Mein Vater erzählte oft in geselliger Runde von seiner einzigen persönlichen Begegnung mit Heinz Erhardt. Dabei hatten beide den kürzesten Dialog, den es geben kann.
Es war vor genau 50 Jahren. Mein Vater studierte in Hamburg und fuhr, wie üblich, am Freitag gegen Abend gen Bremen, um das Wochenende in heimatlichen Gefilden zu verbringen.
Im Dammtor-Bahnhof stieg er ein, saß zunächst allein im Abteil. Im Hauptbahnhof stieg ein etwas schusselig wirkender Herr mittleren Alters zu, Typ Pygniker mit lichten Momenten auf dem Haupte, Köfferchen in der Hand. Sein Kopf saß etwas schief auf dem gedrungenen Rumpf. Der Zusteiger nickte und lächelte sparsam, aber recht freundlich. Vater nickte zurück und lächelte auch. Dann setzte sich der Unbekannte, holte ein Buch heraus und las darin, unentwegt. Vater schaute den Mitreisenden neugierig an: Könnte das nicht Heinz Erhardt sein, so wie er sein Profil von Litfasssäulen her zu kennen meinte? Er muss ihn minutenlang auffällig unauffällig fixiert und taxiert haben. Erhardt merkte das offenbar, blickte ihn spitzbübisch und schiefköpfig an und sagte dann nur: "Stimmt!" - "Danke!", gab mein Vater kopfnickend zurück. Dann versenkten sich beide wieder in ihre jeweilige Lektüre. Bevor sie in Bremen den Zug verließen, lächelten sie sich noch einmal verständnisinnig an und nickten sich zu.
Das war die einsilbige Begegnung eines kleinen Studenten mit einem großen Wort-Akrobaten, der abends im Bremer "Astoria" die Menschen faszinierte: humorvoll, kauzig, besinnlich, liebenswürdig und hintergründig.
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