-
Benedikt XVI, Papst
Vorrede: Ich wollte es eigentlich sein lassen, weil es ja alle schon im TV gesehen haben und gehört und mittlerweile auch gelesen, aber na gut, es ist ja jetzt das große Ding und KC hat so gebettelt.
Der Papst kam diese Treppe runter, alle – mich eingeschlossen - standen auf, es war buchstäblich eine erhebende Stimmung, tatsächlich. Der Chor sang, der Rektor schritt stolz neben dem Papst und der Papst war eben der Papst.
Etwas kleiner als von mir gedacht, jedenfalls neben den anderen. Sie hatten ihm einen etwas größeren Stuhl in die Mitte gestellt, barock verschnörkelt und mit rotem Samt gepolstert – also solche Stühle gibt’s normalerweise nicht in einer Universität, höchstens im Fundus vom Theater. Es gab vier oder fünf davon, ich konnte diese Stühle etwas länger betrachten als später die darauf Sitzenden , da wir aus Sicherheitsgründen schon eine Stunde vor Ankunft des Papstes im Audimax Platz nehmen mussten.
Von den roten Stühlen war der für den Papst vorgesehene also etwas größer, aber es konnte den Größenunterschied zum Rektor und insbesondere zum Regensburger Bischof nicht ganz ausgleichen, unterstrich ihn eher noch.
Der Chor sang (übrigens gut) alles Lateinische, was er so drauf hatte – zwischendurch wollte der Rektor nach Lied zwei und nach Lied drei aufstehen und loslegen, hat aber rechtzeitig bemerkt, dass noch ein viertes gesungen wird und dann wurde (der Rektor war diesmal sitzen geblieben) sogar noch ein ein fünftes gesungen. Ich dachte schon, das war es jetzt und wir werden jetzt aufgefordert, alle wieder nach Hause zu gehen.
Dann aber, nach den kurzen Sätzen des Rektors, begann der Papst doch mit Vorbereitungen für seine Vorlesung. Erst wollte er dazu aufstehen – ist ja auch normal bei einer Vorlesung. Zum Sprechen ist es viel besser, wenn man steht. Die Profs können dann auf und ab gehen, schlafende oder Zeitung lesende Studis aufschrecken, an der Tafel einfache Zusammenhänge mit Zeichnungen und Pfeilen komplizierter machen, oder den Overheadprojektor unscharf stellen. Aber es war offenbar nicht vorgesehen, dass der Papst beim Vorlesen steht und herumgeht. Das Mikro war auf Sitzstellung eingestellt (vermutlich hatten Techniker stundenlang damit zugebracht, das Mikro so auszurichten) und das ließ sich auf die Schnelle auch nicht ändern. Obwohl, versucht haben sie es schon und dabei das Mikro fast umgestoßen. Der Papst ist aber nicht etwa wie ein Chef, der darauf besteht, dass die Untergebenen es jetzt sofort so einrichten, wie er das will, sondern eher so einer, der sich dann bescheiden darein fügt, eben jetzt die Vorlesung im Sitzen zu halten.
Ein Assistent aus der ersten Reihe gab ihm sein Manuskript, etwa 20 Blätter, frisch aus dem Computerdrucker. Also nicht etwa 20 goldschnittkantige Büttenpapiere, in Leder gebunden, auch kein Teleprompter , nein, einfache weiße DinA4 Blätter. Man kann das jetzt auch im Fernsehen sehen, wenn man darauf achtet und nicht auf die Worte des byzantinischen Kaisers.
Thema war das Verhältnis von Glaube und Vernunft und der Aufhänger war, was die Theologie eigentlich soll an der Uni und ob das überhaupt Wissenschaft ist.
Was mir durch den Kopf schoss: Da kommt der Papst, also immerhin einer der offiziellen großen drei vier fünf Leute auf dem Planeten, der ist auch (immer noch) Prof an dieser Uni und alle sind natürlich begeistert, dass er überhaupt Zeit hat dafür herzukommen und zu sprechen, und der spricht dann erst einmal darüber, ob das Fach, das er vertritt, überhaupt an die Uni gehört. Ist natürlich eher so eine rhetorische Frage gewesen – aus seiner Sicht.
Seine Argumentation (kann ja jeder mal nachlesen) läuft wohl darauf hinaus: wenn die Katholiken so einen Glauben verträten wie es die Protestanten tun, dann könntet ihr den lieben Gott doch auch in euren Uni-Kanon aufnehmen, also den kritischen Rationalismus „erweitern“ um ethische Grundprinzipien, die uns ein vernünftiger Gott mitteilt und die die Theologen dann übersetzen. Im Endeffekt könnten das sogar die Grünen unterschreiben, um diese naturwissenschaftlichen Frankensteins zu bremsen und um in den vom Papst am Ende seiner Rede propagierten Dialog mit den anderen religiösen Kulturen der Welt (gemeint ist wohl der Islam) einzutreten.
