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Thema: Pelham, Moses

  1. #1
    Moderater Avatar von Tobi Wahn
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    Es war 1996 und das Rödelheim Hartreim Projekt würde die Veröffentlichung ihres zweiten (und letzten) Albums feiern. Mit Presse, Promis und Tamtam. Ein Freund arbeitete bei der Zeitung und hatte mich eingeladen mitzukommen. Ich sollte seine Kameratasche tragen und vorgeben, sein Fotograf zu sein. Das Verhandeln an der Tür würde er übernehmen.
    Ich schluckte meine Zweifel am Gelingen des Plans herunter und sagte zu.

    Wir fuhren nach Frankfurt, parkten am Hauptbahnhof und liefen zu Fuß einige hundert Meter zu dem Lokal, in dem die Rödelheimsche CD-Release-Party stattfand.
    Ich fühlte mich unwohl. Ich hasse es, ungebetener Gast zu sein, zumal ich keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde. Ich malte mir aus, wie mir Moses P. persönlich die Nase brechen würde, wenn er nur heraus bekäme, dass sich ein Fremder auf sein Fest einschleichen wollte.
    Auf einem früheren Konzert des Projektes hatte ich tuschelnde Teenager belauscht, die sich schaudernd die Geschichte zugeflüstert hatten, wie Moses P. bei einem andere Gig von der Bühne gesprungen, und einem ihm unliebsamen Gast im Publikum ins Ohr gebissen habe. Daran musste ich denken, als ich mich beklommen in die Schlange vor dem Einlass einreihte.
    Die Sicherheitsleute an der Tür waren kahl rasiert und musterten grimmig die Ankommenden. Sie unterschieden sich in meinen Augen vom gemeinen Straßenschläger nur dadurch, dass sie statt grüner, dunkelgoldene Bomberjacken trugen. Ihr Anführer dagegen trug Smoking.
    Die anderen Gäste vor und hinter uns in der Reihe hatten sich ebenfalls sehr fein herausgeputzt. Ich hatte versucht, mit meiner Kleidung einen schnodderigen Lokalzeitungs-Fotografen zu imitieren, fühlte mich jetzt aber einfach nur noch schlecht angezogen. Meine Schuhe waren nicht geputzt und in meinem abgetragenen Sakko kam ich mir recht provinziell vor.
    Die Dame von der Plattenfirma, die am Eingang die Gästeliste überwachte, machte trotzdem keinerlei Schwierigkeiten und händigte uns freundlich jeweils ein buntes Plastikarmband aus, das uns alle weiteren Türen öffnen würde.
    Drinnen war es düster, eine Nebelmaschine spuckte Dampf und auf eine Leinwand über der Bühne wurde das neue RHP-Video projektiert, ohne Ton. Das Lokal füllte sich schnell mit immer neuen Gästen.
    Den Fotokoffer hatte ich direkt wieder an meinen Begleiter abgeben müssen und war somit meiner erschwindelten Existenzberechtigung auf diesem Fest beraubt.
    Unverhofft schwebte Sabrina Setlur (die sich damals noch –Schwester SÎ nannte) an mir vorbei, umhüllt von einer betäubenden Wolke teuren Parfums. Ich bildete mir ein, dass sie mich kurz herablassend angestarrt hätte. Sie trug ein enges, schwarzes Kleid und sah viel besser aus als auf ihren Videos. Neben ihr machte ich wirklich keine gute Figur. Ich setzte wild entschlossen meinen grimmigen Verlegenheitsgesichtszug auf und suchte nach einer ruhigen Ecke. Alles was ich wollte war Zuschauen und dabei nicht auffallen. Das gelingt mir allerdings oft gerade dann nicht, wenn es drauf ankommt.
    Jemand griff mir von hinten an die Schultern und schob mich zur Seite. Ich stand Moses P. im Weg.
    'Morsche! Wer bisdn Du?' interessierte sich der eben noch so hastige Rapper plötzlich für mich. Sein breiter Hessen-Slang war offensichtlich nicht antrainiert, sondern gehörte zu ihm, wie sein Lispeln.
    'Tobi. Weissde net mehr?' schaltete ich kumpelhaft, obwohl es mir eiskalt über den Rücken lief. Tapfer schenkte ich dem kahlköpfigen Frankfurter mein breitestes Lächeln.
    'Obi? Ach klar, jaja, hehe, hier, ich muss weider ...' sprachs, und drängelte sich tiefer ins Getümmel.
    So fühlt man sich also als Star: Leute erkennen, die man nie vorher gesehen hat. Ha!, das war ja einfach. Moses P. hatte mich begrüßt und mich für ein weiteres seiner Rädchen in seinem persönlichen, kleinen Rap-Imperium gehalten, irgendein Pressefuzzi, Tontechnikersgehilfe oder Aushilfsroadie. Egal, ich war jetzt sozusagen vom Gastgeber persönlich autorisiert und er würde mir nicht weh tun.
    Der Rest der Feier verlief für mich sehr entspannt und ohne weitere Komplikationen. Trotzdem gehe ich nicht mehr auf Partys, auf denen ich nicht eingeladen bin.

