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Thema: Kaas, Patricia (der Marquis de Sade und andere)

  1. #1
    Large Member Avatar von vir
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    Patrizia Kaas, der Marquis de Sade und andere

    Höfliche Promis

    Was in Österreich ein Adabei wäre, wird hierzulande als „jemand der an jeder Hundsverlocheten ist“ bezeichnet. Ich bekenne, so einer bin ich. Zu meiner Entlastung kann ich lediglich vorbringen, dass ich erstens immer von Freunden mitgeschleift werde und dass die Aussicht auf anregende Gratisgetränke zweitens eine gewisse Anziehungskraft auf mich ausübt.

    So war ich im Herbst in einem Zürcher Vorort an der Eröffnungfeier einer Bar in einem riesigen Treibhaus. Freund Campolongo und ich zechten nach Kräften von den offerierten Getränken und bald schon machten wir uns Michael Bolton-Frisuren mit den herunterbaumelnden Girlanden der Hängepflanzen. Bereits anwesend war ein bisschen lokale TV-Prominenz, die sich auch sofort für den Fotografen der „Annabelle“ unappetitlich in Szene setzte. Bei einer meiner vielen Nachfüllrouten lief ich dann aber dem Big Band-Leader Pepe Lienhard über den Weg; dieser grüsste mich freundlich, obwohl er mich höchstwahrscheinlich noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Was für ein höflicher Mensch, dachte ich bei mir. An der Theke fanden wir später den Aargauer Chansonnier Michael von der Heide vor. Ich informierte diesen ungefragt darüber, dass mir ein Lied auf seinem vorletzten Album sehr gut gefallen hätte, was ihn nicht besonders zu freuen schien. Zu später Stunde sah ich noch, wie sich Patricia Kaas verabschiedete. Gott, sie war schön! Mit diesen schrägstehenden Augen; und dann so schüchtern! Aber sonst wäre sie ja vielleicht auf mich zugekommen und hätte mich gefragt, ob ich sie nicht eventuell nach Hause bringen würde, nicht?

    Allez! Einige Wochen später die Vernissage der Ausstellung „Sade Surreal“ im Kunsthaus Zürich. Ausführliche Ansprachen der zuständigen Direk- und Kuratoren in gewählten Worten und vor voll besetztem Saal. In der vorletzten Reihe sitzt der Oscarpreisträger H.R. Giger, dessen Kunst ich als Jugendlicher einmal sehr verehrt hatte. Dick ist er geworden. Er trägt schwarze Hosen und ein schwarzes Hemd, die obersten Knöpfe des Hemdes sind offen, mindestens einer zuviel. Unten schwarze Bottinen mit Seitenreissverschluss, die schwarzen Socken darunter reichen nur knapp über den Schuhrand und geben ein Stück bleiches Bein frei. Gigers halblangen grauweissen Haare sind nach hinten gekämmt. Seine Augen sind geschlossen, der Kopf zur Seite geneigt, seine gedrungenen Hände liegen mit den Handrücken nach vorne schlaff zwischen seinen gespreizten Beinen. Die Mundwinkel sind in der Verlängerung der Backenfalten tief nach unten gezogen. Man könnte meinen, er schläft. Ab und zu aber öffnet er die Augen, um mit völlig unverändertem Gesichtsausdruck die Umgebung zu mustern. Einmal treffen sich unsere Blicke, und ich schäme mich, dass ihm meine sonst eigentilich recht zurückhaltende Begutachtung aufgefallen ist.

    Nach Ende der Ansprachen ein allgemeines Gedränge in die Ausstellung, dem ich mich bald entziehe, denn ich finde, dass die Rezeption von Pornographie darunter leidet, wenn man sie in grösseren Gruppen in Angriff nimmt.

    Bei der Bar steht Freund Zweifel mit Hugo Loetscher. Dieser ist ja gerade siebzig geworden und durfte deshalb eine Photographieausstellung im gleichen Museum einrichten, auswählen und kommentieren. Natürlich kaufe ich am Kiosk sogleich den dazugehörigen Katalog, mische mich diskret ins Gespräch und bitte um eine Widmung. Der Dichter widmet sorgfältig, ich bedanke mich, er bedankt sich zurück, wie nett. Er trägt ein Tweedjacket und braune Hosen. Beim Lächeln entblösst er seine Zähne, die auf der linken Seite etwas schräg stehen und grünlich angelaufen sind, obwohl er, wie er sagt, seit fünf Jahren nicht mehr raucht. Um seinen riesigen Bauch spannt sich ein dünner graubrauner Pulli, der oben einen Reissverschluss hat und etwas schmuddelig aussieht. Loetscher ist ein amüsanter Plauderer und wir unterhalten uns über einen gemeinsamen Bekannten, einen Photographen, über den er kein böses Wort verliert, obwohl er sich von diesem offenbar ein wenig brüskiert fühlt.

