Da man ja hierzulande in Zukunft wegen eines raffgierigen Medienzaren leider kein Fußball mehr im Fernsehen sehen wird können, außer man bleibt bis vier Uhr nachts wach und läßt dann Unmengen Werbung über sich ergehen, erlaube ich mir, in diesem Alternativmedium eine Paparazzi-Geschichte aus der Welt des runden Leders zum Besten zu geben, passend zum Samstagnachmittag.
Vor etwa fünf Wochen mußte ich beruflich von Berlin nach München fliegen, und, da ich den Flug nicht selber zahlen mußte, flog ich nach langer Zeit mal wieder mit der Lufthansa, der mit den raffgierigen Piloten.
Ich war extra früh dran, denn es war strahlendes Wetter und ich wollte unbedingt einen Fensterplatz - uncool, aber trotzdem lohnend (das Klatschen nach der Landung habe ich mir allerdings inzwischen abgewöhnt). Als ich nun am Schalter anstand, um einchecken zu können, kam Unruhe in die Wartenden. Ich drehte mich um und sah eine Horde großer, breitschultriger Männer, allesamt gekleidet mit grauen Flanellhosen, dunkelblauen Sakkos, hellblauen Hemden und blauweiß gestreiften Krawatten. Der Troß wurde begleitet von einigen typischen Geschäftsleuten (genauso gekleidet) und weiteren Gepäckwagen schiebenden Männern, diese allerdings in dunkelblauen Trainingsanzügen. Selbst die Taschen auf den Gepäckwägen waren alle vollkommen identisch.
Ich brauchte einige Zeit, bis ich verstand, was es mit diese Ansammlung absolut gleich gekleideter Herren auf sich hatte: es war die gute alte Tante Hertha (für Unkundige: Hertha BSC, der Berliner Bundesliga - Fußballclub), auf dem Wege zu einem Trainingslager in Tirol, wie ich später den im Flugzeug ausliegenden Gazetten entnehmen konnte!
Viele von den Spielern erkannte ich nicht, bis auf zwei, die sofort auffielen, weil sie ganz anders aussehen als all die Anderen: Alex Alves und Marcelinho, die beiden Brasilianer im Team, Letzterer erst seit zwei Tagen in der Stadt und offensichtlich noch ganz mit seinem Jetleg beschäftigt. Neben den Beiden stand ein pflichtbewußter, dolmetschender Betreuer, nur dazu da war, ihnen alle Wünsche von den Lippen abzulesen. Vor allem Marcelinho hatte es uns Wartenden sofort angetan: extra für Hertha hatte er sich seine kurzen Stoppelhaare blondiert (so etwas dürfen wirklich nur Fußballer!) und strahlte über das ganze Gesicht. Denn so sehr sich die beiden Brasilianer mit ihren maßgeschneiderten Anzüge und ihren edlen Accessoires (echte Rolex-Uhren, dicke Goldketten, edelste Schuhe usw.) Mühe gaben, sich den Touch der Haute Volée zu geben, so spürte man aus jeder Pore ihres Körpers die schalkhafte Freude, die sie verspürten, weil sie es geschafft hatten, auf der anderen Seite der Welt reich und berühmt zu werden, nur weil sie mit einem Ball all das tun können, was ich eben nicht damit tun kann. Vor lauter Übermut fing Marcelinho sogar an, mit einer leeren Wasserflasche durch Alves Beine zu dribbeln. Ihn bat ich, als Einzigen, um ein Autogramm.
Trainer Jürgen Röber, ein echt scharfer Hund, war wohl schon vorgeflogen, jedenfalls war die Stimmung der Mannschaft sehr ausgelassen und fröhlich, wie vor einer Klassenfahrt in der Mittelstufe. Und während sich die Betreuer um das Einchecken ihrer Gladiatoren kümmerten, wurde in der Mannschaft viel gewitzelt und allerlei pubertäre Späßchen gemacht - sich gegenseitig Kaugummipapierchen in den Kragen gesteckt, Taschen versteckt, Unanständiges ins Ohr geflüstert und dreckig gelacht usw. usf. Etwas mehr Ruhe kam erst auf, als Mannschaftskapitän Michael Preetz dazu stieß, den man wohl gesondert zum Flughafen gebracht hatte. Wie sich das für ein echten Kapitän so gehört, begrüßte er jeden Spieler mit einem vertrauten Kinn-nach-oben-Nicken und Augenzwinkern. Den neuen Brasilianer bedachte er sogar mit einem Handschlag. Dann ging er zu den Betreuern und redete mit ihnen über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. So sah es zumindest von Ferne aus.
Zu guter Letzt, wir standen bereits im Bus, der uns zum Flieger bringen sollte, und die normal Sterblichen taten allesamt so, als ob sie täglich mit einer Bundesligamannschaft fliegen würden, (um sie dann aber doch über die Seiten der Financial Times hinweg unverschämt anzuglotzen - ich habe wenigstens offen geglotzt), gab es noch mal richtig Aufregung und von Ferne hörte man so etwas wie leises Kreischen. Kurz drauf hechtete Sebastian Deissler in den Bus (Basti Fantasti, Hoffnung der Nationalmannschaft und Schwarm aller Mädchen zwischen Zinnowitz und Reit im Winkl) und schon fuhr der Bus eilig aufs Rollfeld. Michael Preetz, ganz Übervater, legte einen Arm um Basti und nickt ihn mitfühlend zu. Doch Basti antwortete ihm: ³Ach, ist doch auch ganz schön!' und lächelte ihn verschmitzt an. Jaja, was wissen wir Durchschnittsnasen schon von der Lust und der Last, mit Anfang Zwanzig ein echtes Sexidol zu sein...
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