollziehbarer Wut zerstörten Plakaten. Er wirkte auf mich wie früher Harald Juhnke. Er redete langsam, versoffen, mit hängenden Schultern, hängenden Mundwinkeln und hängender 70er Jahre Tropfenbrille. Die Beine hatte er im Stehen überkreuzt, mit den Ellenbogen auf dem Pult stützte er den zu schwer gewordenen, unfitten Oberkörper. Er redete ungefragt über irgendetwas, was ich nicht verstand, gebrauchte dabei die Wörter "Steuerreform", "Mittelstandsförderung", "Staatsbürgerschaftsrecht" und so weiter. Die Kinder sahen ihn neutral an. Sie hatten nichts gegen ihn, was ich erstaunlich fand, aber auch nichts für ihn. Ich rief:
    "Dranbleiben, Gerd!"
    Das wurde dankbar aufgenommen. Nach einer Schrecksekunde lachte erst ein Kind, dann zehn, dann die Politiker, dann die SOS-Kinderdorf-Betreuer (rührende Leute), dann alle und auch Jörg-Otto. Er blähte sein übergroßes Peter-Frankenfeld-Jackett und die ebenso alte, früher rote Krawatte, und beendete seine Rede mit launigen Witzchen, die ich wieder vergessen habe ("Manche glooben, wennse von Charlottenburg 100 Kilometer nach Westen fahrn, sindse im Goldenen Westen. Aber da is erstmal POTSDAM!"). Statt seiner begann der Ost-Erroll-Flynn Stefan Liebig eine kämpferische Rede. Der Twenty-Something sah wie der 80er-Jahre-Sänger "Prince" aus, verblüffend die Wiedergängerphänomene, also umschattet, drogenabhängig, kokett männlich, popstarhaft semischwul und provokativ. Seine Attitüde ging unter die Haut, und die Kids fanden ihn auch gut (ihn und den Grünen fanden sie gut, den Rest nicht), aber seine Sätze waren leider ebenso langweilig das heißt sprachlich verbraucht wie die der Konkurrenten. Man konnte nicht zuhören, weil man alles schon so oft gehört hatte; maximale Redundanz führte nunmal zum weißen Rauschen, wo einst ein Bild war. Nur ein Kalauer half ihm wieder hoch: "Lieber spät mit dem Hartz-Konzept, als mit Lothar Späth ganz ohne Konzept!" Die Kinder klatschten staunend. Was er damit wohl gemeint hatte? Immerhin konnte er dichten!
    Jörg-Otto gähnte derweilen. Minutenlang guckte er zur Decke, als liefe da eine Fußball-Übertragung. Dann sah er unendlich frustriert und lebensüberdrüssig-traurig aus dem Fenster. Die Kids aus 20 Ländern schienen ihn nicht die Bohne zu interessieren. Das war ungerecht, denn manche, in der Regel Türken, waren wach und diszipliniert. Sie stellten einfache Fragen und taten dies so eindringlich, daß ich sofort dachte, das seien bestimmt Islamisten. Leider hatte ich die Nummer des BKA nicht im Handy-Display eingespeichert. Als guter und uneingeschränkt solidarischer Demokrat hätte ich die Brüder und Schwestern sofort hochgehen lassen! Vom SOS Kinderdorf direkt nach Guarana Bay in die Käfige. Nach der Veranstaltung schnappte ich mir den Wortführer.
    "Wie du heißen?" fragte ich, noch freundlich.
    "Baarish!" Er war 16 und machte eine Kaufmannslehre. Er interessierte sich sehr für Politik, wie sein Vater. Nach der Lehre schaltete er jeden Tag alle Nachrichtensender ein, n-tv, N24, Phoenix.
    "Du bist wie ich!" sagte ich ihm. Es war einfach wahr. Er wollte eine Telefonnummer haben (im Laufe des Gesprächs, das nun folgte, das aber nicht so interessant war, da er sich eben WIRKLICH für Politik, das heißt für Parteienpolitik interessierte), und ich gab ihm die von Phil. Mit Liebig sprach ich nicht mehr, mit Jörg-Otto schon.
    "Warum läßt du es zu, daß solch häßliche Plakate von dir aufgehängt werden?" fragte ich.
