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Thema: Escobar, Pablo (Frühstück mit Pablo Escobar)

  1. #1
    Member Avatar von christoph
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    Hier die Story, die mich zum Star-Paparazzo machen wird. Hab ich die nicht schon mal irgendwo anders erzählt? Egal.
    Im Winter 1993 trug es sich zu, da verbrachte ich ein Semester an der Universidad de Costa Rica. Studierenderweise - im Gegensatz zu den US-amerikanischen Austausch-Kommilitonen, die in erster Linie gekommen waren, um ein halbes Jahr bekifft am Strand liegen zu können. Es gab da so ein paar Orte an der Karibikküste, kurz vor der panamesischen Grenze. Schwierig zu erreichen zwar; alle zwei Stunden fuhr ein klappriger gelber Ex-Schulbus von Lim—n die Küstenstraße hinab und machte an jeder Milchkanne halt. Aber dafür herrschte unter den Bewohnern dieser Nester jene liberale Atmosphäre, die erst ab dem Konsum von mehr als 5 Gramm reinstem Colombia-Gras vor dem Frühstück zu erreichen ist.
    In einem dieser Orte nun verbrachte ich - natürlich nur zu Studienzwecken - Weihnachten und Silvester 1993. Das Leben in der tropischen Bohme: Holzhütte am Strand, Hängematte zwischen Palmen. Einmal täglich quälte sich der Bier-Lastwagen die staubige Piste hinab, die die am Strand gelegenen Bauten miteinander verband. Dann hieß es: Hervorspringen, winken, zwei Paletten kaufen.
    -- Leider muß ich jetzt ins Bett. Morgen den Rest der Geschichte. Bzw. überhaupt erst die Geschichte.
    ------------------

  2. #2

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    Christoph, schöner Einstieg, das ist Folter Columbian Style. Bist Du einer von den Leuten, die beim Fernsehen dafür sorgen, dass in den spannendsten Momenten der Werbeblock kommt? Erzähl weiter, das interessiert mich. Habe gerade das Buch 'Killing Pablo' gelesen.
    (Beitrag wurde von PeterLu am 09.08.2001 um 00:45 Uhr bearbeitet.)

  3. #3
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    Christoph, den Film BLOW hab ich auch gesehen, den fand ich aber nicht so gut, ausser die Frisuren von Johnny Depp

  4. #4
    Member Avatar von rapsak
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    Ich dachte, der Film hiess LOHN DER ANGST. Aber erst mal abwarten, was Christoph noch zu erzaehlen hat, wenn er ausgeschlafen ist.

