Schülerzeitungen und ABI-Blättchen

[Spleen]

Sie hießen bei uns "Das Loch", "Die Brücke" oder "Lupe". Sie wurden gemacht von mist viiiel (ca. 3 Jahre) älteren langhaarigen Schulkameraden, die sich damit wahnsinnig wichtig taten, und dennoch fanden wir sie auch irgendwie interessant. Schülerzeitungen, die mit dummen Witzen und Skandälchen von sich reden machten, oder immer noch ein bisschen schlimmer, die ABI-Zeitungen (oder allgemein Abschlussblättchen), die eine mehr oder weniger niveauvolle Abrechnung mit dem Lehrpersonal beinhalteten. Wie war das so bei Euch?

[Herr Genista]

Ich weiß, jetzt werd ich wieder gescholten wegen Einmischung und Überheblichkeit, aber im muß es doch fragen: heißt, unter dem Logo "70er Jahre" Schülerzeitungen zu besprechen, die es doch zu aller Zeit gab und noch gibt, nicht gar zu offensichtlich zuzugeben, daß es nicht um die Jahrzehntaufbereitung oder die Kulturgeschichte, sondern die nostalgische Verbrämung der eigenen Vergangenheit geht? In der halt die Schülerzeitungen in den 70ern erschienen?

Müßte ich demzufolge jetzt einen Schülerzeitungsstrang in den 80ern aufmachen? Und einen kleinen in den 90ern? Wenn ich das überhaupt wollte?

Nix für ungut, ich habs kleingeschrieben, dann braucht mans nicht zu lesen. Weitermachen.

[Zazie]

Herr Genista, natürlich werden hier mehr die persönlichen Schülerzeitungen-Erinnerungen aus den 70-ern drinstehen, sofern es welche gibt. Aber ich denke mal, allgemeine Episoden zum Thema, jahrzehnteübergreifend, dürfen hier auch reingeschrieben werden. Ist ja mit dem Schulstrang auch so gewesen: Es stand viel 70-er Typisches drin, aber auch einiges, was danach war.

Ich mach gleich mal den Anfang, denn auf dem Gymnasium - späte 70-er - habe ich nur ca. zwei Ausgaben der Schülerzeitung gesehen. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wie die hießen. Auf der Gesamtschule, halt schon 80-er, gab's ein paar Jahre "Heinrichs Kramfach" (die Schule hieß Heinrich-Mann-Oberschule).

Ich schreib gleich weiter, es gibt Essen!

[Zazie]

Wieder da.

Also das Gymmi-Blättchen war wohl nicht so der Hit, alleine deshalb, weil es es nicht lange gab. Heinrichs Kramfach dagegen war richtig gut. Der Chefredakteur konnte ganz gut zeichnen und erfand eigens Heini, der sich wie ein Maskottchen durch das Blatt zog. Ich hatte auch den einen oder anderen Artikel geschrieben; wofür ich allerdings exklusiv zuständig war, das waren die Lehrerzitate, und zwar an beiden Schulen. Jedesmal wenn einer eine Knallschote ließ, rief die versammelte Schülerschaft "Zazie, aufschreiben!" Ein Best Of ist dann nachher in der Abizeitung veröffentlicht worden. Die habe ich auch noch, aber was jetzt genau drin stand, kann ich so spontan gar nicht sagen. Die anderen Schülerzeitungen habe ich auch aufgehoben, sie sind sozusagen persönliche Zeitgeschichte. Aber wie gesagt, das war schon in den 80-ern.

[Tiffany Nudeldorf MD]

Saugeiler intelligenter mutiger journalistischer Coup bei uns damals, knapp noch Ende der Siebziger:

EXKLUSIVE FOTOS, die Hälfte der Schülerschaft/Leserschaft
brennend
interessieren
müssend
- denn von dieser Hälfte ja niemals auf natürlichem Wege zu Gesicht zu bekommen:
die verschimmelten Deckenverkleidungen in den Jungenstoiletten.

Himmelschreiende Anklage an die Adresse des Hausmeisters, Enthüllungsjournalismus erster Güte,
pures Adrenalin.

Bei etwas besserer Fotodruckqualität wäre der Schimmel übrigens sogar zu erkennen gewesen, im Blättchen dann.

