Ich wollte nach hause, weil ich hackenstramm war, habe aber die Bahn verpasst und musste eine Stunde warten. Die nächste offene Kneipe war die 'Keule', die genauso ist wie sich der Name anhört. Da es schon nach 3 Uhr war, hatte die Stimmung ihre Höhepunkt schon vor längerem überschritten; und auch die Gäste hatten schon bessere Zeiten gesehen. Ein Tisch war voll mit abgetakelten Fregatten, die selbst beim Restevögeln übrig geblieben waren. Man trank nur noch mit halber Kraft 'Kleine Feiglinge' und spielte nur noch lustlos das 'Kümmerling'-Spiel (auf der Unterseite jeder Flasche ist eine Nummer. Wer die niedrigste hat, muss die nächste Runde zahlen). Ein Mann saß alleine, erhob sich und bewegte sich mit schwerem Schritt auf die Damenrunde. 'Hallo, ich bin der Werner', und setzte sich zu den durchaus nicht abgeneigten Schnapsdrosseln. Werner war früher sicher mal ein Frauentyp, sah aber so verwittert aus, dass man sein Alter kaum zu hoch schätzen kann; wahrscheinlich aber war er erst Mitte 50. Aber die Stimme! Die kannte ich, und ich erschrak, dass 'Werner' so heruntergekommen war, um hier noch alternde Kegelschwestern klarzumachen. Man sah ihm auch an, dass er sich selber dafür hasste. Jetzt frage ich mich: Hasst er sich mehr in der Rolle als 'Werner', oder mehr in der Rolle, in der wir alle ihn kennen und verachten, weil er seit 20 Jahren, lächerlich verkleidet, immer nur den einen Hit dudeln muss, den er mal hatte? 'Werner' heißt übrigens bürgerlich wirklich Werner.
Tristram fragt: Wer war's?
Wer's errät, darf sich was wünschen!
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