  5. #5
    Member Avatar von christoph
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    Ruhe auf den billigen Plätzen! :-)
    Also weiter. Diese selbe staubige Piste war es auch, auf der man fürbaß schreiten mußte, wollte man in die nahegelegene Ortschaft Puerto Viejo gelangen. Und das wollte man oft, denn nur dort gab es Nahrung, Rum und - für die anderen - Drogen en gros und en detail zu kaufen. Diese Ansiedlung bestand vor allem aus einem Dorfladen, sechs oder sieben Restaurants/ Bars sowie einigen schäbigen Sufer-Hotels. Alle Gebäude waren aus Holz konstruiert - das gab es reichlich in dem Dschungel, der direkt hinter dem Strand begann. An ausgebildeten Zimmermännern dagegen mangelte es in dieser Gegend offensichtlich eklatant. Die krummschiefen Zimmer im Hotel erinnerten eher an die Kaninchenställe der Kleingartenkolonie 'Lebensfreude' in Berlin/Tempelhof. Andererseits, man kann es sich denken: Der karibischen Idylle war dieses handwerkliche Laissez Faire sehr zuträglich.
    Betrat man Puerto Viejo gegen halb zehn Uhr früh, fielen einem zwei Dinge auf: Die Rastafaris, die in Hängematten rechts der Straße stumm vor sich hinschaukelten, und, daß einen alle Einwohner bereits um diese Zeit aus glasigen Augen anstarrten - dies allerdings sehr freundlich. Der örtliche Chefdealer, ein recht entspannt wirkender Rasta Anfang dreißig, wurde von seiner Gemeinde 'the doctor' genannt. Dementsprechend war, namentlich unter den zugereisten US-amerikanischen Surf-und-Barbiturate-Touristen, die Aussage 'I got to see the doctor' ein hundertfach variierter Running Gag.
    Eines Morgens also kam ich gegen neun, halb zehn hungrig in die Stadt. Unterm Arm trug ich, wie sich das bei der Gelegenheit gehört, ein Exemplar von 'Cien anos de soledad', welches mir kurz zuvor von einer tragisch in mich verliebten costaricanischen Kommilitonin geschenkt worden war. Mein Frühstück nahm ich immer in derselben Restauranthütte ein - Cornflakes, Weißbrot, eingeborener Kaffee (der übrigens für den Eigengebrauch in den Herstellerländern oft mit Zucker versetzt wird), dazu reichlich Bananen.
    Also Platz genommen. Die Kellnerin winkt freundlich und füllt schon mal den Kaffee ein, der Gast macht sichs bequem, nimmt das Buch zur Hand und überlegt kurz, in welcher Generation der Buend’as er gestern am Strand stehengeblieben war. Er schaut sich, während der Kaffee gebracht wird, noch einmal um, benevolenten Blicks. Und wird erst jetzt eines ganz eigenartigen Szenarios gewahr.
    Außer ihm, dem Koch und zwei Kellnerinnen sind noch vier weitere Personen anwesend. Aber nur einer von ihnen ißt. Dieser sitzt, mir das Profil zugewandt, an einem Tisch etwa zehn Meter entfernt. Und ich denk mir: Den kennst du. Dieses Gesicht, kreisrund, aufgedunsen und mit Schnauzer, hast du schon mal irgendwo gesehen. Wer kann das bloß....? Jedenfalls schaufelt der Dicke sein Frühstück in sich hinein, daß es nur so kracht - Tischmanieren sind ihm offenbar völlig fremd. Das ist umso verwunderlicher, als daß ihm gegenüber eine schlanke, schwarzgelockte Latina-Schönheit der Güteklasse eins plus mit Sternchen und Eichenlaub harrt. Zwischen ihnen fällt kein Wort - offenbar hat der Schnauzer es nicht nötig, Small Talk zu machen. Die Schönheit dagegen, etwa 20 Jahre jünger als ihr Gegenüber, hatte es an diesem Morgen für nötig erachtet, sich in ein elegantes rotes Strandkleid zu werfen und die Fingernägel in Ton zu lackieren. So ist dieses Duo ein Gegensatz zwischen Verwahrlosung und etwas zu lauter Eleganz, wie man ihn normalerweise nur bei russischen Paaren antrifft. Mir jedenfalls wird in dem Moment eines schlagartig klar, und man verzeihe meine materialistische Disposition: Nur einem Mann mit sehr viel Geld und/oder Macht ist es erlaubt, sich im Angesicht von Miss World derart hemmungslos in seinen Cornflakes zu wälzen.
    Nach einem kurzen Rückzug hinter Seite 356 von 'Cien anos' und der Entgegennahme meines Frühstücks - 'mas cafe, por favor' - riskiere ich einen Blick auf die beiden Gestalten, die da drüben lässig am Tresen lehnen. Beide sind Mitte zwanzig, sauber rasiert, tragen gutgeschnittene Anzüge sowie Sonnenbrillen und wirken an diesem THC-seligen Ort so deplaziert wie auf dem Mond. Sie unterhalten sich in gedämpften Stimmen und strahlen entspannte Wachsamkeit aus. Und spätestens jetzt weiß ich, was die Stunde geschlagen hat und was auch keinen, der die Geschichte bis hierher verfolgt (und die Überschrift gelesen) hat, mehr überraschen kann. Da hinten sitzt Pablo Escobar, der international gesuchte kolumbianische Koksmogul, und schmiert sich Mangomarmelade auf seine Weißbrotschnitte!
    Der Rest des Frühstücks ist von meinem Bemühen gekennzeichnet, mich extrem unauffällig zu verhalten. Ich gehe ohne Gruß. Erst im Nachhinein wünscht man sich die filmreife Coolness, seinen Abgang mit einem jovialen 'Zeig«s den Gringos, Pablo. Arriba!' gewürzt oder den beiden Gorillas die Kamera samt freundlicher Bitte um ein Gruppenfoto mit Drogenzar in die Hand gedrückt zu haben. Andererseits könnte ich dann diese Geschichte möglicherweise nicht mehr erzählen.
    Die nächsten Tage waren mit vorsichtigen Recherchen angefüllt, die das noch nicht richtig für wahr Gehaltene bestätigten. Den Aussagen Einheimischer zufolge wußte - außer der amerikanische DEA - eigentlich jeder, daß 'Don Pablo' eine Villa auf einer Insel vor der panamesisch-costaricanischen Grenze besaß, von der er, je nach Fahndungsdruck, mal hier, mal dort seinen Geschäften nachging. Seinen Geschäften - oder eben seinem Frühstück.
    Etwa ein halbes Jahr später wurde er dann, wenn ich mich recht entsinne, auf dem Dach eines Hauses in Medell’n erschossen. Ich will jetzt nicht behaupten, daß ich einer der letzten war, die mit Pablo Escobar gefrühstückt haben. Aber was aus der schönen Latina geworden ist - das würde ich doch gerne wissen.

    ------------------

    (Beitrag wurde von christoph am 09.08.2001 um 11:19 Uhr bearbeitet.)

