Ich war damals in Birke K. von B. verliebt. Ein Mädchen mit einer ungelogenen Jane-Fonda-Aura, die zumindest alles männliche in ihrer Umgebung zur Strecke brachte. Die norddeutsche Adelsabstammung machte sich nur rudimentär noch darin bemerkbar, dass sie in einem Quelle-Fertig-Elternhaus am Waldhang wohnte, in dem ihr Vater einen ausgeprägten Jagd-Tick zelebrierte. An den Wänden hingen zwischen Waffen und Halali-Instrumenten unzählige Geweihe, sowie einiges präpariertes Kleinwild mit Glasaugen. Und zum Frühstück gab es tatsächlich kurzgebratenes Nackensteak. Ich fühlte mich wie in einem Polanski für Gehörnte.
An ihrem 18. Geburtstag waren ausser mir noch ein gutes Dutzend anderer zur Strecke Gebrachter geladen (unser unstandesgemässes Glück dauerte nämlich nur wenig pazifistische Wochen), nebst, und darauf will ich eigentlich hinaus, einem Trio amerikanischer Schauspieler, die sich auf Tournee befanden und wer weiss warum hier Station einlegten. Das waren jedenfalls ein paar ganz ausgekochte Gesellen. Die spielten Shakespeare-Komödien im Stile der Commedia-del-arte, drei Schauspieler für 644 Rollen. Einer der drei kam mir spontan bekannt vor, das Gesicht hatte ich jedenfalls schon mal gesehen.
Sein Name war Michael Myers, hierzulande bekannt als manischer Messerstecher aus den Carpertenschen Scream-Classikern "Halloween". Natürlich war ich doof genug zu fragen: "Was? DER Michael Myers?" "Ja", sagte er traurig und verwandelte sich augenblicklich in das schwesternmordende Ungeheuer, das mit einem Küchenmesser maschinenartig die dicke Kleinfamilienluft zerhackt. Mr. Myers ist aber in Wirklichkeit ein angesehener Schauspieler. Er hat Ähnlichkeit mit Bill Murray, nicht allein wegen der Aknenarben. Leider war es mir nicht möglich mittels Suchmaschine Aufklärung in diese Sache zu bringen, die mir jetzt selbst ein bisschen undurchsichtig erscheint. Ich glaube mich zu erinnern, dass er in einem amerikanischen Kriegsfilm eine eindrucksvolle Nebenrolle hatte.
Den Rest des Abends sass er still an einem Eichentisch und zeichnete Portraits der Anwesenden mit Geweih dahinter. Herr K. von B. hängte in einer beispiellosen Performance seiner Tochter eine Halskette um, die aus 36 Wildschweinzähnen bestand.
Lesezeichen