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Thema: Moeller, Michael Lukas

  1. #1
    Moderater Avatar von Tobi Wahn
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    Michael Lukas Moeller

    Professor Doktor Michael Lukas Moeller ist Anfang des Monats an Krebs gestorben. Das hat mich gewundert und gleichzeitig an meine Begegnung mit ihm erinnert.

    Ich hatte von Herrn Moeller nie etwas gehört, bevor ich Anfang der 90er mithalf, seine Wohnung um- und auszubauen. Er wohnte in Frankfurt, in einem dieser schönen Vierstöckigen Gebäude mit Blick auf die wunderschönen Bäume einer alten Allee. Ihm gehörte, soweit ich weiß, zwar das ganze Haus, er bewohnte allerdings nur den dritten Stock: den Vierten und den kompletten Dachboden sollten meine Kollegen und ich ihm ganz nach Wunsch neu gestalten. Komplett entkernen, Dielen frei legen und restaurieren, alles ohne scharfe Kanten und Ecken neu verputzen, eine riesige Luke ins Dach, neue Dielen legen, Durchgänge brechen, neue Mauern mauern und streichen. Und das auf etwa 200 Quadratmetern Grundfläche. Um die Heizung und die Elektrik haben sich dann andere gekümmert.

    Mindestens vier Monate harter Arbeit standen uns bevor, wir schliefen unter der Woche auf der dreckigen Baustelle, durften aber bei Moellers duschen und aufs Klo gehen.
    Als ich dann damals seinen Namen kennen gelernt hatte, fiel er mir auch immer häufiger in der Öffentlichkeit auf. Fast wöchentlich war Herr Moeller in irgendeiner Talkshow zu Gast und gab seine Statements zu den Themen ab, von denen er Ahnung hatte. Paarprobleme, Liebe, Eifersucht, Beziehungen und Ernährung. Der letzte Punkt war damals eines seiner Steckenpferde. Er erklärte uns, wenn er Zeit hatte und in Stimmung war, ausführlich, wie das funktionierte, mit dem instinktiven Essen: Man isst dabei nichts, was in irgendeiner Form gegart oder sonstwie weiterverarbeitet worden ist. Also alles kalt und roh. Und das auch immer nur, wenn man vorher intensiv an der bevorstehenden Mahlzeit gerochen hat und der eigene Körper einem dann Sätze zuflüstert wie: "Oh, ja, Baby, das hier, genau das ist es, was mich jetzt glücklich macht. Los, komm schon, beiß rein!"
    Wir hatten damals viel Spaß bei der Vorstellung, dass Herr Moeller stundenlang einen Sack Weizenkörner und einen Kohlkopf befummelt und darauf wartet, dass sein Instinkt anspringt.

    Herr Moeller sah damals höchstens aus wie Vierzig. Er trug auch noch keinen Oberlippenbart, sondern war glatt rasiert, braun gebrannt und nahm im Treppenhaus immer zwei Stufen gleichzeitig. Seine Frau machte auf mich damals den Eindruck, kaum älter zu sein als ich selbst. Wir nervten Sie durch unsere ständige Anwesenheit, durch den Lärm und den Dreck den wir immer und überall verursachten. Sie ignorierte uns Bauarbeiter deshalb mit einer erstaunlichen Beharrlichkeit. Und das ist gar nicht so leicht, wenn man monatelang im gleichen Bad zu duschen gezwungen ist.

    Wenn ich mich heute an die Stimme von Herrn Moeller zu erinnern versuche, kommt mir eine Mischung aus Jean Pütz und Alfred Biolek in den Sinn: Schöne, lange Sätze in einer angenehmen, hellen Stimme vorgetragen.
    Er lachte oft und gerne und lobte uns häufig für die Knochenarbeit, die wir ablieferten. Zwar lebte er auf einem ganz anderen Stern, trotzdem, oder vielleicht deshalb, mochten wir ihn sehr.

    Zum Abschied hatte Herr Moeller für uns Bauarbeiter eine kleine Überraschung vorbereitet: Jetzt, wo fast alles fertig und tatsächlich wunderschön und außergewöhnlich zugleich gelungen war, durften wir uns jeder eines seiner von ihm selbst geschriebenen Bücher aussuchen. Heute ärgere ich mich, dass ich meine von ihm signierte Ausgabe von "Gesundheit ist essbar" irgendwo verloren habe.

  2. #2
    Member Avatar von frosch2
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    Meine Schwester schleppte mich voriges Jahr zu ihm in die Urania. Sie war begeistert von seiner Zwiegesprächsidee, mit der sie ihre Partnerschaft zu retten beabsichtigte. Leider ohne Erfolg. Immerhin kam das Ende ein Jahr später. Obwohl seine Stimme tatsächlich sehr angenehm war, und er in druckreifen Sätzen logische Dinge sprach, hat er mich nicht erreicht. Das lag an seiner beeindruckend jungen, schönen Frau, die devot auf der Bühne assistierte - Hilfsarbeiten wie Kopien verteilen und Stühlerücken. Ein Traum. Aber warum hat er dafür nicht eine seiner Psychologiestudentinnen eingesetzt? So entstand der Eindruck: Seht her! Wenn ihr richtig zu den Weibern sprecht, ihnen zuhört etc. könnt ihr JEDE haben. Sie wird euch bedienen und Wünsche von den Lippen lesen. Stimmt ja wahrscheinlich, nur kam mir das etwas zu dekadent westlich vor. Es war unangenehm. Heute, kein Jahr später, muß man vermuten, daß er von der Krankheit wußte und seine Frau lediglich anlernen wollte.

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