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Thema: Clapton, Eric (Tokyo elevator story)

  1. #1
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    Im Herbst 1995 reiste ich nach Japan. Es war Anfang Oktober, die Ahornbäume waren noch nicht rot geworden. Ich war damals noch ein Teenager und vertrat meine Mutter auf dem Tokyo Film Festival. Als dessen Gast hatte man mich sehr schick im zweithöchsten Geschoss des Tokyu Capitol Hotel untergebracht, ein ziemlich edles Hotel mit einem künstlichem Teich im Innenhof mit goldenen Karpfen, die zwischen kunstvoll gebogenen Kiefern herumschwimmen.
    Normalerweise war ich auf diesem Festival immer im Kostüm oder in eleganten Kleidern unterwegs, um im Vergleich zu den Japanerinnen, die immer wie aus dem Ei gepellt herumliefen, nicht noch mehr aufzufallen als ich es als große Europäerin mit blonden Haaren ohnehin tat.
    An diesem Morgen jedoch hatte ich nichts weiter beim Festival zu tun, so dass ich eine alte Jeans und locker ein weißes Hemd darüber angezogen hatte.
    Ich ging über den dicken, jedes Geräusch schluckenden beigen Teppich durch die diskret beleuchteten Flure zum Fahrstuhl, um nach unten zum Frühstücksraum zu fahren. Der Fahrstuhl öffnete mit elegant leisem Zischen seine Türen und ich stieg ein. Doch statt nach unten in die Lobby fuhr der Fahrstuhl noch eine Etage nach oben. Auch gut, dachte ich, da will sicher noch jemand anderes nach unten und hat oben den Fahrstuhlknopf gedrückt, so dass ich noch einen kleinen Umweg mache.
    Dann öffnete sich die Fahrstuhltür wieder und gab den Blick auf einen ähnlich diskret beleuchteten Flur mit gelbem Teppich und einen westlichen Mann frei. Ungewöhnlich für dieses schicke Hotel trug er ein lockeres weißes Hemd und eine Jeans. Ich hatte das Gefühl, dieses Gesicht schon mal auf einem Plattencover bei meinen Freunden gesehen zu haben. Wir trafen uns damals regelmäßig, um uns unseren selbgeschriebenen Kram vorzulesen, Tee zu trinken und Musik zu machen. Einige der Jungs, insbesondere der, auf den ich damals so scharf war, spielten fantastisch Gitarre. Sie vergötterten den Musiker, der so ähnlich aussah wie der Mann, der mir da gerade gegenüberstand.
    Aber das konnte nicht sein. Rockstars hatten drogenabhängig und übernächtigt auszusehen. Dieser Mann dagegen sah gesund und ausgeschlafen aus, wenn auch unrasiert. Und dabei war es noch gar nicht so spät am Tag. Um diese Uhrzeit konnte man doch nur frühstücken. Frühstücken solche Leute überhaupt? Stehen sie nicht vielmehr erst gegen Nachmittag auf?
    'Hi, where're you from?' rief er fröhlich beim Einsteigen und lächelte mich freundlich an.
    'I am from Germany' antwortete ich. Das Interesse an meiner Person bestätigte mir, daß ich falsch lag. Rockstars sind nicht nett zu jungen Mädchen. Vielleicht nach einem Konzert, wenn sie mit einem Groupie ins Bett wollen, aber jedenfalls nicht morgens im Fahrstuhl.
    Der Fahrstuhl schloss sich und es ging eine Etage nach unten. Eine Gruppe Japaner in Anzügen und Kostümen strömte herein und schwieg zurückhaltend. Die beiden unordentlich gekleideten Westler sahen dagegen aus wie Wilde. So etwas schweißt zusammen.
    'What're you doing here?'fragte er mich. 'I am guest of the Film Festival.', erklärte ich. Dann fragte er mich, ob ich Schauspielerin sei, nein: ich vertrat nur meine Mutter.
    'What's your name?' kam gleich die nächste Frage. Ich sagte es ihm und war umso sicherer, dass ich mich irren musste.
    An dieser Stelle beschloss ich, zum Frontalangriff überzugehen. Denn die roten Zahlen seitlich zeigten, dass sich der Fahrstuhl unaufhaltsam in die Tiefe bewegte.Was für Vorwürfe würden meine Freunde mir machen, wenn ich ihnen die Geschichte erzählte. Ich hatte vielleicht zehn Stockwerke neben ihrem Idol gestanden, und das Einzige, worüber wir gesprochen hatten, war mein Aufenhalt in Japan!
    'And what are you doing in Tokyo?'
    'I am here for a concert.- I am a musician.' sagte er.
    'What kind of music?'
    'Oh, Blues and Rock'n'Roll'.
    Also doch. Um Gottes Willen, er musste mich ja für ziemlich blöd halten, dass ich eine solche Frage stellte!, dachte ich. Als ob jemand, der in einem Luxushotel in Japan morgens in Jeans und Hemd unrasiert im Fahrstuhl steht, Mitglied eines Symphonieorchesters sein könnte!
    Er sah aber eher entspannt und freundlich als belustigt aus.
    Der Fahrstuhl hielt im ersten Stock bei den Konferenzräumen. Die Japaner stiegen aus. Der Fahrstuhl schloss seine Türen. Nur noch ein Stockwerk hatte ich, um rauszufinden, ob meine Vermutung richtig war.
    'And what«s your name?'
    'Eric' sagte er mit etwas weniger freundlich-entspanntem Gesicht. Und nachdem ich mit einer fragenden Geste auch den Nachnamen verlangt hatte, setzte er leicht unwillig hinzu: 'Clapton'.
    An dieser Stelle nun öffnete sich der Fahrstuhl im Erdgeschoss und wir traten in die Lobby. Er war jetzt weniger freundlich, sondern wirkte eher etwas genervt. Vielleichtt hatte er es erholsam gefunden, sich mit jemandem unterhalten zu können, der nicht gleich mit Gekreische vor dem Gitarrengott zusammenbrach.
    Nun bat ich ihn aber doch noch, mir ein Autogramm zu geben und schämte mich gleichzeitig dafür. Ich finde es peinlich, Leute nach Autogrammen zu fragen, aber ich dachte, diese Geschichte würde mir doch sonst keiner glauben. Ich ließ ihn das Autogramm für den Jungen schreiben, auf den ich so scharf war. Dann verschwand er irgendwo in der Lobby.
    Von meinem japanischen Übersetzer, der als echter Fan grässlich neidisch war, erfuhr ich später, dass Eric Clapton wirklich ein Konzert in Tokyo an diesem Abend haben würde.
    Das Autogramm habe ich immer noch. Ich habe es damals behalten, weil ich den Jungen dann doch nicht mehr so toll fand.

