Im Jahr 1981 probte das Streichorchester der North Sydney Boys High School für den australischen Schülerorchesterwettbewerb im weltberühmten Opernhaus in Sydney.
Der einzige Grund warum ich in diesem Schulorchester das Cello spielte, war, außer dass mich meine Mutter dazu zwang, Mrs. Robertson. Sie war eigentlich eine Miss Robertson, 27 Jahre alt, wie sich sehr schnell unter uns 14 jährigen auf der Knabenschule herumsprach. Ich will nicht heucheln, dass ich verliebt in sie gewesen bin, nein ich gestehe, meine Phantasien waren durch und durch der handfesteren erotischer Art.
Es gibt wohl nichts trostloseres für einen Jungen in Sydney als die Proben des Schulorchesters. Nach dem Unterricht, nachmittags um vier sägt man das elendige Green Sleeves herunter. Wenn die Australier wenigsten Purcell anstatt des unsäglichen Edward Elgar spielen würden, wäre der Gedanke, dass man mit den anderen Jungs an die Beach gehen, Space Invaders oder Pacman in einem der Malls spielen oder zumindest im Fernsehen die 'Rat Patrol' sehen könnte, etwas erträglicher. (Die Rat Patrol ist übrigens eine sehr empfehlenswerte US-Serie aus den 60-ern , in der 4 Soldaten in einem Jeep in jeder Episode im Alleingang 2-3 deutsche Armeen niedermetzeln, da waren die Kraut noch tumb und hießen Fritz .)
Erträglich machte das Gejaule einzig allein Mrs. Robertson, sie törnte mich an. Sie war streng, trug dunkle Röcke, die meist bis weit übers Knie reichten, dazu schafthohe Lederstiefel, ihr Haar war blond, eine Frisur wie Madonna im Gaultierlook, auch sie hatte schwarze Augenbrauen, dazu einen leichten dunklen Flaum über der zart geschminkten Oberlippe.
Ich spielte immer drittes Pult, mehr hatte ich nicht drauf auf meinem Cello, was mich nicht sonderlich betrübte, denn so konnte ich mich gut klanglich hinter den anderen verstecken, aber noch besser war, dass die dritten Pulte der besseren Übersicht halber leicht erhöht standen, und so konnte ich Mrs. Robertson zwischen den Einsätzen immer in die Bluse schauen, sie trug meistens enge Weiße, wobei sich beim Dirigieren immer genau zwischen dem zweiten und dritten Knopf eine Falte bildete, durch die man, je nach Takt, im 5/6-Tempo den Hauch eines weißen Büstiers erahnen konnte. Selbstredend, dass ich die meisten Einsätze verpasste. Oh süße Verlockungen der Jugend, blonde Haare, schwarze Brauen, Flaum und dazu weiße Spitze!
Meine Einsätze verpasste ich während des Wettbewerbs im Opera House nicht. Das hatte leider überhaupt nichts damit zu tun, dass ich Yehudi Menuhin bei einer Yoga Übung beobachtet hatte - ich wusste ja nicht einmal, dass der ältere Mann mit dem dünnen weißen Haar, den ich vor unserem Auftritt in einer der Künstlergarderoben auf dem Kopf stehend überraschte, der wirklich große Virtuose auf der Geige war.
Die Begegnung war vollkommen profan, ich schlich gelangweilt durch die Gänge , öffnete eine Tür und dort stand ein Mann auf dem Kopf, ich erschrak und schloss die Tür wieder. Mrs. Robertson konnte mir zwar einiges erklären, ('Mrs. Robertson, there is an old man standing on his head in the wardrobe next door.' - Yes Max, that's Yehudi Menuhin, he is practising yoga, it keeps you focused and relaxed'), aber es hat nichts genützt:
Ich war so verängstigt, dass ich keinen einzigen Ton aus meinem Instrument herausbrachte. Der Saal des Opernhauses in Sydney ist riesig, ähnlich wie der der Berliner Philharmonie, das Orchester ist von allen Seiten vom Publikum umgeben, und das Publikum , so erschien es mir, beobachtete nur mich allein und wartete darauf, dass ich eine Fehler machte, ich saß am dritten Pult, schweißgebadet, das Blut pochte in meinem Kopf, und strich, der Ohnmacht nahe, den Bogen unhörbar über die Saiten, versuchte krampfhaft die Auf und Abstriche wenigsten einigermaßen synkron zu meinem Vordermann hinzukriegen.
Ich weiß nicht mehr was wir spielten, im Zweifel Elgar, der verhaltene Applaus war die Erlösung, und auch meine Gefühle gegenüber Mrs. Robertson kühlten etwas ab, nachdem wir im dritten Term die sagenhafte Sexbombe Bubu-Jacobs als Indonesischlehrerin bekamen.
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