Ich habe einmal in einer Werbeagentur gearbeitet. Der Chef dieser Agentur bemerkte eines Tages eine Anzeige in der „Zeit“: Hermes Phettberg, in finanziellen Nöten, bat unter Angabe seiner Kontoverbindung um Almosen geneigter Mäzene. Mein Chef überwies ihm ohne zu zögern 200 Mark. Er bekam prompt ein zwanzigseitiges Dankes-Fax von Phettberg mit dem Schluss, dass, egal was, Phettberg alles für meinen Chef tun würde, wenn er ihm einmal helfen könne.
Mein Chef schwieg und machte einfach weiter Kohle mit seiner Agentur.
Etwa ein Jahr später hatte mein Chef Geburtstag und für die Feier eine Suite in einem Nobelhotel gemietet. Es sollte eine dekadente, bizarre, exzessive Party werden, die niemand je vergessen würde. Und hier kam Phettberg ins Spiel. Mein Chef bat ihn, sich nackt auf dem Klo anketten und von den Gästen auspeitschen zu lassen. Ein guter Plan. Phettberg, ein Mann von Ehre und Prinzipien, erklärte sich bereit dazu.
Was passierte war, dass alles perfekt nach Plan lief: Der nackte Phettberg angekettet unterm Marmor-Waschbecken, die Peitsche und so weiter. Aber der Wirt hatte die Rechnung ohne seine Gäste gemacht. Anders als er waren sie fast allesamt Kinder aus dem Herzen des Mittelstandes. Und wenn man die auffordert, auf dem Klo einen wehrlosen, nackten Fleischklops zu peitschen, dann hakt bei ihnen die CD. Unter dekadent stellen sie sich eher vor, dass jemand mit Champagner rumspritzt. Betreten standen sie in dem geräumigen Bad. Ein paar peitschten wohl, angestachelt vom Chef, mit der neunschwänzigen Katze ein bisschen lustlos auf Phettberg rum. Aber sie schämten sich dann sofort dafür, und noch mehr für ihren Chef. Alles in allem war das Ganze eher ein Reinfall. Vielleicht wäre ich doch lieber dabei gewesen.
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