Nach einem Besuch bei Verwandten in Hamburg wollte ich mit dem Zug zurück nach Münster fahren. Ich war viel früher als nötig am Bahnhof und stellte mein Gepäck in ein Schließfach, um mir unbelastet noch ein wenig die Zeit zu vertreiben, einen Kaffee zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen.
Das Ticket hatte ich schon gekauft, Abfahrtzeit und Gleis standen fest, so dass es keine Probleme geben würde, wenn ich erst kurz vor der Abfahrt zurück wäre, denn ich liebe es nicht, lange wartend auf einem Bahnsteig zu stehen, weil es dort meistens zieht, und Fremde einen ansprechen, wegen irgendwelcher Schenkungen. Am liebsten erreiche ich den Bahnsteig erst in letzter Sekunde, wenn der Zug schon angekommen ist, so dass ich mich bei der Einfahrt nicht vorsichtshalber umdrehen muss, denn es reizt mich ungemein, dabei auf das Gleis zu springen, ähnlich zieht es mich aus großen Höhen nach unten, wobei ich keinen Grund dafür weiß und wünschte, es wäre anders.
So geschah es, dass ich nur noch wenige Minuten Zeit hatte, als ich zurück bei den Schließfächern war, um mein Gepäck zu holen.
Inzwischen hatte sich dort die Szenerie verändert. Parallel zu der langen Wand der Schließfächer war eine Schiene für eine fahrbare Kamera verlegt worden, der dazwischen liegende Gang diente Horst Frank als Laufsteg, auf dem er unbewegten Gesichts die Front der Fächer abschritt, keine Chance gewährend, mal eben dazwischen zu springen, um an das Gepäck zu kommen, schon gar nicht mir, der ich scheu bin.
Die Szene wurde mehrfach wiederholt, obwohl ich keine Veränderung in Horst Franks Mimik erkennen konnte, fast sah es aus, als trüge er seine eigene Maske.
Ich schaute noch ein Weilchen zu, dann sah ich mich nach einem neuen Zug um.
Lange Zeit später sah ich die Szene im Fernsehen und sagte aufgeregt zu meiner Freundin: "Da, guck doch mal, in dem Schließfach steht mein Koffer!"
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ys
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