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Thema: Biermann, Wolf und Roger Willemsen

  1. #1
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    Sage mir, wen du kennst, und ich sage dir, wer du bist... Sollte diese Annahme zutreffen, dann bin ich ein Nichts und Niemand.
    Freilich, in einem Neubauten-Konzert überließ mir der bullige Ex-Einstürzer F.M. Einheit einmal seine frisch angezündete Zigarette (und bewarf mich später mit Kieselsteinchen), auf dem Weg von der Universität zur U-Bahn stieß ich vor gar nicht allzu langer Zeit auf und versehentlich gegen einen leibhaftigen Nobelpreisträger (Günter Grass - er sah genauso aus wie im Fernsehen: Pfeife im Mundwinkel, sozialdemokratisches Stirnrunzeln, voller Aufacht), ja und im Kinosaal saß ich einmal neben Christoph Schlingensief und seiner weiblichen Begleitung und versuchte mich auf den Streifen 'Fight Club' zu konzentrieren, was mir allerdings schwerfiel, da sich die beiden Turteltauben nebenan beständig herzten und liebkosten wie frischverliebte Teenager - bis die Dame an Schlingensiefs Seite zur Hälfte des Filmes GottseiDank sanft entschlummert war.
    Auch mein kurzer Dialog mit Wolf Biermann ist kaum dazu angetan, meinÔ Ruhm und Ehr zu mehren. Ihn traf ich im Foyer des Dortmunder Zeitungsschnipselarchivs, wo ich für meine Abschlußarbeit 'Donald Duck und die Dichter' recherchierte - und die Gelegenheit der Zusammenkunft prompt ausnutzte, ihm während seines Soundchecks anzusprechen: 'Entschuldigung, taucht in ihren Texten eigentlich auch Donald Duck auf?' Der Barde warf seine Stirn in Falten, er erinnerte mich dabei irgendwie an Günter Grass, und antwortete gleichnishaft: 'Leider nein, soweit bin ich noch nicht aufgestiegen.' (Während ich dies nun niederschreibe, muß ich unwillkürlich an das einzige Gespräch denken, das die beiden berühmtesten Dichter ihrer Zeit einstens angeblich miteinander geführt haben sollen. Marcel Proust: 'Essen Sie gern Trüffel?' James Jocye: 'Ja, ich esse sie sehr gern.') Spektakulärer war da schon meine Begegnung mit dem TV-Tausendsassa und Robert Musil-Experten Doktor Roger Willemsen, dessen Seminar 'Das Ich in der Geschichte' ich an der Bochumer Ruhr-Universität besuchte. Frisch bewaffnet mit einer Kakaotüte schlich ich mich in seinem Rücken, da ich wie so oft zu spät gekommen war, zu einem freien, vorderen Sitzplatz, fing an, während meines Marsches gedankenverloren die Kakaotüte zu schütteln, gar nicht daran denkend, daß ich diese bereits geöffnet hatte. Und schon - platsch! - waren Roger Willemsen, sein Kaschmirmantel, alle Unterlagen und seine wertvollen Bücher mit meinem Schokoladentrunk bekleckert. Roger Willemsen sprang von seinem Stuhl auf und schrie: 'Ihh, ich wurde mit Kakao bespritzt!' Später jedoch, als Roger Willsemsen an der Universität seinen Abschied feierte und wir die einzigen Teilnehmer waren, die Bier tranken, verzieh er mir und gemeinsam spekulierten wir lang und breit darüber, ob Rainald Goetz nun schwul, hetero-, bi- oder gar asexuell sei.
    (Beitrag wurde von Marc Degens am 13.02.2001 um 00:13 Uhr bearbeitet.)

  2. #2

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    ich fühle mich fast überfordert angesichts solcher massen an geschichten.
    würde mir aber wünschen, daß die F. M. Einheit-geschichte etwas genauer wäre
    Warum schenckt er dir eine Zigarrette? Hast du so bedürftig ausgesehen?
    Warum bewirft er dich danach mit kieselsteinen? aus gekränkten Stolz weil du ihm nicht erkannt hast? weil du seine Zigarette nicht angebetet hast?
    So genug gefragt für den Anfang
    Mit der Bitte um Antworten
    Kathi M.

  3. #3
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    Liebe Kathi,
    ach, die F.M. Einheit-Geschichte ist wirklich unspektakulär. Wie geschrieben war ich vor einiger Zeit (als Herr Einheit noch Mitglied der Gruppe war) auf einem Konzert der Einstürzende Neubauten - und zur Mitte des Konzert zwischen zwei Stücken gönnte er sich eine Verschnaufspause, kam zum Bühnenrand (wo ich stand), zündete sich eine Zigarette an und schaute breitbeinig und sehr zufrieden auf die enormen Besuchermassen. Doch schon nach einem Zigarettenzug mußte er zurück zu seinem Klangwerk und reichte mir vom Bühnenrand aus seine eben erst angezündete Filterzigarette (HB?). Das fand ich sehr nett, da ich ein eingefleischter Kettenraucher war und bin und als Student damals selbstredend unter chronischem Geldmangel litt. Ob er mir diese beiden Eigenschaften ansah? Vielleicht? Bestimmt!
    Und das mit den Kieselsteinen gehörte später einfach zu einem Lied. Er ließ sie auf eine Metallfläche prasseln, direkt über mir - ich bekam die meisten Steinchen deshalb ab. An Rache (er hat zwar Kohle und kann sich Filterzigaretten kaufen, aber keine Zeit, seine sauerverdiente Kohle in aller Ruhe zu verpulvern... ich hingegen: arm, doch rund um die Uhr rauchbereit) glaube ich eigentlich nicht, aber wer weiß schon, was diese Popsternchen während eines Auftritts so alles ausbrüten und -hecken ('Hey, Blixa, laß uns mal 'abfackeln' spielen, ich will dem Typ da rechts seinen Anzug versengen!' Und schon startet der Funkenflug.)