    "Manche finden sie nicht so gelungen, das mag vielleicht so sein, aber wiederum andere finden, daß ich auf den Plakaten besser aussehe als im Leben, das ist einfach nunmal ein Stück weit Ansichtssache und das muß jeder dann für sich persönlich auch ein Stück weit entscheiden, sag ich mal..."


    Die Entscheidung ist gefallen, Schröder bleibt Kanzler. Das zweite TV-Duell gestern hat alles klargemacht. Es endete für Stoiber mit einem Waterloo. Er stotterte, er plapperte sich um Kopf und Kragen. Am Ende äffte ihn der souveräne Kanzler sogar nach. Stoiber war falsch geschminkt, gelbgesichtig wie eine unreife Birne, angespannt und mit den falschen Drogen in eine falsche, unsympathische, selbstgerechte Siegesegewißheit geputscht. Der Gerd dagegen ruhiger denn, ganz und gar der Staatsmann.
    Noch in der Nacht davor sah es gar nicht so aus. Ich sah wieder heimlich den Nachrichtensender n-tv, der Wiederholungen der Wahlkampfreden brachte: Schröder auf dem Marktplatz in Hannover, Stoiber in der mit 8.000 CSU-Fanatikern überfüllten Olympiahalle in München. Schröder krächzte und wirkte hilflos; vor ihm verkrümelten sich nur eine Handvoll Menschen, der Platz war leer, und die wenigen, die gekommen waren, verkörperten so erschreckend deutlich 'das letzte Aufgebot', daß mir bange wurde: nichts als Alte, Kranke und Gescheiterte. Von denen hatte niemand einen Job, von denen konnte kaum noch einer laufen, es reichte gerade noch zum SPD-Fähnchen schwingen. Und dann dieser krächzende Kanzler, alle Bewegungen in Zeitlupe. Ich konnte gar nicht hingucken. Das Jackett hatte er ausgezogen. Was wollte er diesen Greisen und Gebrechlichen noch versprechen für deren letzte Tage?
    Ganz anders Stoiber. Schneidend seine Rede, fanatisiert das Publikum, aufbrausend und betörend der Applaus. Beifallsstürme brandeten auf, schlugen gegen sein Pult, wann immer er seine Sätze mit den vielen stoiberschen Adjektiven ("total", "ganz und gar", "vollkommen", "in jeder Hinsicht", "auf der ganzen Linie") ins weite Rund gebellt hatte. Und immer wieder die Fußballvergleiche. Er war besessen oder besoffen davon. Irgendwer mußte ihm irgendwann den Floh ins Ohr gesetzt haben mit diesen Vergleichen. "Herr Ministerpräsident, des mögn' d'Leut. Des is was, wos merken: der Stoiber Edmund is net nur a Politiker!" Seitdem fehlt in keiner Rede das 'Flasche leer, wir haben fertig' und die vielen anderen Steilvorlagen. Frauen dürfte das ziemlich abstoßen.
    Das zweite und letzte, somit entscheidende TV-Duell war in dieser Terminologie natürlich "das Endspiel". Es fand tagsüber um 20.30 Uhr statt, und ich konnte nicht warten, bis ich nachts die Wiederholung sah. Ganz Deutschland war auf den Beinen, ich konnte nicht abseits stehen. Die Einschaltquote übertraf bereits während der Aufwärmkommentare und der Vorausbeichterstattung diejenige des WM-Endspiels. Zuletzt hatte es während der Durbrigdekrimis in den 60er Jahren solch einen Straßenfeger gegeben. Ich sah das Endspiel zusammen mit der SPD-Ortsgruppe im 'Sportcafé Turmstraße' in Moabit.
    Schon eine Stunde vorher starrten alle auf eine kinogroße Leinwand, die mit Kordeln und Absperrungen vom Schankraum abgetrennt war. Das 'Sportcafé Turmstraße' besaß den Charme eines ehemaligen Internet-Chatrooms, der in Zeiten der Wirtschaftskrise zur Flipperhalle verkommen war. Blechern schepperte aus defekten Lautsprechern ein alter Dieter-Bohlen-Hit, jene Billigdiscomusik, die in Deutschland zwar hergestellt, aber nur in Drittweltländern gespielt wird, normalerweise. Die Spannung war unerträglich. Jeder wußte es und in den Zeitungen dieses Tages stand es: die Partie Stoiber / Schröder stand genau bei 50:50, auf das Promille genau. Die geringste Veränderung würde die Entscheidung bringen; es genügte, daß jeder hundertste Zuschauer seine Meinung änderte oder neu faßte.
