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Thema: Morgens um halbacht, die Welt in Ordnung.

  1. #1
    Avatar von Arthur Schlupfloch
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    Morgens um halbacht, die Welt in Ordnung.

    Es geschah unlängst in Berlin. Immer ist es Berlin. Dieselbe Geschichte in Frankfurt anzusiedeln, sie nach München zu verlagern oder in Hamburg stattfinden zu lassen, würde alles ändern. Berlin ist neutral, riecht weder nach Fisch, noch nach Oktoberfest und stinkt auch nicht nach Geld. Mit etwas Phantasie erschnüffelt man einen Hauch von Hasch oder glaubt, in der Ferne gesehen zu haben, wie ein feister Politiker sich mit einer namenlosen Schlampe im Fonds einer Limousine balgt. Vielleicht war es aber gar kein Politiker, sondern nur Onkel Otto, die Schlampe keine Schlampe, sondern ein Hund, und die vermeintliche Limousine auch nur ein alter Opel Omega. Mist, Brille vergessen, aber sei's drum.

    Im Forum-Hotel am Alexanderplatz logierte ich, weil ich am Abend vorher auf einer feinen Veranstaltung im Dorint am Gendarmenmarkt Häppchen weghauen durfte, rohen Fisch, boulettiertes Fleisch, dazu unvermeidlich Caipirinha, Sekt und Zigarren. Prominente auf einer Prominentenparty sind genauso langweilig wie Studenten auf einer Studentenparty. Auch, dass es im Grunde eine Journalistenparty war, macht die Sache nicht besser. Denn was haben Leute zu sagen, die selbst nichts erschaffen und daher alle, die das tun, hassen und das auch noch öffentlich verbreiten dürfen. Der Sache überdrüssig verdrückte ich mich und stattete dem obersten Stockwerk des Forum-Hotels, wo es Roulette- und Black-Jack-Tische gibt, noch einen Besuch ab. Das brachte auch nicht viel, außer der Erkenntnis, dass Dostojewski offenbar völlig zugesoffen war, als er die spannende und illustre Welt des Glückspiels schildert. Es gibt wohl nichts deprimierenderes als zu beobachten, wie schlecht gekleidete Menschen geifernd kleinpreisige Plastikchips auf Einzelzahlen setzen und natürlich verlieren.

    Morgens erwachte ich etwa mit der Laune, die dieser Text transportiert, und weder die öden Ausgaben von FAZ, Welt und Tagesspiegel noch der billige Brühkaffee konnten daran etwas ändern. Gibt es etwas, das lauter nach Suizid ruft, als Frühstücksbuffets in zweitklassigen Hotels? Jeder dieser blechernen, brotkastenartigen Behälter ist für eine Überraschung gut. Die zitternde Hand langt nach dem Griff, die Brandwundensalbe bereitgehalten in der anderen, weil das Metall möglicherweise kurz vor dem Schmelzpunkt ist. Vorsicht beim Öffnen ist angebracht, denn ein Schwall heißen, stinkenden Dampfes ist im Zweifelsfall weder dem Teint noch dem Gesichtsausdruck zuträglich. Hat jemand morgens um halbacht wirklich Appetit auf mehrere Stunden eingebackenes Rührei, garniert mit Bratspeck aus dem Pleistozän oder einem Würstchen aus dem Nürnberger Formfleischmuseum? Oder Lust auf zu lautes und völlig überflüssiges Mobilfunkgeschwätz von Managern der zweiten oder dritten Führungsebene am Nebentisch, deren schlecht geknotete, bunte Krawatten mit ihren gemusterten Socken so gut korrespondieren wie die Grenzposten von Nord- und Südkorea?

    Verständlicherweise hielt ich das nicht lange aus, sondern floh schnell und trat hinaus ins Freie durch eine Drehtür, die meinen auf kleiner Flamme köchelnden Zorn durch ihre provozierende Langsamkeit fast zum Überschäumen brachte. Für welche gichtgeplagten und medikamentös ruhiggestellten Rentner das wohl gebaut wurde, wollte ich brüllen. Draußen sah ich Renate Künast mit ihrem zerknautschten Gesicht, wie sie in einen wartenden Audi A8 stieg. Und wie ich so still vor mich hin kombinierte - "die Künast hat einen Termin in dieser Absteige, oder musste hier sogar übernachten" – da ward mir froh ums Herz. Plötzlich fügte sich alles ineinander: die minderlustige Party, das zur Farce verkommene Casino, die mediokren Presseerzeugnisse, ein widerliches Frühstück nebst widerlichen Tischnachbarn und zum Nachtisch die Erscheinung einer abgehalferten, kaum vom Zipfel der Macht gestreift, sofort korrumpierten Ökopartei. Keiner schöner Land, dachte ich, und ging, um mir bei Frankonia in der Friedrichstraße eine Doppelläufige und einen Sack Patronen zu kaufen. Mehr würde ich nicht brauchen.