    Geändert von Tobi Wahn (13.11.2002 um 04:33 Uhr)

  2. #2
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    Tobi, damit du nicht glauben sollst, du wärst hier nicht auf die Party eingeladen, nur noch ganz kurz: Fette Geschichte, das.

  3. #3
    Avatar von marie battisti
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    'fett' ist zwar passender, aber süß ist die geschichte auch. hast du mal bei einem größeren konzert den aufmarsch der fotografen beobachtet? vorne ein bodyguard hinten einer und dazwischen eine reihe freaks, die genüsslich auf die fans herunterlachen und gemächlich durch die fangasse nach vorne schreiten, das gleiche ritual nach den fotos nur in die andere richtung.

  4. #4
    [Member] Avatar von Herr Cohn
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    Sie haben dort nicht gestört, Herr Wahn, weil Sie nicht unbekümmert waren. - Die Geschichte gefällt mir! Ich rieche die Nebelmaschinen. Sabrina Setlur wage ich nicht zu riechen.
    (Beitrag wurde von Herr Cohn am 11.11.2001 um 14:05 Uhr bearbeitet.)

  5. #5
    Moderatorin Avatar von Frau H aus B
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    Stimmt, Herr Cohn, wenn Tobi beispielweise Sabrina Setlur ein paar Stylingtips gegeben hätte, wäre er sicher nicht ungeschoren davogekommen. Um bei der von Ihnen ach so subtil angedeuteten Analogie zu bleiben. Vielleicht hätte er dann diese voll krass konkret korrekte Geschichte niemals schreiben können. Pelhams Personal hätte es sicher nicht bei verbalen Andeutungen belassen. Da endet die Analogie.



    (Beitrag wurde von Frau H aus B am 11.11.2001 um 14:23 Uhr bearbeitet.)

  6. #6
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    Smart und irgendwie jungenhaft-unschuldig geschrieben, die Geschichte. Nett. Versuche lediglich vergeblich, mir die Farbe Dunkelgold vorzustellen.

  7. #7
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    Geht nur als Kontrast zu Grün.

    Fanny
    (Beitrag wurde von Tiffany Nudeldorf MD am 11.11.2001 um 14:43 Uhr bearbeitet.)

  8. #8
    [Member] Avatar von Herr Cohn
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    Frau H aus B, ich glaube, ich mag Sie!

    dunkelgold ist Laub auf herbstlichen Wegen

  9. #9
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    Smarter Name übrigens auch, Tiffany Nudeldorf MD. Da stinkt Frau H aus B doch gleich ein bisschen ab.

  10. #10
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    Aber über Allem liegt doch der dunkelgoldene Duft von Frau Setlur...
    Und, ach ja: nennen Sie mich doch einfach
    Fanny

  11. #11
    Moderatorin Avatar von Frau H aus B
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    Hm, Herr Cohn ist jetzt schon der Dritte, der so reagiert.
    erwägt, sich mit einem Dominastudio selbständig zu machen

  12. #12
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    'Pfanni' wäre auch süß.

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