    Die Leute im Saal sahen wieder aus wie das letzte Aufgebot auf dem Marktplatz in Hannover. Nur Rentner außer Phil und mir. Ich beobachtete interessiert, wie Phil auf die Alten und Schwachen fixiert war. Wenn wieder ein altes Mütterlein in den Raum humpelte, lief sie auf sie zu und redete endlos mit ihr, als wäre diese mindestens eine Ministerin in Schröders Kabinett - es war ihr offenbar sehr wichtig. Das machte mich nachdenklich. Wer war Phil? Sie führte mich voller Stolz an einen Tisch, an dem drei 'HB' paffende ehemalige Werktätige saßen, zwei Männer und eine Frau. Die Männer waren der Dieter und der Hans, die Frau war abnorm dick und die Mutter von Phil. Ihre besten Tage mußte sie nach dem Krieg gehabt haben, als sie noch Kind und vielleicht noch nicht abnorm dick gewesen war. Ich hörte später von Phil, daß die bewunderte Mutter das ganze Leben lang Aktivistin in der SPD gewesen sei. Erst Flugblattverteilerin, dann irgendwas anderes, einmal sogar Vereinskassenwärtin. Der Großvater war noch mehr gewesen, nämlich Wirtschaftsminister einer SPD-Landesregierung. Der Onkel war Professor einer SPD-Akademie und diverse Cousins waren ebenfalls ganz oben in die SPD-Hierarchie aufgestiegen. Interessant. Ich dachte nach. Wo war der Vater? Ihn schien es nicht zu geben. Hatte er die Mutter verraten, sitzengelassen, und war jetzt Büroleiter eines CSU-Hardliners? Übrigens war Phil ganz in Schwarz erschienen, in einer schwarzen Tüllhose und einer (wieder sehr offenen) schwarzen Bluse, sodaß die weiße Haut ihres weißen Paradebusens als ganz besonders weiß ins Auge stach und einen verrückt machte - so man nicht schon mit einem Bein im Grabe stand. Aber an der 17jährigen Schülerin reizte mich ja nicht die weiße Brust, sondern die inhaltliche parteipolitische Ausrichtung, und so war es nicht nicht schlimm, daß ich sie immer wieder zur Seite zog und mit ihr 'diskutierte'. Auch andere Genossen wollten mit mir diskutieren und taten es auch, sehr zu meinem Mißvergnügen, sodaß ich zuletzt Phil mitsamt ihrem Busen nach draußen zerren mußte. Doch greifen wir nicht vor. Solange das TV-Duell lief, sagte keiner ein Wort. Still glühten die HB-Zigaretten auf, ganz selten einmal wurde gelacht, meist wenn Stoiber sein streberhaftes Geckentum zu weit trieb und zur Karikatur seiner selbst wurde.
    Phil hatte dunkelrotgefärbte Haare, wahrscheinlich waren sie von Natur aus wunderschön kastanienbraun oder sogar glänzend schwarz. Sie waren außergewöhnlich stark und dicht, aber sie hatte sie mit einer Gartenschere und ohne Spiegel selbst abgeschnitten, was absolut furchtbar aussah. Diese Person verstand es, sich häßlich zu machen. Denn eigentlich hatte sie eine Ausstattung, die für den Film gereicht hätte. Ihr Gesicht, ihre Nase, wie gesagt ihre Figur... aber lassen wir uns über das Duell reden. Alle Fernsehschranzen dieser unserer Medienrepublik waren mit im Boot, seltsamerweise, als stünde eben genau diese Medienrepublik zur Wahl. Als entschieden die Wähler am 22. September über das weitere Schicksal von Gerd Ruge, Günter Jauch, Hans-Olaf Henkel, Oskar Lafontaine, Günter Pfitzmann, Heinz Eggert, Gregor Gysi, Uschi Glas, Werner Sonne und so weiter. In tausend Paralleltalkrunden saßen die Schranzen in den Studios und talkten vor und nach dem Duell über - ja, worüber? Über sich selbst, über ihre gottserbärmliche Dummheit. Denn ihr einziger Gedanke, den sie unisono lärmend und sich originell dünkend vortrugen, war der, daß die beiden Duellpolitiker nur 'Darsteller' waren. Nur Schauspieler. Ha ha, alles nur Show! Nur gespielt von denen. Gähn.