  4. #4
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    Ich bestieg nach einer schweren Arbeitsgruppensitzung in Berlin den IC nach Hamburg, Großraumwagen 2. Klasse. Nachdem ich mich krachend in den Sitz fallen gelassen hatte, bemerkte ich ein gar zierlich Männlein mit einer Gitarre und einem Täschlein, welches ebenso in den Sitz niedersank, etwa eine halbe Handgranatenwurfweite entfernt. Ich identifizierte das Wesen sofort als Liedermacher Wolf Biermann. Doch was geschah dann: Anstatt die Massen im Großraumwagen mit seinem Liedgut zu agitieren, fällt der Kerl in tiefen Schlaf und lässt ein mächtiges Schnarchen aufröhren. In Hamburg verließ ich entäuscht den Zug - allerdings bereichert um eine Lebenserfahrung.

  5. #5
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    Biermann in Köln (2)
    'Na die wer'n schon nich gleich KOTZEN wenn se d't hör'n!'
    hörte ich ihn einmal einer strengen kölnischen Kellnerin erwidern.
    Dankbar hatte er in kleiner andächtiger Runde bei Tisch nach einer Sonntagsmatinee zur Klampfe gegriffen, um eine weitere seiner Liedübersetzungen aus dem Russischen zum Besten zu geben, die auch das Programm des Konzertes (mit Eva-Maria Hagen) gebildet hatten. Natürlich waren nicht alle Gäste im sogenannten Studio L, eigentlich Lederer, der kleinen Kölschkneipe gegenüber dem Funkhaus-Eingang, enthusiasmierte Konzertbesucher, sondern an der Theke saßen auch gewöhnliche Mittagstrinker, Kölner nach dem Dom-Hochamt, Karnevalisten in Zivil. Dünnes Bier aus Stangen Trinken, Suppe Essen - dafür waren sie gekommen. Aber nun ertönte von dem schon vorher nicht stillen, von zuvielen Personen umsessenen Tisch - eigentlisch dem Stammtisch des Hauses - jener raunende, doch gestützte, bisweilen schluchzende Gesang, der (auch von Köln aus) schon Leute ganz anderen Kalibers zu irritieren vermocht hatte. Und es erklang nicht das Liedgut, das traditionsgemäß zwischen den Butzenscheiben der kölnischen Kneipen klingt, nein.
    ...Flieg, Du schwarzer Rabe... ...nie mehr... ...ach... ...mein schönes Kind Du... ...der Schnee... ...Du Alte!... ...der Acker... ...gute Genossen... ...ach Du... ...verdammt... ...komm her... usw. usf.
    Eine Zeit lang ging es gut, Biermann war in seinem (zu der Zeit russischen) Element, griff zum Gesang mit meisterlich angewandter Kunst in die Saiten - schließlich aber hatte er überspannt und die Bedienung mußte als lokale Autorität einschreiten:
    'Hören se mal: die anderen Jäste möschten hier ES-SEN, junger Mann!'
    (Biermann war damals noch unter 65.)

    Fanny


    (Beitrag wurde von Tiffany Nudeldorf MD am 16.11.2001 um 01:19 Uhr bearbeitet.)

  6. #6
    [Member] Avatar von Herr Cohn
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    Fanny, das hab ich sehr gern gelesen, immer mit so einem Ziehen im Rücken. Zu Biermann fällt mir jetzt überhaupt nichts mehr ein, weniger denn je. Just vor ner Viertelstunde habe ich eine eigene Geschichte über den geschrieben, gehe online und sehe plötzlich nur noch Bier und Mann. Narrt mich ein Raunen (aber gestützt) aus der Unterwelt? Eher Hinterwelt. Oder ist das jetzt die Pest?
    (Beitrag wurde von Herr Cohn am 17.11.2001 um 01:19 Uhr bearbeitet.)

  7. #7
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    Hat Spass gemacht zu lesen TNMD, dieser bodenstaendige Wortwechsel zwischen Bedienung und Biermann.

  8. #8
    Avatar von Aporie
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    Tiffani beweist, dass es auch subtile Arten gibt, einen Büchner Preisträger vorzuführen und bringt es nebenbei noch fertig, Graumauser zu zeigen, wann Pünktchen angebracht sind.
    Grossartige Geschichte.

  9. #9
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    Schließe mich Aporie pünktchenlos an: ich konnte die Kneipe nicht nur sehen, sondern auch riechen.
    g.

  10. #10
    [Member] Avatar von Herr Cohn
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    Aporie. Der hat den Büchnerpreis? Wusste ich nicht. Es ist doch nicht zu fassen.
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    ceterum censeo: B. hat nicht nur ne Fresse, er ist eine

  11. #11
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    http://www.alles-bonanza.net/forum/s...threadid=11207

    DOKTOR Ich es gesehen hab', Er auf die Straß gepißt hat, wie ein Hund. Geb' ich Ihm dafür alle Tag 3 Groschen und Kost? Die Welt wird schlecht, sehr schlecht, schlecht, sag' ich. O! Woyzeck das ist schlecht.
    WOYZECK Aber Herr Doktor wenn man nit anders kann?
    (Beitrag wurde von Tiffany Nudeldorf MD am 18.11.2001 um 00:34 Uhr bearbeitet.)

  12. #12
    [Member] Avatar von Herr Cohn
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    Fanny, darf ich raten: Sie traten Ihr Bücherregal, ein Buch platschte hinab und ging genau an dieser Stelle auf? Ich habe so ein schreckliches Gefühl von Paranoia!
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