Ich sah weiter unten bereits einen Udo-Jürgens-Strang. Da der jedoch abgeschlossen ist, hier also noch einer.
Ich glaube, es war im Jahr 1997, als Udo Jürgens auf seiner 'Gestern-Morgen-Heute' Tour in der örtlichen Stadthalle gastierte. Als Rahmenprogramm veranstaltete die Beschallungs-Firma Führungen für Studio-Techniker. Ein Bekannter leitet eine solche Firma und hatte sich mit zwei Personen angemeldet, fand aber niemand anderen, der ihn begleiten wollte. Ich hatte nichts besseres vor, also ging ich mit, da die Veranstalter uns ein warmes Abendmahl in Aussicht gestellt hatten.
Nach einem langweiligen Dia-Vortrag in einem der Backstage-Räume durften wir dann dem Soundcheck der Band beiwohnen. Danach wurden wir im Rahmen des Band-Caterings abgefüttert. Da die Pepe-Lienhard-Band 17-köpfig antritt und wir auch ca. 20 Leute waren, verteilte man sich mit dem Essen bunt vermischt auf zwei Räume.
Irgendwann betrat Udo Jürgens den Raum, man müßte eigentlich sagen, rauschte er herein, das bekannte Klischee bedienend, indem er eine weibliche Person jüngeren Baujahrs an der Hand hinter sich her zog. Herr Jürgens fing augenblicklich an, uns mit großer Gestik einen Vortrag zu halten. Es ging darum, welche Bühnenpositionen am Abend unbedingt eingenommen und auch gehalten werden mußten. 'Das mir das auch ja alles so klappt!' habe ich noch im Ohr.
Wir sahen verständnislos von unserer Pasta auf und sahen uns dann gegenseitig an, um vielleicht beim Sitznachbarn Verständnis zu erkennen. Das war nicht der Fall. In diesem Moment kam Udo's persönlicher Betreuer in den Raum, erkannte sofort die Situation, zupfte seinen Chef am Ärmel und raunte ihm zu: 'Udo, komm, falscher Raum!'
Udo Jürgens sah ihn an, sah dann wieder uns mit zusammengekniffenen Augen an und entspannte gekonnt die Situation mit einem fröhlichen 'Ach so, ich hatte mich schon gewundert, daß hier alle so fremd aussehen!' Damit erntete er natürlich schallendes, aber freundliches Gelächter aller Beteiligten.
Nach dem Essen erklärte uns der äußerst kompetente Mann am Mischpult die Technik und den Bühnenaufbau in allen Einzelheiten. Der Mann hieß Sherif El Barbari und arbeitet normalerweise für Monserrat Caballe. Er erklärte sehr interessant, und ich durfte bei der Gelegenheit sogar an des Meisters gläsernem 600.000 DM-Flügel klappern. Später sah ich Udo in einem der Gänge auch nochmal mit Brille, aber er scheint eitel zu sein und setzte sie sofort ab, als er fremde Menschen sah.
Zum Konzert wurden uns hervorragende Plätze direkt neben dem Mischpult zugewiesen. Udo's Musik ist Geschmackssache, aber der Sound war brilliant, und die Band ist technisch sehr versiert. Damals sang übrigens im Background-Chor eine junge Frau namens Maike Tatzig, die später auf RTL nächtlich das Big-Brother-Quiz moderieren sollte. Sie sang gut!
In der Pause hatte ich genug und wollte nach Hause. Also ging ich zurück in den Backstage-Bereich, wo die Schließfächer für die Angestellten waren und wo wir unsere Jacken deponiert hatten. Mir wurde eine Urkunde überreicht, auf der mir die Teilnahme an dieser Veranstaltung bescheinigt wurde. Weiter erhielt ich einige Werbegeschenke der Sound-Firma, und das beste von allem: Eine wunderschöne, qualitativ hochwertige, dunkelgraue Udo-Jürgens-Tourjacke mit abgesetzten Leder-Ärmeln, die ich heute noch mit Freude trage! Der eingestickte Udo-Jürgens-Schriftzug auf der Rückseite war kaum lesbar und ließ sich leicht mit einem Edding völlig unsichtbar machen.
Auf dem Weg nach draußen bemerkte ich am Bühneneingang einen Aufruhr. Als ich näher kam, sah ich, daß man einen Deinhard-Stand aufgebaut hatte und unzählige Sektgläser an die ersten beiden Sitzreihen im Konzert verteilte, die man zu diesem Zweck komplett hinter die Bühne gebracht hatte. Es handelte sich ausschließlich um ca. 55-jährige Bürgermeister-Gattinnen. Inmitten dieser Versammlung stand Udo Jürgens in einem weißen Bademantel, verschwitzt, aber glücklich, und ließ sich feiern.
Später erfuhr ich dann von einem Mitarbeiter der Stadthalle, daß diese Bürgermeister-Gattinen jeweils 260 DM für ein Ticket bezahlt hatten, das sie zu diesem unvergeßlichen Erlebnis berechtigte.
Nachdenklich und schwer bepackt mit meinen Geschenken ging ich an dieser Szenerie vorbei und nach Hause.
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