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Thema: Trauttmannsdorf, Octavian

  1. #1
    Moderator Avatar von honz
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    Octavian Trauttmansdorff ist der Shooting-Star am österreichischen Kunsthimmel. Er hatte eine Einzelausstellung in der Sezession, stellt auf der berlin biennale aus und vertritt Österreich auf der Biennale in Venedig.

    Getroffen habe ich ihn schon vor einigen Jahren in einem Dorf namens Höfles im Fränkischen, dort in einem jener Eigenheimhöllen mit Hobbyraum und Bar, die sich Bürger bauten, die es Mitte der 70-er zu etwas gebracht hatten, in diesem Fall das Einfamilienhaus des örtlichen Schreinermeisters, einer großartigen Mischung aus Eiche und Kacheln.

    Die Frau des Schreinermeisters betreibt eine kleine Gaststätte, ein Wirtshaus wie es sie nur noch im Fränkischen gibt. Geöffnet von 12-14 und 18-23 Uhr, aber nur Getränke, das Essen holt man sich vom Metzger nebenan und bringt es mit. An den Wochenenden dann warmes Essen, meist Braten mit Klößen, zu Preisen, die es wiederum auch nur im Fränkischen gibt, das Hauptgericht zu 15 Mark, Bier für 3. Der Schreinermeister kommt manchmal vorbei und legt mürrisch ein frisch erlegtes Stück Wild auf den Tresen, manchmal sammelt sich das Fleisch auch an, dann gibt es ein Wildessen, die Gäste kommen zahlreich und von weit her.

    Die Tochter Cosima, Resultat der Verehrung Richard Wagners wie es sie nur im Fränkischen gibt, ist die Lebensgefährtin und Mutter der Kinder Octavian Trauttmannsdorfs . Cosima rief an und lud mich und die Königin ein zu einem Wildwochenende nach Höfles.

    Ich ahnte Böses, da unser gemeinsame Freund, der schottische Koch Jarman einen Bandscheibenvorfall hatte, er sollte mitanpacken, die rauen Mengen an Essen zu bewältigen.

    Die Mutter Cosimas empfing uns nach 5 Stunden Fahrt von Berlin mit Dirndl und Hirschgulasch, durch ihre blauen Augen strahlte Schönheit und fränkische List. Nach einer halben Stunde fand ich mich bierzapfend hinterm Tresen, die Königin machte die Ansagen in die Küche und haute die Essen raus, über achtzig an der Zahl. Es herrschte Großküchenbetrieb, es war laut, heiß, hektisch, Cosimas Mutter stieg auf strategisch geschickt platzierte Hocker um in riesigen Töpfen zu rühren, sie ist vielleicht 1,60 groß, die Serviererinnen schrien ihre Bestellungen durch eine kleine hüfthohe Durchreiche, dazu mussten sie sich vorbeugen , so wurden fränkische Reize auch an das Personal weitergegeben.

    An einem Tisch saßen zwei steinalte Frauen, sie schnitten Gemüse und Salat und unterhielten sich in einer bizarren Sprache, die ich nicht einordnen konnte, ich dachte erst es seien vielleicht Sudetendeutsche die Tschechisch sprechen, aber es war Fränkisch. An der Spüle stand ein älterer distinguierter Herr, mit grau meliertem Haar, in hellblauem Hemd, Cordhosen und rahmengenähten englischen Schuhen, es waren vielleicht auch Ludwig Reiter, wer weiß.

    Er spülte um sein Leben, die Menge an schmutzigem Geschirr versiegte nie, der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die Spüle war zu tief montiert, wahrscheinlich fränkisches Maß, der Mann stand in einer vollkommen absurden Haltung davor, mit weit auseinander gespreizten Beinen, denn damit war sein Becken auf der Höhe der Spüle und er musste sich nicht bücken. Ich fragte mich wie lange er wohl noch durchhält, da bat mich Cosimas Mutter ob ich dem Herrn Graf nicht zur Seite springen könne, was ich gerne tat, denn Bier musste ich nicht mehr zapfen, die Gäste waren zu Obstler und Silvaner übergegangen, Silvaner, wie es ihn nur im Fränkischen gibt.

    Herr Graf war nicht sehr gesprächig , verbissen kämpften wir an gegen das Geschirr, die steinalten Frauen kümmerten sich liebevoll um Herrn Graf und mich. 'Wollen Herr Graf und der junge Mann vielleicht noch ein Bier', wolle der Herr Graf vielleicht einen Schnaps, und auch ich fragte Herrn Graf ob wir nicht tauschen wollten, ich spüle , er trocknet ab, wegen dem Rücken, aber er wurde immer ungehaltener, und als die Königin fragte, ob Herr Graf nicht eine Pause machen wollte, antwortete er etwas unwirsch, es würde vollkommen ausreichen, wenn wir ihn Trauttmansdorff nennen.

