Wenn ich zum Asiaten gehe, erwarte ich undezente Einrichtung, eine fortlaufend durchnummerierte Speisenübersicht und ein Aquarium im Eingangsbereich, dessen Zierfischbestand dem Triadenschergen auf einen Blick den abzuhebenden Betrag verrät. Zudem wünsche ich, das Aromabouquet aus Curry und Kurkuma in den Fasern meiner Kleidung nach Hause zu tragen.
Das Mangostin bietet von alldem nichts, dafür aber "Magic Food" (Eigenwerbung) und, als "Münchens bester Asiat" die üblichen verdächtigen Semipromis, allen voran natürlich die Fussballer der 60er und der Bayern, die hier - so sagt man - nicht selten in gemütlicher Eintracht den Abend bei zwei, drei Sake in Schwung bringen.
Oder auch Marina Kiehl. Ja, die Gold-Marina, Abfahrtsolympiasiegerin von 1988 und somit für kurze Zeit Schlagzeilennachfolgerin von Frau Mittermaier. Heute leitet sie ein kleines Grafikstudio und wird auch sonst nicht weiter auffällig. Sie sieht 1999 noch genauso aus wie elf Jahre zuvor ( rotblonde Haare, lustige Äuglein, freche Sommersprossen ) und wird daher von mir sofort erkannt, als sie den süß-sauren Nobelstadl mit einer Freundin betritt.
Ich sitze nämlich schon da und warte mit meinen Gastgebern auf irgendein Süppchen auf Spesen. Sie setzt sich an den Tisch direkt hinter mir, ich könnte lauschen was sie und ihre Bekannte zu bereden haben, verwerfe den Plan aber alsbald, weil, das Süppchen kommt, ebenso mein Tischgespräch und wahrscheinlich wär's nicht sehr aufregend geworden, das Lauschen.
Als die Wärmeplatten für die Hauptspeise aufgetischt sind und ich schon fast vergessen habe, dass ich gerade dabei bin, Rücken an Rücken mit einer wahrhaftigen Olympiasiegerin überteuertes Ethno-Food zu spachteln, fliegt die Tür auf und Barry Werkmeister samt Crew entert die Szene.
Für Nichtmünchner: Werkmeister sieht so aus, wie man sich das mittlere Management bei BMW vorstellt, nur kleiner, etwa einsfünfundsechzig. Er war mal Münchner Faschingsprinz, jetzt moderiert er eine Sendung auf tv.münchen. Die heisst "Die Zeit läuft". Konzept ist, dass Barry wildfremden Menschen eine Reise schenkt, auf die Malediven, Kykladen oder sonstwohin. Haken dabei: das Flugzeug startet in zwei Stunden. Zuerst also: supisupi, Urlaub für umme; dann aber: Panik galore, Chef anrufen, Heimhektiken, Koffer auf, Schrank auf, losschaufeln, wieviel Zeit hamwanoch, Taxi rufen, Scheisse - Katze vergessen, bei Nachbars klingeln, so, erledigt, rein ins Taxi, Stau auf der A9, endlich am Flughafen, noch drei Minuten, gepflegter Sprint, Barry immer auf Ballhöhe, puh geschafft, Bussi Barry, bis dann.
Also alles, nur nicht lustig. Deshalb steigt die Freude auch nicht unerheblich, als sich der Fernsehtross zielsicher unserem Tisch nähert. Endlich könnte man dem Mann, der das "R" so schleimig rollt wie sonst nur Carolin Reiber, vor laufender Kamera erläutern wohin er sich seine ungute Neckermannreise schieben soll.
Aber natürlich scharwenzelt er an uns vorbei an den Tisch in meinem Rücken. Zur Olympiasiegerin. Er wird sicher ihre Freundin anshowmastern, denke ich, sonst würde er sich ja unglaubwürdig machen. Da geht's auch schon los: "Grüss dich, ich bin der Barry, wir sind bei 'Die Zeit läuft', wer bist denn du?" -"Ich bin die Marina!" -"Marina, seltener Name, das. Was machst Du denn so beruflich, Marina" Immer so weiter, bis zum ersten Schnitt. Der Kameramann nimmt Barry zur Seite, genau hinter mir. "Barry, des is die Marina Kiehl, Olympiasiegerin, die musst doch kennen." -"Zefix und I erkenn die net, der Scheiss Flieger geht a scho in oanahoib Stund und sie wui ja fliang, naja, des klär I glei auf, so mit am Lächeln". Daraufhin bewegt man sich nach draussen und lässt eine nicht preiswerte thailändische Spezialität unangetastet zurück.
Vielleicht ging die Reise ja nach Ko Samui.
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Angelika Maisch is my little buttercup
12.4.2002: Sonderzeichenreparaturdienst
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