fucking different new york! zwölf kurzfilme im panorama. irgendwie hatte ich anderes erwartet. im ersten film werden hände massiert, im zweiten robbt sich eine fette rothaarige frau auf dem boden und nähert sich der vagina einer asiatin mit einem messer, im dritten besorgen es sich schwule bärtige playmobilfiguren gegenseitig, im vierten führt ein alter mann seinen kumpel angeleint am luganer see spazieren, beim fünften verliere ich langsam das interesse. wir entschließen uns das kino zu verlassen und machen platz für die teddy-jury, die zuvor auf der treppe gesessen hat.
leicht deprimiert vom dritten reinfall der diesjährigen berlinale, gehen wir ins vapiano. mein freund g. eröffnet mir bei einer cola, dass er eine einladung für den empfang im ritz nebenan hat und überredet mich mitzukommen. dass die dame am counter mich nicht reinlassen will, weil ich nicht auf ihrer liste stehe, und g.s einladung nur für eine person gilt, kann ich nur zu gut nachvollziehen. irgendwie passe ich in meinen jeans, den braunen reiterstiefeln und der daunenjacke auch nicht wirklich in diese ansammlung von abendgarderobe. ich bin eigentlich ganz froh, dass ich gehen darf. da kommt eine zweite dame, macht mir ein rotes bändchen um das handgelenk und sagt „na, da wollen wir mal zwei augen zudrücken.“ na danke.
wir gehen die treppe rauf und sehen den cast von goodbye bafana. joseph fiennes ist sehr schmal und kahlrasiert. wüsste ich es nicht besser, ich würde ihn dem deutschen wettbewerbsbeitrag „die fälscher“ zuordnen. wir gehen in den nächsten saal und sind irritiert: sechs weiße pudel sitzen links neben der leinwand. einer ist sehr dick, dicker als die fünf anderen. vier von ihnen tragen fliederfarbene glitzerjacken und stellen sich bei genauerem hinsehen als die jacobsisters heraus. dieser anblick ist tausend mal beeindruckender als der von joseph fiennes, nur scheint das sonst niemand zu bemerken.
g. kommt zurück und erzählt von einem großen hallo auf der toilette. von draußen hörte er schon debiles gelächter. trotzdem ging er hinein. das licht war ausgefallen und die ganzen männer, die nun für einen kurzen augenblick unbeobachtet waren, rissen eine zote nach der anderen. „ach, deshalb heißt das hier ritz. hohoho!“ , „dass die im ritz einen darkroom haben, hätte ich gar nicht gedacht! hohoho!“ es ging wohl hoch her auf der herrentoilette.
aber das ist alles nichts gegen das schauspiel, das nun anfängt. ich entdecke august zirner auf der galerie. vielleicht muss ich kurz sagen, dass ich männer mit traurigem blick mag. kurzum, seit jahren schwärme ich ein bisschen für den herrn zirner, den mann mit dem zweitschönsten traurigen blick der welt. er scheint etwas zu suchen. hilflos schaut er sich um. er geht zur treppe vor, dreht sich, geht wieder ein paar schritte zurück, dreht sich wieder in die andere richtung. dabei hat er einen so hilflosen gesichtsausdruck, dass sich meine schwärmerischen gefühle zu mütterlichen wandeln. zu allem überfluss geht er auch noch „über den großen onkel“. verzweiflung steht ihm ins gesicht geschrieben. er geht wieder ein paar schritte, bückt sich, um ins foyer gucken zu können. er geht wieder ein paar schritte zurück, holt sein handy aus der tasche schaut drauf, steckt es wieder ein. immer wieder schaut er eine hostess vom ritz hilflos an. irgendwann fragt sie ihn etwas, er schüttelt den kopf und geht wieder ein paar schritte zurück. dann scheint es kurz, als habe er eine idee, er geht zielstrebig richtung treppe, kurz vor der ersten stufe bleibt er wieder stehen, dreht sich um und geht wieder ein paar schritte zurück. der arme mann scheint ohne drehbuch völlig aufgeschmissen zu sein. slapstick vom feinsten. vielleicht wäre das alles gar nicht so lustig, würde es nicht eine halbe stunde in wiederholungsschleife laufen. als ich kurz davor bin hinzugehen um zu fragen, ob ich ihm vielleicht helfen kann (ich halte es einfach nicht aus, mittlerweile beobachten sechs menschen amüsiert sein hilfloses treiben) geht er die treppe, die er zuvor schon ein, zwei mal bis zur hälfte geschafft hatte, ganz bis zum ende und verschwindet aus unserem blickfeld.
wir müssen uns auf den weg machen. der nächste film fängt bald an. unten kommt uns der suchende wieder entgegen. er hat jetzt einen mantel an und geht zur treppe: weiter geht’s!
eine halbe stunde später sehe ich ihn in den berlinale-palast kommen. er sieht etwas geschafft aus. im film spielt er einen arzt und geht nicht über den großen onkel. und erst jetzt wird mir bewusst, was für ein großer schauspieler august zirner ist.
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