    Warum nun wurde Schröder zum Triumphator in dieser Sendung? Sie ging doch stundenlang wieder um dieses Arbeitslosigkeitsblabla, um das immer gleich blöde PDS-bashing, um die üblichen Nullsätze ("Nur wenn die Wirtschaft wieder auf den Wachstumspfad geführt wird, können auch die Probleme besser bewältigt werden meine sehr geehrten Damen meine Herren!"). Jedoch: der Kanzler hielt sein Blabla ruhig durch, während Stoiber nach ziemlich genau 25 Minuten heißlief wie ein defektes Kühlsystem eines unmodern gewordenen Reaktors. Er begann zu rasseln und zu geifern wie ein Rumpelstilzchen. Die Leute rieben sich verwundert die Augen. Was war das für ein Heini? War der nicht ganz dicht? Den konnte man doch nicht wählen! Einmal verrannte er sich in einen achtminütigen Endlossatz, der schließlich wirr und ohne jede Bedeutung im Nirgendwo versickerte, in absurden Zahlen, die für jedermann sichtbar schwachsinnig waren. Schröder mußte den Satz schließlich abschließen und Stoiber aus seinem eigenen Irresein befreien. Da war die Sendung eigentlich gelaufen. Nun hätte Stoiber höchstens noch mit vielen kleinen Gegentreffern die Niederlage abschwächen können. Tat er aber nicht. Stattdessen schlug Schröder noch zwei weitere Male entscheidend zu. Er gewann viele unentschlossene Frauen und alle Patrioten sprich Rechtsradikale für sich. Das waren nochmal jeweils ein paar Hunderttausend Wähler zusätzlich für die SPD. Dann ging er, freundlich, unaufdringlich, während der aufgedrehte Stoiber Hände schüttelte und in letzter Sekunde vor laufender Kamera über eine Studiostufe stolperte. Man half ihm schnell hoch, ein Helfer wischte ihm den Schaum vom Mund, aber das Bild blieb doch haften...
    Ich ging mit Phil alias Philomena Handscke, Tochter von Ursula Gertrude Handscke, durch das nächtlich mondäne Moabit, dem Paradies von Migranten und Müllmännern. Phil redete von Prozentzahlen, die sich 'das junge Team' bei der Wowi-Wahl im Mai gesetzt und doch nicht erreicht hatte.
    "36,5 Prozent für Wedding-Nord! Das hatten wir uns fest vorgenommen! Das war unser Ziel!"
    Es fiel mir schwer, zuzuhören. Die Wowi-Wahl? Wieviel Prozent, wo? Und warum? Warum nicht 50 Prozent? Schließlich brachte ich das Gespräch auf Literatur. Es stellte sich heraus, daß Cathy die gesamte Bibliothek ihres Großvaters, des Ministers einer Landesregierung, geerbt hatte. Leider hatte sie noch nicht mit dem Lesen begonnen - doch das fand ich nicht schlecht. Lieber viertausend reale, ungelesene Bücher, als ein paar handvoll gelesene, die man aber nur im Kopf hatte und wieder vergaß. Außerdem hatte sie, wenn sie noch nicht angefangen hatte, auch noch nichts Falsches gelesen. Ich konnte ihr zwei, drei Bücher der Weltliteratur schenken, dann war sie weiter als der Rest der deutschen Jugend.
    Nachts auf n-tv sah ich das Duell nochmal. In Umfragen während und nach des Duells war eine überwältigende Mehrheit für Schröder ermittelt worden. 52 Prozent fanden ihn besser gekleidet, 58 Prozent besser geschminkt, 62 Prozent fanden ihn überzeugender als Stoiber, 82 Prozent kompetenter und 98 Prozent sympathischer. Die Wahl war gelaufen und ich mit Cathy für den nächsten Nachmittag verabredet! Ich ging nochmal nach draußen, die Oranienburger Straße entlang, und fühlte mich wunderbar leicht. Wie Muhamed Ali damals in dieser namenlosen Vorortstraße von Kinshasa, nachdem er Foreman geschlagen hatte. Als er nur so ein bißchen umherschlenderte, nach all dem Stress. Ohne Sicherheitsleute, ohne alles. Und nur ein paar Negerkinder ihn umkreisten, lachend vor Glück. Ja, so fühlte ich mich. Nur ein paar junge Nutten sprachen mich an, lachend auch sie. Das übrige große, erhabene Berlin hatte sich schon zur Ruhe begeben. Die Berliner Republik, sie lebte weiter, mit ihrem herrlichen jungen Kanzler Gerhard Schröder.


