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Wenn man Heavy Rocker ist, muss man wohl so aussehen: Lange Haare, Jeanskutte, Lederstiefel, graues Gesicht. So stand Bruce Dickinson damals vor mir.
"Bruce Dickinson!!!" entfährt es jetzt den Metal-Fans. Aber ich hatte nur ein Schulterzucken übrig, "Iron Maiden" kannte ich zwar vom Namen her, aber diese Heavy-Bands sind doch alle gleich. Die beißen lebenden Hamstern die Köpfe ab und beschmeißen das Publikum mit zuckenden Hühnerherzen. Nichts für mich.
Bruce wollte fechten lernen, und deshalb stand er vor mir.
Ich trug eine weiße Bundhose, weiße Kniestrümpfe, eine weiße Weste, die Maske unterm Arm und hatte den Degen locker aufgestützt. Bruce wollte auch so aussehen und wir verpassten ihm einen entsprechenden Anzug. Dass er fechten lernen wollte, kam so:
Seine Band nahm in Köln eine Platte auf, und Bruce hatte es sich in den Kopf gesetzt, an den Olympischen Spielen in Seoul teilzunehmen. Das war nicht dumm gedacht, denn die englischen Fechter sind in etwa so gut wie die portugiesischen Skiflieger. Die Konkurrenz ist klein. Und wenn man Zeit hat, um sich vorzubereiten und zweimal täglich zu trainieren - warum nicht?
So dachte Bruce jedenfalls.
Dass man so ca. 5 Jahre braucht, bis man fechterisch auch nur ein bißchen auf der Höhe ist, wollte er nicht hören. Seine Entscheidung war gefallen. Bruce wollte D'Artagnan werden. Oder mindestens Olympiasieger. Immerhin brachte er ein wenig Prominenz in den von der Presse wenig verwöhnten Fechtsport, also durfte er mittrainieren. Einmal kam ein WDR-Fernsehteam, häufiger die ausgefreakten Redakteure vom "Metal Hammer" oder von "Hard'n Heavy".
Manchmal tat es etwas weh, unkoordinierte Stöße von dem Wurzelzwerg mit den wehenden Haaren unter der Maske abzubekommen. Sein Erfolg war mäßig, sein Ehrgeiz aber war ungebrochen. Als Erster beim Training, anschließend noch alleine Beinarbeit vor dem Spiegel. Nach drei Monaten dann kam der große Tag:
Das Weltcupturnier in Paris stand an; als einziger teilnehmender Engländer musste er sich nicht durch die lästige Qualifikation strampeln und durfte in der Vorrunde gegen die großen Fechter der Welt antreten.
Machen wir's kurz: Bruce ist dermaßen vermöbelt worden, dass er sich im Anschluss an die Vorrunde (die er als Vorletzter beendete - Letzter wurde der Sohn eines kuwaitischenScheichs) an die Bar setzte und sich Kronenbourg-Bier in großen Mengen reinschraubte.
Auf der Rückfahrt am Abend war er rechtschaffen besoffen und hatte so viel von einem Rocker wie in den ganzen Monaten zuvor nicht. Er war missgelaunt, unzufrieden und weinerlich. Rockstars halt. An der Tankstelle ging er Bierholen, "für alle", wie er sagte. Jeder bekam eine Dose. Wir bedankten uns artig, fuhren nach hause und verabschiedeten uns in Bonn voneinander.
Beim nächsten Training am Montag ging er rum und sammelte von jedem 2.50 DM ein, für das Bier, das er ausgelegt hatte. Ein paar Wochen hat er noch lustlos trainiert, dann blieb er weg. Ich glaube sogar, im gleichen Jahr ist er bei "Iron Maiden" ausgestiegen.
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Sehr schön, Maestro! Sagten Sie nicht irgendwo mal was von Pulver verschossen o. s. ä.?
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Die GROSSE GESCHICHTE ist wieder da!
Gehört meiner Meinung nach zu den Top 10!
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Grossartig. Wollte gerade eine kleine Geschichte über Klaus Lage und mich veröffentlichen. Lass ich jetzt aber besser.
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Wieso?
Mach das mal, und dann schau mal, was passiert, dann kommen nämlich ganz viele Zwerge und Elfen angedackelt. Woher ich das weiss?
Tja, sowas kennt man schon hier im Haus.
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Die Geschichte ist umwerfend, fast lakonisch berichtet Tristram von Ungeheuerlichkeiten.
Wie kann das sein, nach dem Gejammer neulich?
Oder wollten Sie diese Giga-Geschichte PR-mäßig schlau einleiten, Shandy?
Dann sind Sie shady und heißen ab jetzt Shady Shandy!
Warum nochmal mußte Bruce sich als einziger Engländer nicht durch die lästigen Qualifikationen strampeln?
Es gab wirklich nur EINEN Tommy und das war der Iron-Maiden Typ?
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Na ja, jede Nation hat bei Weltcupturnieren so eine Grundquote. Sechs Leute dürfen auf jeden Fall starten. Wenn sich keine sechs melden, darf jeder Seppl, der eine Lizenz hat, starten. Passiert nur bei Exotennationen wie England oder Kuwait. Die könnens halt nicht. Bei Olympia ist das anders. Da gibt es vom IOC eine Zugangsbeschränkung (zwei mal unter die besten 32 bei einem Weltcupturnier). Und da war Bruce halt Lichtjahre von enfernt.
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Tristram: Sternstunden großer Forscher!
Danke.
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Sehen Sie Tristram, wenn Sie höflich gefragt werden, dann sprudelt's aber los.
Bei Bedarf könnte ich folgendes zum Thema beisteuern:
-Wie Bruce Dickinson einmal die Couch in meinem Kinderzimmer nicht zu kurz war.
-Jane Dickinson, der mexikanische Glamrocker und der Sheriff von Nottingham.
Ach, eines noch, gerne auch per Privatmail:
Dicki Fliszar, does that ring a bell?
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krasse story!
bruce dickinson scheint ja ein echter tausendsassa zu sein. als autor hat er sich auch schon versucht, genauso kläglich allerdings.
shouter bleib bei deinen leisten, kann ich da nur sagen.
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Die Idee von Bruce Dickinson war nicht schlecht. Bei den Olympischen Spielen in Sidney schaffte es ein äthopischer Schwimmer mit einer Zeit von 50 Sekunden auf 50 Meter in die Vorrunde zu gelangen. Das wurde dann aber derartig platt ausgewalzt, dass mir die Lust an dieser Kuriosität verging.
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Eine sehr schöne, fast gruselig rührende Geschichte! Der arme Bruce!
Also, wenn die Bob Dylan-Teetrinkerei die Mutter aller Paparazzigeschichten ist, dann ist diese hier der Stiefbruder! Gäbe es nicht Dokumente von Fechtebruce, müsste man an einen guten Hoax glauben!
http://www.delta.se/~henke/bruce/sports.html
Und das ist noch nicht ein mal alles, was Bruce ausser Hartmetallbearbeitung noch kann!
http://www.delta.se/~henke/bruce/flying.html
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OProfPap. Andrea Maria Dusl
Meisterklasse für politischen Paparazzismus
(Beitrag wurde von Andrea Maria am 14.07.2001 um 09:45 Uhr bearbeitet.)