Meine Begegnung mit Bernstein dauerte dreieinhalb Stunden und liegt 15 Jahre zurück. Sie ist mir dennoch sehr gegenwärtig, weil ich um eine professionelle Partyerfahrung bereichert wurde. Es war ein Halloween-Fest und man sagte, daß Bernstein im Laufe des Abends erscheinen würde. Dies geschah auch, und Lennie Bernstein erschien im Jogging-Anzug mit drei smarten Jungs in der Wiener Privatwohnung eines Rechtsanwalts, die biedermeierlichen Charme zwischen Lifestyle und Lebensart versprühte. Der Maestro selbst verbreitete legere Faszination und machte von sich nicht viel Aufhebens. Er war den Gastgebern und einigen wenigen ihrer Freunde bekannt, dem Rest des Halloween-Publikums nicht. Seine von mir seither bewunderte Sozialmagie bestand darin, in der - nicht gerade weitläufigen -Wohnung nur mit IHM bekannten Personen Blickkontakt herzustellen, sonst mit niemandem - ohne allerdings diesen anderen, ihm unbekannten Personen das Gefühl zu geben, er würde sie ignorieren. Diese große gemeinschaftsstiftende Geste, die einfach ausschloß, mit Bernstein durch eine Zufallsbegegnung bekannt zu werden, verdient Bewunderung. Hielt er doch eine Distanz aufrecht, die jedem Anwesenden das Gefühl gab, dem Meister nahe gewesen zu sein, ohne jene Peinlichkeiten produziert zu haben, die demjenigen widerfahren wären, der geglaubt hätte, der private Rahmen würde zugleich eine persönliche 'Brücke' zum Star garantieren. Dieser verhielt sich völlig korrekt, scherzte mit seinen Wiener Freunden als wäre er mit ihnen allein und verließ die Party als wäre er der Nachbar von nebenan. Sicherlich ist meiner Aufmerksamkeit entgangen, daß Bernstein ein bis zwei ihm unbekannte Personen dennoch angesprochen hat, was der Wichtigkeit meiner Erfahrung mit einem Prominenten keinen Abbruch täte, wenn es der Fall gewesen wäre.
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