  2. #2
    Moderator Avatar von honz
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    Das geht doch gar nicht ohne Waffenschein!

    Sehr unangenehm dieses sich einschleichende Gefühl der vollkommenen Ratlosigkeit. Hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun, Herr Schlupfloch (haha!).

    Dies Geschichte ist wohl das Ergebnis von anderthalb Jahren höfliche Paparazzi, man könnte sie nehmen und sie vorne an die Ranch kleben und sagen, "seht her, so sieht eine gute Geschichte aus, sie ist vorbildlich, solide, das ist der Maßstab für jeden Neueinstieg", aber bitte, wer, nach eineinhalb Jahren will das noch lesen?. NIEMAND, genau, außer vielleicht die Neuen, die noch nicht alles gelesen haben .

    Wir haben jetzt alle Hotellobbies, Flughafencheckins und Zugabteile durch, die man ausführlich beschreibt, und dann taucht dort so ganz zufällig der Prominente auf. Ich denke unser Problem sind nicht kretinöse Neulinge (Übrigens , was macht die Arschmade Pauli eingentlich wieder auf die Ranch, ich dachte, der sei erledigt), sondern unsere Unfähigkeit ein solches Klima zu schaffen, welches die schrägen Vögel , versteckte Geister und wahre Talente anlockt.

  3. #3
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    Honz, immernoch so verbittert!
    Und ich trage dazu bei.

    (Arschmade ist von mir geklaut, Sie Sack. Bleiben Sie doch bitte bei Ihrer langweiligen Arschmakrele.)
    Geändert von Pauli (26.08.2002 um 12:40 Uhr)
    Stell dich nicht so mädchenhaft an.

  4. #4
    Avatar von Arthur Schlupfloch
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    Gut geholzt, Honz!

    Lieber Honz,
    auch wenn Deine Kritik nicht richtig freundlich ist, so merke ich doch, dass ein wohlwollendes Herz hinter der harten Schale Deines Avatars schlägt. Meine Geschichte, sagst Du, ist vorbildlich, solide und ein Beispiel für eine gute Arbeit in diesem Forum. Ehrlich: Mehr habe ich mir für mein erstes Posting in diesem Forum nicht erhofft. Der Künstler, der einst zur Avantgarde gehören will, tut gut daran, sich zunächst ins Schaffen der alten Meister zu vertiefen. Von diesem Fundament ausgehend, kann er deren Werk später überwinden. Eher erschreckend ist dieser Fatalismus, den ich Deiner Reaktion entnehme. Dabei kümmert mich weniger Dein individuelles Seelenleben, sondern verstehe die paar Sätze repräsentativ für die Stimmung auf dieser Site. Es scheint das fin des siècle angebrochen zu sein, und die Stagnation ist fühlbar eingetreten. Während Katastrophen für Neubeginn, Dynamik und Solidarität sorgen können, für ein kräftiges Aufschütteln des Systems, sorgt Stillstand für Vereinzelung, Depression und Aggression. Insofern scheint mir, dem Neuling, diesem Forum eine Katastrophe empfehlenswert. Welche das sein könnte, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht ein kompletter Systemabsturz, Datenverlust? Das sollen kundigere diskutieren.
    Es grüßt
    AS

  5. #5
    Moderator Avatar von honz
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    Bingo, Schlupfloch!

    eine apokalyptische Katastrophe wäre schön. Vielleicht ist ja Pauli schon der erste Reiter.

  6. #6
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    Nur ganz schnell, bevor eine Grundsatzdebatte über die hiesige Klimakatastrophe losbricht: Artiger Einstieg, Arthur!

  7. #7
    Hobel Avatar von Ignaz Wrobel
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    Schön wäre auch der ein oder andere unoriginelle Satz gewesen!

    Zuviel Öl im Salat macht ihn nicht bekömmlicher, frag Frau Künast (die einzige NICHT abgehalfterte Politikerin in der Regierung, wie jede Legehenne bestätigen kann).

  8. #8
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Ja, zuviel Bilder ind er Geschichte die lustig sein wollen. Das macht keinen Spaß.