    Die Wahl war in der Tat gelaufen, sie interessierte mich nicht mehr. Aber da ich an Phil dran war, blieb ich im Umfeld der historischen Ereignisse. Jeden Tag gab es viel "zu arbeiten", so nannten sie es. Wenn ich zu einem Genossen sagte, nun habe der Gerd aber wirklich gewonnen, hörte ich: "Nur, wenn wir noch ganz viel arbeiten bis zum Zweiundzwanzigsten." Also weiter Jazz Festival mit der Bethaniea Gemeinde, 200 Jahre Luisenstadt mit Volker Hobrack, Kiezspaziergang des WK V und Huttenkiez in Martinikenfelde mit Jubilar-Ehrung. Wer noch Puste hatte, konnte zwischendurch das Weinfest Nettelbeckplatz unterstützen oder den Trödelmarkt im Haus Bottrop. Oder die Infostände munitionieren, mit live-Argumenten. Phil hatte immer Puste. Das Wetter war immer noch schön und sommerlich warm, und Phils energische Brüste stachen mir in die Augen wie zwei Sonnen. Stets waren sie aufgerichtet, hammerhart, allzeit bereit für die Partei, nie nachlassend, nie müde und schlaff werdend wie die von anderen Frauen. Sie waren mir entgegengereckt, und es strengte mich an, nicht ständig hinzusehen. Ich sah dann in ihr Gesicht, auf ihre kleine, wohlgeratene Stumpfnase, die irgendwie brutal wirkte, aber wenigstens nicht verboten. Ihr Trick, die Brüste nackt und aggressiv zu präsentieren ohne schamlos zu sein, war der: Sie trug schwarze oder dunkelgrüne Unterhemden der Größe sechs oder sieben, die ihr viel zu groß waren und ihren Körper kaum berührten, und darüber eine aufgeknöpfte Bluse. Von weitem war sah sie normal und angezogen aus, doch stand man neben ihr, ergriff einen ein erotischer Taumel, um es einmal übertrieben auszudrücken. Wahrscheinlich nahm kein einziger Genosse außer mir das Phänomen überhaupt wahr. Dennoch war es auffällig, was bei der Aktion Mauerputzen am Montag passierte. Das junge Team / Jusos fuer Schroeder.de traf sich mitsamt Jörg-Otto Spiller, den ich nun täglich traf, vor der Berliner Mauer, die es in der Bernauer Straße noch gab und dort rührend gepflegt wurde. Auf hunderten von Metern gab es reinstallierte Todesstreifen, Wachtürme, Gedenkstätten, Denkmale, Mahnwachen, Fotostrecken, ein Dokumentationszentrum, ein Mauermuseum, ein Platz für niederzulegende Kränze und so weiter. Die SPD erboste nun - so erzählte mir Suny - daß der Todesstreifen nicht ordentlich gepflegt wurde. Der Todesstreifen war längst ein weites, offenes Brachland geworden, unbebaut, von Türkischen Familien für Grillfeste zweckentfremdet. Das junge Team / Jusos fuer Schroeder.de rückte nun an, um das Areal von Müll zu reinigen. Dazu gehörte auch der Fußgängerweg vor der Mauer, die Mauer selbst und die vielen unberührten Bäume und Sträuche und Wiesen auf östlicher Seite. Wie gesagt, es war Sommer, es war ein heißer Nachmittag. Wir schlugen uns ins Gebüsch. Jeder hatte einen großen, blauen Müllsack, ein paar nagelneue Arbeitshandschuhe und einen mechanischen Pickstab, wie ihn Rentner mit steifen Knien benutzen, bekommen. Und nun hättest Du die verdammten Bengels vom jungen Team sehen sollen, lieber Matthias! Sie drängelten sich andauernd in Phils Nähe, wie blöde Buben in der Badeanstalt an das erste Mädchen mit Busen in der Klasse. Absolut ärgerlich. Ich mußte immer wieder versuchen, Phil so weit abzutreiben, daß der Rest des Rudels zurück zu Jörg-Otto strebte - die Müllarbeit mußte ja gemacht werden. Ich wußte, daß ich Phil heute anfassen MUSSTE. Ich war zum Glück erfahren genug, mir eine solche Chance nicht entgehen zu lassen. Man konnte unglücklich auf sie drauffallen, beim Picken und bücken und aufheben, das Gelände eignete sich zum Stolpern... und dann: draufpatschen mit den großen Händen und gar nicht mehr loslassen! Was sollte geschehen? Ging es schief, konnte ich laut und künstlich lachen und es als verständlichen Scherz in verständlicher Lage darstellen. Sowas kommt vor in solchen Situationen, nichts Menschliches sei uns fremd! Sorry natürlich, klar, tut mir leid... ist ja total verrückt eigentlich... und das Wetter, unglaublich... hätt ich selbst nicht gedacht... na, Schwamm drüber!