    Das war meine Begegnung mit Graf Trautmansdorff, uralter österreichischer Adel, mit Ex-Schlössern in Böhmen, Bozen und der Steiermark, dem Vater Octavians, den ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, Nachkomme von Maximillian Graf von Trauttmansdorff, Unterhändler Habsburgs im Westfälischen Frieden.

    Der Graf war dann gar nicht mehr unwirsch sondern sehr freundlich, er bot mir das Du an, aber ich weiß nicht mehr wie er mit Vornamen hieß, nur dass er zum Ausgleich gerne spült und bügelt.

    Seinem Sohn Octavian, Vater Cosimas Kinder, wurde ich dann am nächsten Morgen in der Eigenheimhölle zwischen Geweihen und Flokatis vorgestellt, ich habe keinerlei Erinnerung mehr an ihn, nur das er schulterlanges blondes Haar trug. Er wird auch der irre Graf genannt, warum entzieht sich meiner Kenntnis.

    Wohlauf, die Luft geht frisch und rein.
    Geändert von honz (09.10.2017 um 17:18 Uhr)

  2. #2
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    Herrschaften, der neue Honz ist da. Ich muß sogleich Hanswasheiri informieren. Wo steckt er überhaupt? Nun der neue Honz, packend wie immer, lehrreich und unterhaltsam zugleich.
    Honz hat nur einen Fehler. Daß er irgendwann zuende ist. Dennoch, man liest ihn ohne Atem zu holen in einem Zug. Ein Opus aus dem Adel.
    Hanswasheiri, dein Auftritt bitte.

  3. #3
    Moderator Avatar von Ruebenkraut
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    Hut ab, erneut.

  4. #4
    Avatar von Elli Kny
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    Trauttmansdorff, der Graf, der keiner sein möchte, legt großen Wert auf die richtige Namensschreibung.

  5. #5
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    Lieber Honz, auch von mir ein herzliches Dankeschön für diese erneute klare schnörklose Prosa, Frau Maisch hat das alles so schön auf den Punkt gebracht, da gibt es wenig hinzuzufügen. Eine Kerze in diesen dunklen Stunden des Fortgangs.

  6. #6
    Moderator Avatar von honz
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    Die geschätzte Frau Kny hat natürlich recht, deshalb habe ich den Text gleich korrigiert.
    Nur die Titelzeile kann ich nicht nicht ändern , aber warum auch, dann kapiert man wenigstens worum es ging.

  7. #7
    Hobel Avatar von Ignaz Wrobel
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    Honz, eine wunderhübsche Geschichte, die man mehrfach lesen kann, sie wird dann immer besser. Daß Graf Trrauttmannsdorff jetzt richtig geschrieben erscheint, kann ich nicht feststellen. Ein Schulkamerad von mir ist fränkischer Fürstensohn, aus einer Dynastie, die unter anderem weitverbreitete Beistifte herstellt. Ich erinnere mich noch daran, daß er damals (es war ein evangelisches Internat), das System erfand, jüngere Schulkameraden gegen Geld als Bedienstete einzusetzten. Beliebt war das sogenannte 'Klobrille anwärmen lassen'. Nach mühsam bestandenem Abitur und jahrelangem Lotterleben entschloss er sich zu einem Theologiestudium und heiratete standesgemäß auf der Stammburg (Frau im Spiegel berichtete). Leider hat sich der Kontakt verloren, sonst könnte ich mehr zum Thema adlige Bohéme im Fränkischen beisteuern.
    (Beitrag wurde von Ignaz Wrobel am 10.06.2001 um 14:55 Uhr bearbeitet.)

  8. #8
    Avatar von Wilfried Wieser
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    Der fränkische Fürstensohn gab jüngeren Schulkollegen Geld, damit er ihnen die Klobrille anwärmen durfte? Bei derartigen Veranlagungen kommt tatsächlich dann nur noch ein Theologiestudium in Frage.

  9. #9
    Moderatorin
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    Wahrscheinlich hat er das System aber gar nicht erfunden, sondern bei Roald Dahl geklaut, wo das Klobrillenanwärmen in einer traurigen Geschichte über das Internatsleben vorkommt. Sowas kann man doch gar nicht erfinden.

  10. #10
    Hobel Avatar von Ignaz Wrobel
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    ELENDE Besserwisserin, willst du mir jetzt noch meine Vergangenheit klauen?? Husch, ins Google-Verzeichnis, wo Du hingehöst!

  11. #11
    Hobel Avatar von Ignaz Wrobel
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    P.S.
    H. hatte einen politisch unkorrekten Begriff für die Klobrillenanwärmer, wenn du den auch noch rauskriegst, komm ich ins Grübeln, aber erst dann!

  12. #12
    Moderatorin
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    Herrje, ich meinte doch Schulkamerad Trauttmannsdorff, der wird es da gelesen haben. Natürlich kann sich Ignaz Wrobel an seine eigene Vergangenheit erinnern. Ich wollte ja nur auf die Parallele hinweisen, die mir bei so einer selten blöden Idee wie dem Klobrillenanwärmen schon bemerkenswert erscheint.

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