  2. #2
    Avatar von Aporie
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    Leider kann auch ich nicht nett zu Ihnen sein. Wenn hier abgeschweift wird - und das muss sein, denn auch grosse Literatur besteht zu 80% aus Abschweifung- dann müssen die Abschweifungen interessanter sein als der plot. Sind sie aber nicht.

  3. #3
    Moderater Avatar von Murmel
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    Ihr werdet alle etwas sehr streng hier. Ich finde die Geschichte unterhaltsam, auch wenn sich der Anfang etwas zerschweift.

  4. #4
    Avatar von Hilde
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    sagen Sie mal, Aporie, Sie fühlen sich nicht mehr als Neuling?
    Ich gestehe, dass ich, obwohl eigentlich nicht mehr ganz so neu hier, immer noch Hemmungen habe, an Geschichten herumzunörgeln, außer sie sind so komplett himmelschreiend scheisse, und sogar dann sag ich lieber gar nichts.
    ja, und die Aufzugsgeschichte hier fand ich eigentlich ganz okay, zwar etwas aufgeplüscht und mit doppelten Jeans und lockerem weißem Hemd darüber, aber was solls.
    Ich fand sie trotzdem gut erzählt und war gespannt, wer denn nun eigentlich der Prominente ist und konnte mir dann den Clapperton recht gut vorstellen, wie ihm die Freundlichkeit vergeht, wo er doch sowieso einen eher recht muffigen Eindruck auf mich macht und überhaupt kein Gitarrengott für mich ist, da muss schon wer anders aufspielen.
    ja

  5. #5
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Das ist ein Tonfall hier...
    Das ist doch eine hübsche Geschichte, Kruzifix!

  6. #6
    Moderator Avatar von rron
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    TOBLER! Ein Unkenverleih wäre heute das Business-Model-of-the-day. Denken Sie mal drüber nach!

  7. #7
    Avatar von Aporie
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    Ich fühle mich nicht nur als Neuling, Frau Hilde, ich komme sogar aus der SPIEGEL - Fraktion. Den Vorsprung verdanke ich einzig der Papierversion, die ungeduldig vorpreschte und der Online-Version um zwei Wochenlängen voraus war.
    Ich habe heute bereits fünf positive Kommentare zu Geschichten von Neulingen geschrieben. Da kann es schon vorkommen, das man nicht alles gleich nett findet.

  8. #8
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    Die Geschichte berührt mich überhaupt nicht, obwohl ich Willens war, sie fing gut an, und plätscherte dann leider irgendwie aus.

  9. #9
    Lady Member Avatar von Tigerin
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    Also mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, Josephine. Plastische Schilderung, und die Spannung bis fast zu Schluss aufrechterhalten.
    Und ich beneide dich um deine Begegnung mit dem grossen Eric Clapton!

  10. #10
    Large Member Avatar von vir
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    Ja, genau, es muss nicht immer gleich Weltliteratur sein. Muss mir glaub Apories Geschichte noch mal vorknöpfen. Josephines Begegnung ist spannend erzählt und in der Steigerung der Peinlichkeiten (Nachname fragen, Autogramm bitten) schon fast tragisch.
    ------------------
    Ultra posse nemo tenetur

  11. #11
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    vielleicht mag ichs ja auch nicht, weil ich Eric Clapton unerträglich finde (ausser Cream)

  12. #12
    Moderater Avatar von Murmel
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    Ist Cream nicht von Prince?

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