    Die Andersartigen trauen sich hier nicht mehr hin, weil sie von den Idioten hier abgeschreckt werden. Und die Art, wie die aussortiert werden. honz und Tex haben recht, wenn Sie sagen, dass das Forum auf dem absteigenden Ast ist. Das müsste aber nicht sein, wenn das Forum nicht voll von denen wäre, die versuchen Klugheit und Kreativität nach zu spielen.

    Ich bin dafür Betty die Macht zu geben.

  9. #9
    Large Member Avatar von vir
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    Abgesehen davon, dass ich vom Titel her darauf schloss, hier wäre Eric Malpass paparazzt worden, frage ich mich, ob ich honz richtig verstanden habe: Die Geschichte sei zu gut?
    Die, hogenpops, die!

  10. #10
    Moderator
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    Ich find den Schlupflochbeitrag ja nicht soo schlecht.
    Sondern vielmehr sogar etwas unterhaltsam.
    Wennselbst die Höflichkeitskriterien, da könnt man was dran auszusetzen haben.
    Aber gut.

  11. #11
    Moderator Avatar von honz
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    Lassen wir Debatten, vor allem weil mich Schlupflochs Posting wirklich sehr zum Lachen gebracht hat, meine Laune hat sich daraufhin schlagartig verbessert, ich kann sogar meiner ersten Stunde heute abend in einem Fitnessstudio seit dem wieder gelassen ins Auge blicken. Kommt jemand rein und sagt , "Hallo Mädels, ihr braucht jetzt aber mal eine richtige Katastrophe", bei sowas muss ich lachen.

    Letztlich reicht es ja aus, wenn einer mal wieder eine neue Sau durchs Dorf treibt, es muss ja nicht gerade was mit Dichten sein.

    Ich denke, das Prinzip höfliche Paparazzi ist durch, also das Prinzip "ich habe eigentlich nur jemanden den alle kennen vorbeihuschen sehen, schau mer mal, ob man da eine Geschichte herumbasteln kann." Spannend sind nur noch wirklich besondere Begegnungen, so wie die mit der Lopez neulich, originäre Begegnungen an außergewöhnlichen Orten. Sicher das geht noch präziser.

    Spannend wäre nur vielleicht auch wirklicher Tratsch, beruflich bedingt aber auch nur der von Titanen, also wenn Tobler oder Shandy aus dem Nähkästchen plaudern würdern, oder der Komodowaran Schmidtchen noch radikaler sein Arsenal an giftigen Gemeinheiten öffnen würde.

    Das mit den Idioten stimmt, das mit dem Aussortieren auch, ich bin ja deswegen so ratlos, weil sich beides gegenseitig bedingt, also ohne Idioten kein Aussortieren, aber Idioten sind immer in offenen Systemen, man muss sie also rausschmeissen und das verpestet die Luft. Geschlossenen Systeme sind aber eben geschlossen.

    Aber ich glaube das ist es nicht. Wir müssen uns schon an die eigene Nase fassen. Schreiben die Edelfedern mehr und besser seit die Deppen weg sind. Nö. Gut man könnte natürlich sagen, daß all die Deppen durch die Hintertürer wieder reingekommen sind, aber zumidest halten sie den Ball flach. Letztlich ist bei allem die Luft raus, bei den Autoren wie bei den Themen. Bettyford hat zum 100. Mal ihre Bettyfordprobleme, jockel ditto, ich honze wohlfeile Meterware, dazwischen brunzblöde Pappentreffen, dan uffelt Uffel wieder, alles ist festgelegt, vorhersehbar.

    Vielleicht sollte man aus jedem Forum die besten Stränge hinausmeißeln, absperren und irgenwo als Monument hinstellen, und den Rest kampflos aufgeben und treiben lassen. Vielleicht passiert dann was lustiges. Man übergäbe die Moderateorenjob vielleicht an jemand ganz Neues, vieleicht an Knorke, Fußnot und Schlupfloch oder so , der Rest der alten Kämpen hält einfach die Schnauze, und zwar immer bei allem, schaut was passiert und trifft sich sonst im Senatorium und in der chatte und spricht über die guten alten Zeiten.

    (Mandeltorte, Pauli, et al. vergesst es, bekommt bloß kein Oberwasser, ihr kriegt sowas sowieso nicht gebacken. )

  12. #12
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Honz, exakt das habe ich mir gestern schon verschrieben. Einfach mal Schnauze halten; es ist unerträglich das Nichts zu beobachten, was hier langsam entstanden ist.

    Digital Immigrant

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