    Wir werden unterbrochen von Freund Hämmerli der noch einen Partner zum Gatecrashen der offiziellen Anschlussparty in der Villa Tobler braucht. Nichts wie hin, denn die Stadt lädt ein, und wir sind schliesslich Steuerzahler. Häppchen und Rotwein im Überfluss, und trotz unseres Appetits und Dursts wird, wie immer, viel übrigbleiben. Der jetzige Marquis de Sade ist auch da, er kommt mir mit seiner riesengrossen Nase und dem kleinen geschürzten Mund tatsächlich etwas dekandent vor; aber als ich an seinem Stehtisch ein Lachsbrötchen stibitzen will, lächelt er mir aufmunternd zu und schiebt mir sogar mit der Fingeroberseite das Tellerchen zu.

    Vor ungefähr zehn Tagen war ich dann noch bei der Einweihungsfeier für die neuen Büros der Firma ‚Glamour Engineering‘. Diesmal war ich sogar schriftlich eingeladen, weiss der Teufel wie ich zu der Ehre kam, denn bis zu besagtem Abend wusste ich nicht einmal, dass sich hinter dem Firmennamen eine Werbeagentur verbirgt. Angeboten wurden Champagner Moët & Chandon galore und Cocktails, letztere vom mehrfachen Mixweltmeister Roth live geschüttelt. Keine Spur von Rezession in der Branche.

    Auf einem der Schreibtische sass auf einmal Malcolm McLaren und unterhielt sich lange mit einem mir bekannten Kurator des Winterthurer Kunstmuseums. McLaren trug einen dunkelblauen Anzug mit silbergrauen Nadelstreifen. Darunter ein dunkles Hemd mit einer einfarbigen Kravatte. Er ist untersetzt und stiernackig und seine Haut ist rosig und rotfleckig und sommersprossig. Ich hätte ihn eigentlich gerne kennengelernt aber ausser „Four Buffalo Girls go round the outside, round the outside“ wollte mir einfach nichts rechtes einfallen, auch hatte ich bereits Mühe mit dem Gewicht meiner Zunge und auch mit dem Geradestehen. Als der Kurator gegangen war, brachte ich McLaren und seiner zierlichen asiatischen Begleiterin dann doch noch je einen rosafarbenen Drink des Mixmeisters. „Thank you very much, that’s very kind of you“ sagte Malcom McLaren. „My pleasure“ war alles was ich, wie blödsinnig lächelnd, erwidern konnte.
    Geändert von vir (27.12.2001 um 19:06 Uhr)
    Die, hogenpops, die!

  2. #2

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    applaudiert

    Bis auf die gedrungenen Hände gefällt mir dieser glimpse ganz ausgezeichnet!
    Ausgefallene Namen haben Ihre Freunde, Herr Virchow.
    Meine besondere Freude waren die Micheal-Bolton-Frisuren und die pure Existenz einer Institution namens "Glamour Engineering". Und ich wundere mich immer wieder, wie man so viele Prominente (er-)kennen kann. Könnt ich nicht.

    applaudiert weiter

  3. #3
    Large Member Avatar von vir
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    Originally posted by Juri
    Ausgefallene Namen haben Ihre Freunde, Herr Virchow.
    Zum Vornamen heissen sie auch nur Thomas, Thomas und Stefan.

    Originally posted by Juri
    Und ich wundere mich immer wieder, wie man so viele Prominente (er-)kennen kann. Könnt ich nicht.
    Den Marquis und McLaren hätte ich auf der Strasse auch nicht erkannt, man machte mich auf die Herrschaften aufmerksam. Alle anderen sind ja übrigens in Zürich ansässig, da fragt man sich gar nicht sind sie's? sind sie's nicht?

    ach, und besten Dank für den Applaus
    Geändert von vir (27.12.2001 um 19:08 Uhr)

  4. #4
    Member Avatar von Reno Schmittchen
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    Nettes Namedropping. Eines Adabeis würdig. War Dill auf den Schnittchen?

  5. #5
    Avatar von Benzini
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    Ja, Senhor virchow tischt ganz schön üppig auf. Das muss erstmal verdaut werden. Sieben Superfliegen an drei läppischen Abenden. Davon könnte sich manch einer sein halbes Leben lang ernähren. (Haben Sie kein schlechtes Gewissen, virchow?) Und zum Dessert noch einen lässigen M.McLaren servieren (hey, hat jemandnbischen Grass dabei, ich hab zu viel gegessen...).

    Da fällt mir tommy Ungerer ein. Der hat das mit der gruppenspezifischen Rezeption von Pornographie mal von der lustigen Seite getestet. Baut in irgendeinen Aufzugsschacht irgendeines Kaufhauses oder Bürohauses einen Kassettenrecorder ein, auf dem er fernbedienbar einen überzeugenden Beischlaf-Soundtrack abspielen kann und studiert dann die peinlich-entsetzten und spontan-lustverzerrten Gesichter. Sein FORNICON ist unvergesslich (und wird, glaube ich, leider nicht mehr verlegt.)

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