1984 war ich zehn Jahre alt. Meine Eltern haben Urlaub in Amerika gemacht, und so lange waren mein kleiner Bruder und ich bei unseren Grosseltern untergebracht. Nach sechs Wochen dann der grosse Tag: Mein Opa und ich nach Hamburg zum Flughafen, um die Eltern wieder abzuholen. So genau kann ich mich an das bestimmt glueckstraenenreiche Zeremoniell nicht mehr erinnern, weiss aber noch genau, dass mein Vater mir sagte, Helmut Schmidt sei mit ihnen im selben Flugzeug gekommen; dahinten sitze er, ich solle doch hingehen und mir ein Autogramm holen. Das tat ich dann auch, auf einer Visitenkarte meines Opas. Ich war unheimlich stolz, auch wenn ich - als Zehnjaehriger - H. Schmidt sicherlich noch nicht gleichermassen zu schaetzen wusste, wie ich es heute tue. Auf dem Weg zum Auto sagte mein Opa mir, er wolle die Karte lieber einstecken, bevor ich sie irgendwo unterwegs verliere. Ich gab sie ihm anstandslos. Natuerlich waren die Mitbringsel aus Amerika viel spannender als das Autogramm, und als ich meinen Opa Tage spaeter darauf ansprach, war es angeblich 'leider mitgewaschen worden' und fuer immer verloren. Ich war bestimmt kurz traurig, vergass die Geschichte aber dann. Jahre spaeter fiel sie mir wieder ein - in meinen 'wilden' Jahren, als ich mit meiner Familie unfruchtbare Diskussionen fuehrte, in denen ich als einziger den Kommunismus verteidigte und sich mein Opa als stockkonservatives CDU-Mitglied entpuppte, das selbst in der Sozialdemokratie das Antlitz Moskaus lauern sah. Bis heute werde ich den Verdacht nicht los, Helmut Schmidts Autogramm ist nicht zufaellig mitgewaschen worden... Aber spreche ich meinen Opa heute darauf an, kann er sich natuerlich nicht erinnern, H. Schmidt jemals auf irgendeinem Flughafen begegnet zu sein.
Was gaebe ich jetzt dafuer, statt der doofen Micky-Maus-Schirmmuetze diese eine Visitenkarte als Erinnerung an die Rueckkehr meiner Eltern zu besitzen.
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