Es gab auf der Budapester Strasse in Berlin eine Säule, auf der hinter Glas der noch nicht allzu sehr gealterte Harald Juhnke mit verhangenem Lächeln für ein China-Restaurant warb. Vor sich hatte er, wenn ich mich recht erinnere, eine Peking-Ente und seine einladende Haltung sollte zum Lokalgang animieren. Dieses Plakat hing dort jahrelang und jahrelang atmete, wer an ihm vorbeiging, den versammelten Provinzmief eines zutiefst verspiessten West-Berlin ein, das von Bowie längst verlassen und von der Neuen Mitte noch nicht erreicht war. Das Plakat brachte unwillentlich alles auf den Punkt, wofür man das Bolle-Berlin der späten 80er-Jahre hassen musste. Zudem war es angebracht an einer der hässlichsten und zugigsten Ecken der Stadt, es war ein Plakat aus der Hölle, es machte einen amok.
In der Nähe befand sich ein sehr preiswerter Buchladen. Den hatte ich gerade verlassen, als ich mich der verseuchten Säule näherte und aus ihrem Schatten Dieter Hallervorden trat, beim Gehen in den Tagesspiegel vertieft.
Das Bild dieser zwei, Juhnke und Hallervorden, der eine vor der gegrillten Ente, der andere hinter seiner Zeitung, vereint im Schatten der Gedächtniskirche, das ist ein Bild, das man malen lassen müsste und es dann dem Museum für Deutsche Geschichte stiften. Und wenn einen dann die Kinder fragen, wie es denn war, in Berlin, so kurz bevor alles ganz anders wurde, dann deutet man lässig auf den gerahmten Schinken und murmelt: „Ziemlich genau so“ und die Kinder werden versteinern vor Entsetzen und man wird sie düster anschauen und „Palimpalim“ raunen, man darf aber nicht erwarten, dass sie das verstehen.
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