Trotzdem hat es mich nicht überzeugt: Die Vorlesung arbeitet ein bisschen mit der Schlussfolgerung, mit dem Gewaltverzicht bei der Missionierung sei zugleich schon Vernunft verbunden. In der Vorlesung weist der Papst selbst darauf hin, dass das griechische Wort „logos“ mit „Wort“ aber auch mit „Vernunft“ übersetzt werden kann: Diese Gleichbedeutung nutzt er geschickt im weiteren Verlauf seiner Vorlesung: Die Vernunft der Verbreitung der Religion durch das Wort – dem kann wohl niemand widersprechen - wird dabei unbemerkt zur Vernunft des religiösen Inhalts selbst. Lest halt nach und macht Euch Euren eigenen Reim darauf auf dem Hintergrund der katholischen Glaubensinhalte.
Also, die Vorlesung war gelehrt, der Papst war erstaunlich sympathisch, er sprach so, dass man ihm folgen konnte, niemand musste eindösen. Er sprach ca. 40 Minuten und er brachte sein Botschaft rüber. Es hat ihm auch sichtlich Spaß gemacht, mal wieder eine Vorlesung an der Uni zu halten. Leider gab es keine Gelegenheit zu Fragen und Diskussion. Der Papst schritt nach dem Austausch von Gastgeschenken (Bibelfaksimiles) durch den kurzen Gang neben der Bühne zum nächsten Termin im Dom.
Und hier könnte mein Bericht enden, wäre da nicht die „schmutzige Stelle“.
Sie kam ziemlich am Anfang und es hat natürlich jeder im Saal gehört, und ich war gespannt, worauf der Papst damit hinauswill – das Zitat schien etwas weit hergeholt, eingebettet in eine (halbe) Distanzierung. Nachdem nachher dazu kein Wort mehr kam, habe ich mich gefragt, was es denn da sollte, dieses Anti-Mohammed-Zitat. Leider hat der Papst es offenbar nur als Illustration genutzt, um zu dem Schluss zu gelangen, ein (als vernünftig gedachter) Gott wolle den Glauben an ihn nicht gewaltsam verbreitet wissen.
Da sich das Christentum historisch von dieser Unvernunft kaum ausnehmen kann, wäre es fair gewesen, wenn der Papst seine Position mit Beispielen der gewaltsamen Verbreitung des Christentums illustriert hätte. So direkt wollte er es aber wohl nicht sagen, sondern durch die Blume dieses Uraltzitats, das sich gegen die Gewalttätigkeit der Verbreitung des Islam richtet, aber natürlich ist die christlich-katholische Gewaltmissionierung automatisch mitgemeint.
Merkwürdigerweise keinen Gedanken habe ich daran verschwendet, dass hier Muslime „beleidigt“ sein könnten, weil der Papst irgendeinen weitgehend unbekannten Toten zitiert, der Mohammed kritisiert. Vor dem Hintergrund der früheren gewaltsamen Verbreitung des christlichen Glaubens aber mit dem Finger auf andere zu zeigen, das erschien mir etwas unfein.
Die Schlussfolgerung des Papstes war dann aber gegenteilig. Denn am Ende stellte der Papst sich auf eine Seite mit den "tief religiösen Kulturen" gegen einen reinen Rationalismus der "westlichen Welt", und das war ja schon seine bekannte Haltung im Karikaturenstreit.
(Egon Flaig schreibt heute in der FAZ, wir wären nur wegen der Gewaltbereitschaft der Kreuzzügler nicht selbst Muslime. Aber mit dieser Art Geschichtsverständnis kann man natürlich auch behaupten, der Papst sei nur Christ, weil Karl der Große seine Vorfahren vor die Alternative Taufbecken oder Kopf ab gestellt hat.)
-
Gut, daß du es nicht hast sein lassen, Rübe.
-
Ich danke mir sehr herzlich dafür, daß ich Rübe diese Geschichte entsteißt habe. Hat man eben doch nicht alles im TV gesehen.
Bin ich eigentlich der einzige in diesem weiten Rund, der die halsbrecherischen Versuche des Papstes, das Gegensatzpaar Glaube und Vernunft zu einer untrennbaren Sinneinheit zu verpfriemeln, mit Begeisterung verfolgt? Das konnte ja nicht gut gehen, Mohammed-Bashing hin oder her.
-
am vergangenen Samstag Mittag im nahezu menschenleeren, nur von einigen Grüppchen Polizisten bevölkerten Marienplatzuntergeschoss, haben drei Moslems die vier großen Münchner Zeitungen verkauft, die sämtlich mit Papstportraits aufgemacht waren, dazu ein Papstspecial der SZ. So geht Dialog der Religionen, Glaube, Vernunft und Ökonomie.
-
Zum ersten Mal wird mir klar, dass Klaus Caesar gar nicht so klug ist, wie er aussieht. Zustände.
-
Was ist los? Hab ich Deine religiösen Gefühle verletzt? Mußt Du jetzt eine Nonne erschießen?
-
Gab´s nicht mal ein Agreement, dass jede In-echt-sind-sie-immer-kleiner-als-im-Fernsehen-Formulierung im Grunde äbäh und RTL ist? Schöne Geschichte, sonst.
-
Aleks und Klaus Caesar brauchen nicht streiten.
-
-
Ich hab's aber ernst gemeint.
-
-
Es ist ein Missverständnis. Muss ich aber nicht versuchen zu erklären.