Das Lorenz Adlon ist ein unangenehmes Angeberrestaurant, in dem allerdings sehr gut gekocht wird. Allein, dieses Wissen war nutzlos für mich, denn als mein Mentor und Gastgeber mir erklärte, welche Bedeutung ein auf einem Beistelltisch stehendes, seltsam archaisches messingbeschlagenes Instrumentarium habe, war mein Appetit weg. Es handelte sich um eine Entenpresse, in dieser werden Entenknochen ausgepresst um aus den herausquellenden Tropfen einen Entenfonds zu machen. Das Heraustropf-Ende der Presse war einem Entenschnabel nachempfunden.
Selbst der glasierte australische Maron-Krebs, der in einer nur mit etwas Butter gebundenen Hummernage auf Fenchel thronte, während pergamentkrosse Rotbarbe und die saftig-zarte Jacobsmuschel mit einer Stockfisch/Steinbutt-Brandade in schier unglaublicher Balance gehalten und durch frittierte Liebstöckel-Blättchen einen Akzent erhielten, der mich normalerweise hätte erschauern lasen, konnte da nicht mehr gegen anstinken.
Die Entenpresse, die hatte mir den Appetit versaut, und daher trank ich.
Der 90er Pauillac Grand Cru Classé Château Pontet-Canet, der, nachdem ein irritierender Duft aus Leder, Dung, Standheizung beziehungsweise Interzonenzug verflogen war, namentlich von Bohnen und Lavendel geöffnet wurde und dann Holunder, unreife Brombeere sowie Süßkirsche packend zum Ausdruck brachte, gab mir neuen Schwung.
Ich ließ also die Hauptspeisen stehen und trank.
Es kam, deutlich später, der Käsewagen. Maitre Anthony. Und da wurde ich wieder fit. Ich fraß Käse, was das Zeug hielt. Die Entenpresse hatte ich vergessen. Gerade, als ich ein drittes Mal um frisches Weißbrot bat, betrat Sabine Christiansen mit Michel Friedman im Schlepptau das Lorenz Adlon. Sie wurden an den Ecktisch am Fenster gesetzt und begannen sofort ein sehr intensives Gespräch, von dem ich nichts mitbekamt. Friedman sah müde, aber nicht zerstört aus. Es war nur jene anstrengende Zeigefingerpiekart von ihm abgefallen. Sabine Christiansen sah erstaunlich gut aus, allerdings kleiner als erwartet. Sie bestellten das Degustationsmenü und sprachen weiterhin angeregt. Es wirkte nicht privat, sondern geschäftlich.
Nur zwei Sätze waren bis zu unserem Tisch zu hören:
Sie: ES KÖNNTE FUNKTIONIEREN
Er: ICH HOFFE, MEINE LIEBE, ICH HOFFE.
Was sie meinten, weiß ich nicht.
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