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Thema: Marthaler, Christoph - oder Die Reise ins Unbewußte

  1. #13
    Avatar von Aporie
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    War bloß ein Scherz aus dem Zürcher Buhplikum, Tobler. Wo bleibt denn Hanswasheiri, den ich hier so dürftig vertrete?

  2. #14
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Weiss nicht, ich vermisse ihn auch, die kaputte Gästelistensau. Er hinterlässt eine Lücke, wenn er unentschuldigt fehlt...

  3. #15
    Avatar von Aporie
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    Letzten Mittwoch kaufte ich in der teuren Feinkost-Abteilung des Warenhauses Globus ein. Was ich damit sagen will: Es ist ein Ort, an dem Christoph Marthaler sofort auffällt.

    Nicht etwa, weil man in ihm den Indendanten des Schauspielhauses erkennt. Das Kulturbewusstsein ist an dieser Stätte wohl so wenig entwickelt wie das Sparbewusstsein.
    Ey, fragen sich die Leute vielmehr, was will denn der Penner hier? Woher hat der überhaupt das Geld, um hier einzukaufen?

    Das kommt, weil Christoph Marthaler immer so aussieht, als hätte er sich aus einer Kleidersammelstelle der Heilsarmee bedient. Den Hang zum Schwarzen und Abgetragenen kombiniert er mit einer am Hinterkopf verzopften Frisur, einer Brechtbrille und einer Gesichtsbehaarung, die von oben nach unten gesehen vom Dreitage-, über den Dreiwochen- zum Dreimonatbart wechselt. Das Ganze ist gedeckelt mit einem abgeschabten Hut.

    Nachdem ich beobachtet hatte, wie er ein Kalbsfilet (Fr. 9.80 p/100g) erstand, schlenderte ich eine Weile zwanglos hinter ihm her. Sein Einkaufsverhalten entsprach jener Mischung aus Neugier und Unentschlossenheit, wie sie nur reiche Leute an den Tag legen, die nie genau wissen, ob das, was sie gerade einkaufen, nicht bereits im Keller oder im Kühlschrank lagert.

    Als sich unsere Einkaufswagen zum dritten Mal begegneten, fiel mir auf, dass seine listigen Äuglein die Auslagen nach Biologischem durchkämmten. Hin und wieder griff er erfreut zu und lächelte dabei wie Salman Rushdie neben Freundin Padma in der letzten Spiegel-Ausgabe. Nicht ganz so weltläufig vielleicht, eher behäbig schweizerisch, ein Salman Rösti-Lächeln eben.


    Geändert von Aporie (30.03.2002 um 11:24 Uhr)

  4. #16
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    Und Ihr Einkauf?

  5. #17
    [Member] Avatar von Herr Cohn
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    Eine neue Pappengeschichte von Aporie! Ich hole erstmal Luft, lese, hole wieder Luft, lese es nochmal. Ah, wie ist es doch gut, hier zu sein.

  6. #18
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    Marthaler küsst alle Frauen



    Geändert von Krapp (13.04.2002 um 15:19 Uhr)

  7. #19
    Avatar von Aporie
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    Inzwischen müssten wir uns ja kennen, nicht nur ich ihn, auch er mich, denn vor gut einem Jahr hat er mir mit Tränen der Rührung in den Augen die Hand geschüttelt.

    Aber jetzt hat er nur Augen für Essbares, denn er kauft ein. Am Gemüse- und Früchtestand der Lebensmittelabteilung, die unser beider tägliches Ausflugsziel zu sein scheint, wird man noch wie früher von Verkäuferinnen bedient, muss also öfter den Zeigfinger benützen, wenn man besonders wählerisch ist. "Nein, nicht die", sagt er, "die daneben" und kriegt jetzt genau die gelbe Rübe, die er sich gewünscht hat, will aber noch Chicorée und läuft auf gleicher Höhe mit der Verkäuferin zur anderen Ecke der Auslage, wo dieses Gemüse wie Orgelpfeifen aufgereiht ist, in gleichmässiger Größe und Dicke, weil man ja keine Töne damit erzeugen muss. Aber Marthaler will zeigen.

    Er kauft dann noch Knollensellerie, der ein bisschen im Schatten liegt, und deshalb tritt er jetzt tatsächlich hinter den Ladentisch und versperrt der Verkäuferin, die mich schon als nächsten Kunden ins Auge gefasst hat, den Weg. Weil es ein vornehmer Laden oder ein vornehmer Kunde ist, stupst sie ihn nicht an, sondern verdreht bloß die Augen.

    Zwei Minuten später lässt er sich nebenan einen schwarzen Trüffel nach dem andern über die Theke reichen und riecht ausgiebig daran. Dabei müsste er als Stammkunde wissen, dass das Dutzend Trüffel schon seit zehn Tagen in unveränderter Anzahl da liegt und man besser die nächste Lieferung abwartet. Ich überlege kurz, ob ich ihm noch einmal beistehen soll, was nach aller Voraussicht das letzte Mal in meinem und seinem Leben wäre. Aber schliesslich finde ich, dass nach „Marthaler bleibt“ und „Marthaler geht“ „Marthaler riecht“ eine doch recht flotte Abwechslung ist und gucke ihm zu, bis er den Knollen gekauft hat.
    Geändert von Aporie (28.01.2004 um 23:46 Uhr)

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