Frau Passig, die mir bis heute nachträgt, daß ich seinerzeit einmal einem häßlichen Knaben in trunkenem Zustand die Zunge in den Hals steckte, malte Sonntag einen weiteren dicken Strich in mein schwarzes Strafbüchlein, weil sie mich bezichtigt, sie zu früh in einen Zug gesetzt zu haben, als ihr Alkoholpegel noch nicht so weit abgesunken war, daß sie ihr Frühstück bis zur Bahnstation Fulda bei sich behalten konnte. Weil mir aber sehr viel an meiner Bekanntschaft mit Frau Passig liegt, sitze ich nun hier und komme ihrer mit schmalen Augen gezischten Aufforderung nach, mich an diesem Forum zu beteiligen. Sozusagen als Wiedergutmachung. Obwohl ich nicht schuld bin.
Nachdem ich mich vergewissert habe, daß Peter Maffay noch nicht in die Liste der Prominenten aufgenommen worden ist, erzähle ich also davon, wie ich einmal Peter Maffay ³aufã Mallorca begegnet bin.
Ich war einmal auf Mallorca. Ich will mich dafür nicht entschuldigen, es war ein wunderschöner Urlaub im malerischen Norden dieser Insel und wir sind viel spazierengegangen. Ich und mein Mann, meine ich. Gerade kommt mir der Gedanke, daß ich nicht der erste Mensch sein werde, der einen Aufenthalt auf Mallorca mit den Worten ³Wir sind viel spazierengegangenã zu entschuldigen versucht. Wir hatten eine kleine Ferienwohnung, in der wir immer von streunenden Katzen besucht wurden, die sich in den Vollbart meines Mannes kuschelten und ein Mietauto, welches uns in entlegene und malerische Ecken der Insel führte. Die ersten Tage waren auch sonnig und warm, obwohl es Oktober war, aber gegen Ende des Urlaubs gab es ein gewaltiges Unwetter. Die Wassermassen strömten von den Bergen im Inneren der Insel ins Meer, und wo wir noch am Tag zuvor mit nackten Füßen durch blaues Meer gelaufen waren, ergossen sich jetzt gelbe schlammige Flüsse in das Mittelmeer, überfluteten die Straßen und zwangen uns, einer Umleitung zu folgen.
So kamen wir nach Polenca, einem kleinen Dorf in den Bergen, wo es irgendeine Sehenswürdigkeit zu erkunden galt. Ich glaube, es war ein Pilgerweg oder etwas ähnliches. Die Scheibenwischer auf höchster Stufe, rumpelten wir über Kopfsteinpflaster durch enge mallorquinische Gäßchen und mußten schließlich an einer Ampel halt machen. Oder war es eine Rechts-vor-Links-Kreuzung? Ich weiß es nicht mehr, aber ich lüge so ungern. Sagen wir, ich mußte einfach anhalten. Uns entgegen kam ein Jeep. Ich schaute auf den Fahrer und obwohl die Sicht nur wenige Meter betrug, bin ich mir ganz sicher, daß es sich um Peter Maffay handelte. Wahrscheinlich habe ich ihn an der gräßlichen Warze auf seiner Oberlippe und der blonden Dauerwelle erkannt. Ich sagte zu meinem Mann ³Da vorne, der Typ in dem Wagen, das ist Peter Maffay.ã Und mein Mann sagte ³Aha?ã
Man muß vielleicht dazu sagen, daß mein Mann nicht die Spur eines Gedächtnisses für Gesichter hat. Ich ernte immer zutiefst bewundernde Blicke, wenn ich beim gemeinschaftlichen Fernsehen solche Sätze wie ³Der spielt den dicken Astronauten in <Ausgerechnet Alaska>ã sage. Dann entgegnet mein Mann immer ³Maurice?ã und ich sage ³Ich bewundere deinen Namensgedächtnis, Schatz!ã und er sagt ³Dein Gedächtnis für Gesichter ist viel verblüffender, Liebling!ã und dann schauen wir uns lieb an, greifen nach den Chips und verfolgen weiter die Filmhandlung.
Deshalb bin ich ziemlich sicher, daß in dem Jeep Peter Maffay saß. Um dieses Erlebnis zu verifizieren, müßte man nur beweisen, daß sich Peter Maffay im gleichen Jahr wie mein Mann und ich auf Mallorca befunden hat, aber ich habe vergessen, welches Jahr das war. Irgendwas mit 199 am Anfang, soviel ist sicher. Mein Gedächtnis für Jahre ist nicht so ausgeprägt wie das für Gesichter.
Wenn jemand einmal nach Polenca fährt, was ich sehr empfehlen kann, sollte der Besuch des örtlichen Kaffeehauses nicht vergessen werden. Es ist riesengroß, mehrstöckig, sehr weiträumig und vollgestopft mit Werken moderner Kunst (wohl meist mallorquinische Künstler) und man kann dort viele alte Männer sehen, die auf Ledersesseln sitzen, Zigarren rauchen und Zeitung lesen. Ich verkneife mir das Wort ³urigã nur mit Mühe.
War das okeh, Sergeant?
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