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Thema: Hussein der I. von Jordanien

  1. #1
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    Hussein der I. von Jordanien

    Ich erinnere mich an die verrauschten und entfernten Stimmen, die mich im unteren Stockwerk unseres Paidi Bettes Nacht fuer Nacht in den Schlaf sangen. Mein grosser Bruder sass im Schlafanzug und mit angezogenen Knien am Schreibtisch vor einem Grundig Weltempfaenger in dem ferne Kontinente und das Weltall zusammenkamen. In manchen Naechten war Australien durch den Sonnenflecken erhellten Aether so klar zu hoeren als spreche jemand aus dem Reihenhaus nebenan. In anderen musste der vielfach mechanisch untersetzte Kondensator mit dem Fingerspitzengefuehl eines Bombenentschaerfers gedreht werden um die zarten Stimmen ueber das statische Rauschen der Atmosphaere zu heben. War eine einmal eingefangen so bewirkte die kleinste Variation der elektro-magnetischen Frequenz auch eine Aenderung der akustischen, die Modulation von einem tiefen Bass zu einer schnarrenden Kopfstimme. Samstags fuhren wir unsere Fahrraeder zu Haeusern auf deren Daechern wir Yagis, Quads oder einfache Rundstrahlantennen ausgemacht hatten. Maenner in kurzen Hosen, Kinnbaerten und Sandalen oeffneten und zeigten uns stolz ihre in Keller und Mansarden gebauten Funkstationen.

    Als die Klassenkameraden in der B-Jugend kickten, machte mein Bruder bereits die A-Lizenz um selbst funken zu koennen. Er baute einen Mikrowellensender, schloss ihn an eine IKEA-Loft-Lampe an (geschaetzt wegen ihrer perfekten Paraboloiditaet) und zielte damit auf den Mond, der als Bande den elektro-magnetischen Strahl weit ueber den Horizont hinaus lenkte. Das Wort Nerd gab es noch nicht, Technik war nicht in Mode und die nicht gewussten Fussballergebnisse vom Wochenende setzten Pruegel. Erst in der Fachhochschule der Deutschen Bundespost, die damals noch fuer alle Telekommunikation verantwortlich war und folgerichtig auch Nachrichtentechnik lehrte, wurde es besser. Es gab Gleichgesinnte und sogar eine gut ausgeruestete Clubstation. In dieser trug sich folgendes Ferngespraech zu:

    DK4RS: CQ DX, this is DK4RS, CQ DX.
    JY1: QRZ DK4RS, this is JY1 from Jordania.
    DK4RS: QRZ? What is your suffix?
    JY1: This is JY1 from Jordania.
    DK4RS: JY1, what is your suffix?
    JY1: JY1 from Jordania is calling.
    DK4RS: Please give me your suffix.
    JY1: This is JY1 from Jordania.
    DK4RS: Please repeat your name. What is your suffix?

    Dann war er weg. Jedes internationale Rufzeichen besteht aus einem Laendercode, einer Zahl und einer Buchstabenendung. Mein Bruder glaubte mit einem Schwarzfunker oder sonst wem zu tun zu haben. Aber ein Koenig verfuegt ueber allerlei Privilegien. Eine QSL Karte von JY1 war eine der begehrenswertesten Trophaen im Leben eines Funkamateurs.
    Geändert von maldoror (12.04.2007 um 20:47 Uhr)

  2. #2
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Es kommen ja im Moment wieder eine ganze Menge guter Geschichte. Diese ist wunderschön aussergewöhnlich.

  3. #3
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    Ja, sehr schoen.

