Als ich sehr jung war, las ich einmal in der Zeitung, daß der letzte Veteran des amerikanischen Bürgerkriegs, natürlich uralt, gestorben war. Ich fand das sehr traurig. Viel später erklärte mir Herr Sartre: Und die Toten, die nicht gerettet und an Bord der konkreten Vergangenheit eines Überlebenden transportiert werden konnten, sind nicht vergangen, sondern sie und ihre Vergangenheit ist vernichtet. Genau, das war es, und das war auch das Traurige daran. Wenn der letzte Zeuge stirbt, dann ist das Ereignis auch tot.
Die 99jährige Lillian Asplund, letzte lebende Überlebende der Titanic, ist jetzt gestorben. Sie habe sich nie in der Öffentlichkeit über das Unglück geäußert. Sie war zeitlebens unverheiratet und arbeitete bei einer Versicherung.
Es gibt Große Geschichten, wenige Ganz Große Geschichten und selten wenige Sehr Ganz Große Geschichten. Mir würde es genügen, wenigstens jemanden zu treffen, der bei einer sehr ganz großen Geschichte dabei war oder ihre Helden mal kennenlernte. Meine eigene Bilanz ist schmal. Ich habe alle lebenden Bundeskanzler bis auf Gerhard Schröder gesehen. Bis auf Helmut Schmidt, den ich fast einmal umgefahren habe, dürften das eher Protagonisten mittelgroßer Geschichten sein. Über Bande ist es etwas besser. Ich lernte mal jemanden kennen, der öfter mal einen gewissen Herrn Hitler gesehen hatte, bevor der bekannt wurde. Ich kenne einen, der Fußball gegen einen gespielt hat, welcher mal gegen Pele spielte. Ein anderer erzählte mir mal, einem Soldaten namens Elvis Presley ein Lexikon verkauft zu haben (für Realschüler). Das ist alles nicht viel.
Mit Lillian Asplund ist jetzt meine letzte Chance verstorben, einer Zeugin der Sehr Ganz Großen Geschichten kennenzulernen. Aber Neil Armstrong ist noch am Leben, glaube ich, und links und rechts auf dem Weg des Herrn Kennedy standen ja viele Leute. Und an Bord der konkreten Vergangenheit der beiden Türme stehen wahrscheinlich noch Tausende. Nur die Titanic, die ist jetzt wirklich tot, und das ist wieder sehr traurig.
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