Oder auch: Almost Famous
Anfang der 90er Jahre, Berlin-Neukölln, neu renovierter Altbau, Vorderhaus. Die Geburtstagsfeier eines Bekannten, bei ihm zu Hause; die Holzdielen sind gerade frisch abgezogen und versiegelt worden.
Vielleicht aus letzt genanntem Grund gab es auf dieser Feier einen Wettbewerb. Die Gäste waren aufgefordert, Hausschuhe mitzubringen, die schönsten Puschen sollten prämiert werden. Ich hatte mir einige Mühe gemacht, zwei Tapezierbürsten gekauft, diese an die Sohlen von schwarzen Espandrillos getackert, vorne zwischen Bürste u. Sohle und um den Rist geblümte Streifen eines alten Tuchs geknotet und mit einem Schleifchen verschönt und an die Ferse jedes Schuhs aufrecht eine Zahnbürste genäht (das war der schwierige Teil der Bastelarbeit gewesen). Alle Puschen waren bei Eintritt abzugeben, bekamen eine Nummer angeheftet und wurden im Gang aufgereiht. Die meisten Gäste hatten normale Hausschuhe mitgebracht, eine Minderheit originelle Modelle, die Stoffbärchen oder kleine Krokodile usw. darstellten. Später wurde mit Zetteln abgestimmt; ich gewann. Locker.
Der erste Preis, der mir dann überreicht wurde, war eine Single von Phil Collins (Titel vergessen). Darüber war ich ein wenig unreif beleidigt, weshalb ich dann noch einige Jahre die Single als Untersetzer für das Olivenöl in der Küche benutzte. Das Küchenregal blieb so von Ölringen verschont. Irgendwann wurde mir diese symbolische Abstrafung aber albern und ich warf den Untersetzer weg.
Aber das nur am Rande. Der Bekannte, der Geburttag feierte ist ein sehr netter, charmanter Mensch, der mit einigen meiner besseren Berlin-Britzer-Bekannten gemeinsam die Schule besucht hat. Ansonsten ist er sehr sportlich, spielt Basketball, surft und snowboardet. Ich kam recht früh auf die Feier und kannte erst einmal kaum jemanden. Er hatte zahlreiche Sportskameraden aus dem Basketballverein eingeladen -nicht meine Welt.
Später kamen aber auch einige mir vertraute Gesichter, darunter auch mein alter Freund A.H., Journalist, DJ und begabter Exzentriker. Er führte sich auch damals schon auffällig auf, schrie, hüpfte herum, bewegte sich irgendwie anders, charmierte und fummelte an der Anlage herum (Er ist, sollte die Kurzbeschreibung hier irreführen, ein zwar anstrengender, aber wirklich sehr, sehr netter Mensch). - Hier ist er nur mit Initialen genannt: Weil, er ist gar nicht bekannt, hätte aber, sieht man vom ganz und gar fehlenden Kalkül ab, schon das Zeug dazu.
Das fiel auch der Freundin eines neben mir stehenden Basketballers auf (beide neideten mir ein wenig die Collins-Single - wäre ich damals nicht so kleinmütig gewesen, ich hätte sie ihnen geschenkt). Sie deutete auf A.H. und fragte ihren Freund: 'Wer ist denn das? Der ist doch bekannt, oder?' - Worauf der Freund sich umwandte, nickte und ihr sachlich erklärte: 'Ja. Das ist der Pop-Papst von Britz.'
Dieser recht präzisen Feststellung wäre nicht viel hinzuzufügen. Außer, dass auf der selben Party unerkannt ein anderer, eher unfreiwillig Bekannter war, dessen Foto sicher eine ganze Reihe von Leuten (wenn auch nicht die Ballsportler) von einem Plattencover her kannten.
Ungefähr 1980 hatte ich selbst diese Platte besessen und oft gehört. Einem der Lieder verdanke ich die Kenntnis des eigenartigen Begriffs 'Sechser', das, glaube ich, aus irgendwelchen altmodisch-verqueren Gründen ein Fünfpfennigstück bezeichnet: Sechser, na klar.
Die LP steht wahrscheinlich noch auf den Dachboden meines Elternhauses und heißt immer noch 'Sind so kleine Hände'. Auf dem Cover sieht man die Singer-Songwriterin Bettina Wegener in Pulli und Profil, im Arm einen sehr kleinen Jungen, den sie fest an sich drückt. Dieser Junge, ihr Sohn J., war als Jugendlicher auf der Party anwesend. Damals muss er mit seinen ca. 16 Jahren dort der jüngste Gast gewesen sein.
Sein Lied wurde selbstverständlich nicht gespielt. Er hätte das auch kaum zugelassen, schwärmte er doch mehr - wenn auch eher aus Prinzip - für Skinheads.
Später am Abend, die Ballspieler mit Freundinnen waren alle schon gegangen, wurde er dann sehr betrunken und musste sich auf den Ikea-artigen Teppich übergeben. Wir, die wir ihn kannten, kümmerten uns ein wenig um ihn und machten sauber. Er schlief dann auch bald im Sessel ein. Hausschuhe hatte er nicht mitgebracht.
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MBart
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