  4. #4
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Dabei fällt mir ein. dass ich sowas früher auch mal gemacht habe. Also nicht Kurzwellensenden, sondern mittels Weltempfänger abhören. Mein Vater hatte sich einen sündhaftteuren Grundig Weltempfänger besorgt, mit allem Schnickschnack. Er hatte so ein riesiges Einstellrad und eine digitale Bandanzeige. So konnte man auf ein hunderstel genau einen Sender einstellen. Mitgleifert wurde von Grundig ein dickes Buch in dem alle Radiostationen der Welt aufgelistet waren. Da stand dann sowas wie: "Radio Tripolis/12 Watt" und die Sendezeiten. Fand man natürlich nie, die Sender, und an Sonnenflecken habe ich nicht gedacht. Dennoch machte es ein abartiges Vergnügen ganze Nächte vor dem Ding zu hocken, das Einstellrad einen halben Millimeter weiter zu drehen, in der Hoffnung endlich Radio Kinshasa rein zu bekommen. Wirklich gut bekam man allerdings nur diese Frauenstimme rein, die auf Langwelle endlose Zahlenkolonnen vorlas. Stundenlang sagte sie "234 356 567". Das war ein DDR Sender, der dort die neusten Codes/Anweisungen/Befehle durchgab. Lesbar natürlich nur mit einem passenden Schlüssel, den die Agenten in der BRD hatten. Aber die Propagandasender beider Seiten funktionierten damals immer noch prima. Schade, das es die nicht mehr gibt.
    Wenn ich es mir recht überlege, dann waren die Funker/Kurzwellenabtaster auch nichts anderes, als wir Irren heute, die nächtelang vor dem Rechner sitzen um eine obsukre Seite zu finden.
    Geändert von DonDahlmann (12.08.2002 um 18:12 Uhr)

  5. #5
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Wie geil ist das denn? Eine QSL-Karte vom Jordanischen König? Jesus.

    Digital Immigrant

  6. #6
    Coincidentia
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  7. #7
    Member Avatar von Ludwig Gausewohl
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    Heiho! So also funktionierte Kommunikation, bevor mein Bewusstsein erwachte: Menschen saßen in Mansarden oder, wie hier, auch in Palästen und Villen, und bepiepsten einander mit Funkgeräten. Und selbst wenn das noch keine sinnvolle Kommunikation ergab, dann schickten sie einander hernach eine hübsche Postkarte, auf der sie lediglich den Kontakt bestätigten. Rattenscharf! Vielleicht hattest du, maldoror, auch Gelegenheit mit JY1 über Menschenrechte und den Nahost-Friedensprotest* zu diskutieren, willst es uns aber aus Diskretion gegenüber dem Funkfreund nicht verraten.

    (*frei nach Hermes Phettberg: bleibender Tippfehler! Das ist natürlich der Friedensprozess)

    A propos Haschemitenherrscher: Da fällt mir doch glatt eine paparazzifähige Begegnung ein, die ich hier gleich mal aufschreiben will. Hussein, besagter JY1 wie wir nun wissen, hatte als Nachfolger über Jahrzehnte einen jüngeren Bruder vorgesehen, weil die eigenen Kinder aus den diversen Ehen noch nicht zur Thronreife herangereift waren oder aus Intrigen, was weiß ich. Erst auf dem Sterbebett verfügte der Alleinherrscher eine neue Thronfolgeregelung, die den heutigen Monarchen Abdullah II an die Spitze setzte. Der Bruder, dessen Name mir partout nicht in Erinnerung kommen mag, wurde per königlichem Brief und dem Vorwurf von allerlei Mauschelei abserviert, aber zumindest nicht erschossen. Da er weiterleben durfte, war er auch fürderhin physisch erlebbar, und das sieht außerhalb westlicher Menschenrechts- und Demokratieduselei so aus:
    Ammann, sechs- oder achtspurige Hauptverkehrsstraße am Römischen Theater, Tausende von Menschen wuseln auf dem angrenzenden Gehsteig, so auch ich als Tourist. Plötzlich kommen mir im dichten Gedränge Soldaten mit Maschinenpistolen im Anschlag entgegen. Sie laufen um einen dicklichen Mann herum, der jovial wildfremden Menschen die Hände schüttelt (die Details innerhalb des Sicherheitsringes unterscheiden sich kaum von einem westlichen Politiker auf Wahlkampfreise: Jede Oma, jedes Baby, etliche Hände werden gedrückt). Ich erkenne den Mann als den Beinah-König von Jordanien, Prinz weiß-nicht-mehr. Am äußeren Rand der Blase schubsen die schätzungsweise zehn Soldaten mit Maschinenpistolen die Fußgänger brutal zur Seite; auch auf die Straße mit dem mörderischen Rush-Hour-Verkehr. Auch ich entgehe knapp dem Verkehrstod in Ammann und entferne mich trotz Schaulust raschen Schrittes aus der feudalen Aura seiner königlichen Hoheit, um nicht versehentlich in eine Schießerei oder doch noch unter einen LKW zu geraten. Später habe ich auf dem angrenzenden Markt noch pima Raubkopien westlicher Markenkleidung ergattert.

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