    17 Uhr war vorbei, die Sonne stand schon schräg, es war, wie ich heute weiß, der letzte echte Hochsommertag überhaupt, am nächsten Tag begann der Herbst mit einem jähen Temperatursturz. Jörg-Otto wirkte nett und natürlich, hatte ein altes braunes Polo-Hemd an. Er war etwas mollig, was zu seinem Alter paßte. Die Hitze hatte ihm sogar eine fast schon gesunde Hautfarbe verschafft. Die 70er Jahre Goldrandbrille für Kassenärzte hatte er gegen eine normale Sonnenbrille getauscht. Er war der einzige, der nicht Phils, sondern MEINE Nähe suchte, da er mich für einen Journalisten hielt. Ich trug nämlich einen Bundestags-Presseausweis der Süddeutschen Zeitung am Revers, um mich wichtig zu machen. Den Genossen erzählte ich, ich sei ein wichtiger Journalist, und Cathy, ich sei ein großer Schriftsteller. Eines Tages sagte sie mir aufgeregt, Jörg-Otto würde mich kennen, wahrscheinlich aus dem Fernsehen kennen. Das war mein Ritterschlag. Nun war ich in Cathys Augen ein Prominenter, ein Günter Grass in jung. Natürlich war ich nie im Fernsehen, tat aber sofort so. Ich ahnte sofort, warum Spiller grübelte, er habe mein Gesicht schon einmal gesehen. Ich war ja auf all seinen Wahlveranstaltungen!
    Die jungen Leute pickten unermüdlich den Müll in die Plastiksäcke. Sie sahen aus wie... niemand. Sie sahen nicht wie junge Leute aus, nicht wie die, die MTV gucken und sich cool anziehen. Es gab nichts, was einem an ihnen auffallen konnte. Der eine trug ein "Stoppt Stoiber"-T-Shirt, und selbst das war mir nicht aufgefallen. Erst als Cathy von "dem mit dem Stoppt-Stoiber-T-Shirt" gesprochen hatte, hielt ich nach ihm Ausschau. Tatsächlich, da stand sowas drauf. Grüne Schrift, blauer Grund, hatte er wohl selbstgemacht. Hatte das Hemd nicht schon sein Vater getragen? Andere vom jungen Team trugen Jeanshemden, Jeans, Armyhosen, Kurzhaarschnitte, mit einem Wort: Sie sahen alle aus wie der ewige Herbert Grönemeyer, der Deutsche aller Deutschen. Auch Phil unterwarf sich durchaus diesem dress code. Ihr bundeswehrgrünes Männerunterhemd hätte sie von dem Typen mit dem Stoiber-Hemd haben können, und auch sie trug eine äußerst unvorteilhafte Armyhose, die ihren kleinen Hintern aufblähte wie den ihrer drüsenkranken Mutter. Ihr Gesicht war voller Pubertätspickel wie die Gesichter anderer Junggenossen, was mich jedoch nicht störte, bedeutete es doch, daß Cathy noch keinen Liebhaber hatte und die körperliche Liebe, wie sie ein älterer Mann zu schenken vermag, nicht kannte. Irgendwie, ich wußte nicht warum, wirkte Cathy in diesem Brutofen stinkender Ost-West-Vergangenheit dicker auf mich als sonst. Würde sie später ebenfalls einmal in die Breite gehen? Ich musterte unverhohlen und mit unbestechlichen Blick ihren Körper von oben bis unten, obwohl sie mich dabei ansah. Dann stand mein Urteil fest: Nein, sie würde immer hübscher werden und in zwanzig Jahren so aussehen wie Karin Graf. Dann würde sie auch wie diese zwei Kinder haben, die so aussähen wie Phil heute. Ich geriet ins Grübeln. Und weil ich längere Zeit nichts sagte, richtete sie erstmals von sich aus das Wort an mich.