Selige Zeiten fürwahr.

[pit1962]

Unsere Schülerzeitung hieß etwas hochtrabend "Hauspostille", nach Bertolt Brecht. Auch bei uns waren Chef vom Dienst und Redakteure die von Spleen erwähnten viiiiel älteren Kollegen aus den Klassen 11-13. Ich weiß nur noch, dass der Rohentwurf der Zeitung vor Erscheinen selbstverständlich dem Schulleiter, Herrn Oberstudiendirektor Dr. F., vorgelegt werden musste.

Ach so, hier bitte nur Erlebnisse zum Besten geben, die sich zwischen dem 01.01.1970 und dem 31.12.1979 ereignet haben. Alles andere könnte eine strangübergreifende Wirkung haben.

[Easterfarm]

Oh ja, da darf auch der ERROR nicht unerwähnt bleiben, den es seit Anfang der Achtziger an meiner Penne gab, und der dann später eine kurzlebige aber hochglanzbroschierte Konkurrenz namens GYMBO erhielt.
Der Urheber des Blattes hieß Oliver Topüth (what a name!) und kam sich auch offenbar wahnsinnig wichtig vor...

[The Hoople]

Unsere Zeitung hieß Pick Up und kam erstmals 1974 heraus. Sie wurde aber nicht von der Schule mitgetragen, da der "Chefredakteur" einige sehr kritische Artikel nicht aus dem Blatt herausnehmen wollte. Es war ein buntes Blatt, d.h. eher schwarzweiß oder gar schwarzgilb, aber mit allerlei Sparten. Eine Zeitlang war ich auch in der "Redaktion" - ratet mal, für welche Sparte. Aber mit Platten umsonst oder umsonst in Konzerte war nichts. Letztendlich wurde es mehr und mehr zu einem alternativ linksorientierten Blatt, da die Hälfte der Jungs der Jungorganisation der KPD/ML angehörten. Lesenswert waren später nur noch einige Satiren, und natürlich die monatlichen Neuigkeiten über den Kontorsionismus bei den Neolithikern - so hieß die Kolumne über das Lehrerzimmer wirklich. 1978, als auch die letzten der Gründer ihr Abi hatten, wurde das Blatt eingestellt.

Viele Grüße
The Hoople

[Zazie]

*Eine Zeitlang war ich auch in der "Redaktion" - ratet mal, für welche Sparte.*

Äh.... Sport?

[Spleen]

Tippe auf Graphik. Neulinge bekommen oft die Graphikabteilung. Oder gab´s ein Ressort über französischen Austausch?

Ein Kollege von mir war zwei Jahre mit Herz und Seele in so einer Redaktion (nein, nicht Meikel, sondern R., der früher immer mit Negerküssen beworfen wurde). Er himmelte da ein älteres Mädchen an und hatte das "Graphik"-Ressort. Der Gag bestand darin, dass man damals diese Zeitungen ja gerne noch in gelblila Matritzendruck herstellte, wodurch Bilder eine Seltenheit waren. Überhaupt kam von R. nie viel in den Druck und er gab irgendwann frustriert auf. Das Blatt hatte, glaube ich, in diesen zwei Jahren auch nur drei Ausgaben zusammengebracht.

Einer der schönsten Beiträge, an die ich mich aus einer etwas späteren Schülerzeitung erinnere, war ein Aufsatz über die Leiden eines Lateinschülers, durchsetzt mit vielen Übersetzungsjokes und gut abgeguckten Lerntechniken wie Vokabelwiederholung kurz vor der völligen Ermüdung mit anschließendem Buch-unters-Kopfkissen-stecken. :)

[Spleen]

Die Abschlusszeitungen waren ja immer etwas wilder: viel schrecklich Gereimtes ("Hurra, nun ist er wieder da, Herr X. mit der Zieharmonika"; gemeint war kein Musikinstrument, sondern seine verknubbelte Hose) , bösartige Satire in merkwürdiger Verpackung ("Brehms Tierleben" als Lehrerkatalog). Bei meiner Schwester hatte jemand die ganze Klasse als Engelchen auf das Titelblatt gemalt. Sehr beliebt waren auch Lehrerzitate im Stil von "Sie müssen Ihre Anwesenheit bekunden, indem Sie da sind."