  6. #6

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    Mann... das ist aber mal ein kleinod. Da stimmt ja alles in der geschichte, sowohl erzählerischer stil, inhalt, blick für details, kleine aber dezente hinweise auf die person des verfassers.... Exotik, belesenheit, glutäugige schönheiten, einblicke in das drogen-und surferparadies, kurze grundsätzliche (und treffende) anmerkungen für das ewig spannende verhältnis mann / frau, gewürzt mit hinweisen auf multinationale kriminalität, dea.... Dafür würde ich auf den neuen le carre verzichten. Diese szene könnte man sogar problemlos verfilmen.
    Du musst ein glücklicher mesch sein, dass du so was zu erzählen hast. Für viele von uns wäre so eine begegnung das highlight des lebens. Kino selber erlebet. Mir passiert so etwas nie. Ich treffe bloß austauschbare soap stars auf der straße, von denen man noch nicht einmal den namen weiß, studierte mit stefan raab, treffe jürgen von der lippe im supermarkt und so etwas in der art. Der tag , ach was, die nächsten wochen, mein ganzes leben ist gelaufen wenn ich so etwas lese.
    La chica dürfte jetzt wohl zum nachlass des drogenbarons gehören, wenn sie nicht schon mit dem ablauf des 29. lebensjahres (mal so getippt die zahl) ihre szenetypische verwendungsmöglichkeiten eingebüßt hat , vielleicht sollst du mal nach medellin schreiben und nach ihrem weiteren verbleib fragen.
    Oder besser doch nicht, vielleicht wird die von dir erwähnte insel von andere größen des kartells bewohnt, die sich dann von dir, deinem brief und deiner story belästigt fühlen.
    Hast du die wochen und monate nach dieser begegnung morgens unter dein auto geschaut? Hasst du haare auf die türklinke deines zimmers gelegt, um festzustellen, ob es in deiner abwesenheit durchsucht worden ist?
    In krimis ist so eine szene wie von dir beschrieben immer der einstieg dafür, dass der unfreiwillige zeuge dann auf einmal mitten ins geschehen gezerrt wird und dann, gejagt von mafia und polizei, selber als amateur um sein leben fürchten und irgendwelche fälle lösen, frauen retten und weltverschwörungen aufdecken muss.

  7. #7
    Avatar von Goodwill
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    Diese Geschichte eine ÈPerle aus der KaribikÇ zu nennen, scheint mir das Mindeste zu sein, was ich im Moment noch tun kann. Der extrem reine Lesestoff haut echt rein, Mann.

  8. #8
    Kolkrabe Avatar von Doctor Subtilis
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    Eine tolle Begegnung und eine wunderschön erzählte Geschichte. Sehr hübsch: Die Latina-Schönheit 'mit Eichenlaub'.
    Ein – für a–os geht übrigens mit Alt 164.

  9. #9
    Member Avatar von julia mantel
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    gestern abend war ich mit einem freund in 'blow'.
    mann, was für eine geschichte, ich meine, deine. ich glaube, du hast dich ganz richtig verhalten. andere verhaltensweisen wären deine todeskugel gewesen.
    im film hat escobar so einen schönen akzent.
    sah die latina-schönheit aus wie penelope cruz und war sie zittrig und nervös oder etwa drogenfrei?
    (mir laufen schauder den rücken runter...was hätte dir nicht alles passieren können?)

  10. #10
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    Delgado: Du hast mit Stefan Raab studiert? Fleischverarbeitungswesen? Der ist doch Metzger?
    Solch eine Anmerkung nimmt im übrigen einer ganz großartigen Geschichte all den Glamour...

  11. #11
    Avatar von James Dean Brown
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    Einfacher, aber immer wieder unmerklich genialer Schachzug, unvermittelt von der Vergangenheitsform ins Präsens historicum zu wechseln. Raymond Queneau hätte seine helle Freude (ich auch).
    Auch ohne Einnnahme eines intimen Quantums aromatischen Dampfes müssen mir meine Freunde immer erzählen, was ich damals so erlebt habe... Hatten in deiner Geschichte die omnipräsenten THC-Schwaden eventuell zur physischen Verschleierung der Szenerie (Blurred Film Prods.) beigetragen, sodass dich nun - in gebührender zeitlicher und räumlicher Entfernung - die Herausforderung der Ausschmückung eines eingefrorenen Moments der Verflüchtigung bis zur höchsten Blüte zu einem Gipfelsturm prosaischer Perfektion treibt?
    Respekt.

  12. #12

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    Lieber herr treutwein,
    ich denke dass meine bescheidene anmerkung den glamour dieser geschichte nicht beinträchtigen kann und soll, ich habe sie ja auch schon über den grünen klee gelobt, die geschichte.
    stefan raab hat nicht nur auf der sülzburgstr. in köln-sülz, ecke berrenrather str. seine metzgerei lehre absolviert, sondern auch ende der 80er 4 semester jura studiert und dann, vor der damals vorgeschreibenen zwischenprüfung, den juristischen bettel hingeschmissen, um sich ganz auf seine musikalische laufbhan zu konzentrieren, will heiße, damls eine synthie-musik und werbesingles an den ann zu birngen (³sonnen sauber, pril frisch, vizir ultraã). Weitere einzelheiten gibt es bei interesse im entsprechenden strang richtng boden des gurkenglases hier, ich will wahrhaftig die reinheit dieser ³perle der karibikã nicht beschmutzen.
    Eins aber noch: Ich hätte z.b auch lieber mit pablo escobar zusammen jura studiert; dann wäre ich auch in dessen metzgerei einkaufen gegangen.

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