    "Weißt Du etwas über die Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung?"
    "Nein, nichts. Würde ich aber gern!"
    Heureka! Wir hatten ein Thema! Wir konnten über etwas anderes reden als nur über den Gerd.
    Nach der "Aktion Mauerputzen" gingen Cathy und ich spazieren, Richtung U-Bahn. Gemeinsam fuhren wir nach Moabit, wo sie wohnte. Ich ließ mir alles über August Bebel erzählen. Sprechend kommt man sich ja ohnehin näher, und so saß ich am Ende der Fahrt schon fast auf ihrem Schoß. Dann gingen wir noch ein Stück, bis zu ihrer Tür. Diesmal war ich es, der sprach. Über Guy de Maupassant. Zu meiner Überraschung hatte sie einen Roman von ihm gelesen, den ich noch nicht einmal kannte. Und sogar auf Französisch. Das hieß freilich nicht viel. Im Original bekommt man immer nur die Hälfte mit. Trotzdem erstaunlich: unsere deutschen Schulen! Phil ging aufs deutsch-amerikanische Gymnasium in Zehlendorf. Das war zweisprachig. Jeden Tag fuhr sie zweimal stundenlang quer durch Berlin deswegen. So wichtig war den Deutschen die Ausbildung. Nur deswegen wurde soviel Wirbel gemacht um die bizarre Pisa-Studie. Also, sie fuhr durch Berlin, hörte ihren Unterricht in Englisch, las dabei Maupassant auf Französisch, lehrte über August Bebel und hatte einen Gesichtsschnitt wie Julie Driscoll. Ich mußte sie haben.

  2. #2
    Avatar von Herr Genista
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    Respekt. Der ist ganz schön lang.

  3. #3
    Avatar von klesk
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    "it's not the size of the boat, it's the motion of the ocean"

  4. #4
    VIP-Hostess Avatar von Butch Cassidy
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    Ich bin dafür, wir bestimmen einen Freiwilligen, der grad Urlaub hat, und der muß dann das Ding lesen und auf 10 Zeilen zusammenfassen.

  5. #5
    Avatar von Lenin
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    der Kanzler hielt sein Blabla ruhig durch, während Stoiber nach ziemlich genau 25 Minuten heißlief wie ein defektes Kühlsystem eines unmodern gewordenen Reaktors.
    Das habe ich so ähnlich gesehen.

  6. #6
    Avatar von Bartholmy
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    Ausgedruckt und durchgelesen. Die Zusammenfassung:
    Lottmann schreibt Mattuschek eine Brief über Deutschland - Frauen, Mädchen und Politik: Hinterbänkler und normale Politikdarsteller sind öde, Gysi ist gut und redet live noch besser als im Fernsehen. Juso-Jugendliche sind geschlechtslos und langweilig, mit Ausnahme 17jähriger Mädchen mit interessanten Brüsten auf dem Todesstreifen beim Müllsammeln. Erfolgsjournalistinnen sind noch betörender; sie werden die Welt, zumindest aber die Redaktionen erben Vorausgesetzt JoLo bekommt sie nicht doch noch rum, dann wäre es aus mit ihnen, wahrscheinlich (fat chance).

    Nett zu lesen, teilweise ziemlich lustig, aber es wirkt, wie live am PC runtergeschlurt - dafür dann allerdings chapeau.
    Lange Texte - so lange, dass ich sie im Ausdruck lese - dürfen ruhig gerne etwas mehr durchgearbeitet sein.

  7. #7
    VIP-Hostess Avatar von Butch Cassidy
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    Danke.

  8. #8
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    Die Protagonistin ist einfach zu ergoogeln. Weil Lottmann mal "Cathy" und mal "Philomena" schreibt. Hat mich 10 Sekunden gekostet.
    More gin in teacups

  9. #9
    [Member] Avatar von Herr Cohn
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    Weiter steht da "Suny". Ich hab ergugelt, dass Lottmann daraus einen SPD-Grünen-Schluss stricken wollte. Zu spät.

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