Gestern saß ich in einer Hannoveraner Bar und wartete auf eine Verabredung, als Ewald Lienen und Michael Frontzeck das Lokal betraten. Sie nahmen an einem Tisch unweit meines Barhockers Platz und Lienen begann sofort, einen Notizblock mit allerlei Symbolen, Pfeilen und ähnlichem Trainer-Taktik-Gedöns vollzumalen. Dazu trank er Tee, Frontzeck hingegen rauchte, sah unwahrscheinlich gut aus und nickte zu den Krakeleien und Erläuterungen Lienens ergeben. Er behandelte ihn wie einen Greis, dem man seine wirre Sichtweise auf Leben und Welt nachsieht, sie stoisch abnickt, um dann selbstverständlich doch alles anders zu machen als aufgetragen. Frontzeck konnte den Ausführungen Lienens ohnehin nur schwer folgen, denn für ihn stand der Block auf dem Kopf, er gab sich daher auch kaum Mühe, einen Blick darauf zu werfen, quarzte dafür eine nach der anderen und kratzte sich die Brust. Dann begann Lienen, mit seinem rechten Arm zu fuchteln, streckte ihn immer wieder ruckartig quer über die Tischplatte vor, so als wolle er Frontzeck offensiv die Hand zum Gruß anbieten. Offenbar wollte er einen Laufweg oder eine Ballrichtung verdeutlichen. Nun kam Leben in seinen Ko-Trainer. Frontzeck war offenbar nicht einverstanden. Seinerseits bewegte er seinen Arm nun ruckartig vor - allerdings seinen linken - und streckte ihn Lienen entgegen, zunächst zögerlich, dann wiederholt und energisch. Frontzeck plädierte offenbar für eine andere Richtung. Lienen hielt dagegen und so saßen sich die beiden Männer eine lange Weile gegenüber, wie zwei blinde Clowns, die sich die Hände schütteln wollen. Schliesslich wurde es Lienen zu bunt. Er stand auf, stellte sich seitlich neben den Tisch und zeigte auf seinen Fuß. Dort sollte sein Ko-Trainer offenbar einen Ball imaginieren. Nun zeigte Lienen in die Tiefe des Barraumes, nahm einen Schritt Anlauf und schlenzte den unsichtbaren Ball in Richtung der Toiletten. Während sein Schussbein noch ausschwang, fror er seine Bewegung ein, das Standbein fest auf dem Boden, das Schussbein vor dem Rumpf in der Luft schwebend, ein Tipp-Kick-Männchen, dessen Kopfpinökel man nicht loslässt. In dieser Position hörte man ihn "Und jetzt folgendes!" sagen und dann wiederholte er die abrupte Armgeste. Das hat Michael Frontzeck dann verstanden und als die beiden gingen, sagte er "Der Wolfgang bereitet das dann morgen um 13:00 Uhr für Dich vor."
Dann kam Irm Hermann, mit der ich verabredet war und ich sagte: "Weißt Du, wer das war, Irm, der da gerade hinaus ging?" Und sie sagte: "Selbstverständlich nicht." Besser kann man das nicht formulieren.
PS: Lienen fährt einen dunklen VW mit dem Kennzeichen H-SV, was ich zumindest bemerkenswert finde.
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