Einmal im Jahr besuche ich meinen grossen Bruder in New York. Er ist
Fotograf und fotografiert fast ausschliesslich Beruehmtheiten. Er bleibt
immer gelassen, waehrend ich total aus dem Haeuschen bin: "Wieso, findest du
Britney Spears so toll?" fragt er mich dann ...
Wenn ich komme, nimmt er mich manchmal mit auf seine Fotoshoots. Diesmal
ist es der "Mr. and Mrs. Olympia Competition" in Las Vegas, der groesste
Body-Building Wettbewerb der Welt. "Du musst mir helfen, die Leute zu
rekrutieren", sagt mein Bruder am Telefon, "ich will so viele fotografieren
wie moeglich".
Las Vegas ist ein einziger grosser Spiele-Porno; einmal spielen auf
franzoesisch in 'Paris', einmal spielen auf italienisch im 'Caesars Palace',
einmal 'slut-maschine' in New York und dann roulettieren wie die alten
Aegypter in den Pyramiden...
Was zaehlt, ist, was man sieht und was man folglich hat oder nicht hat. Und
in diesem Fall hat man Muskeln oder man hat sie nicht, hat falsche Titten,
Six-Pack Baeuche und Baumbeine oder hat, wie ich, einen weichlichen
alternden Koerper, mit dem man sich einigermassen frei bewegen kann, ohne
Angst, dass die Implantate sich verschieben oder sich nicht buecken kann,
weil die Muskelanordnung das nicht mehr zulaesst.
Die Profi-Body Builder, die hier aus der ganzen Welt antreten, halten alle
dieselben Regeln ein: sie hungern sich Muskeln an. Gegessen werden ca. 140
Kilokalorien am Tag, so viel, wie das Gehirn zur
Mindestfunktionstuechtigkeit benoetigt. Das kann schon mal daneben gehen.
Als ich zwei Frauen, die zum Fotografieren antreten, nach ihrem Namen frage,
stutzt die eine und sagt; "Der Tag war so anstregend, ich bin gerade
verwirrt." Die andere gibt ihr den Tip: "Du hast doch deine Business Karte
in der Tasche, hole sie raus und schaue drauf". Ihr faellt dann doch noch
der richtige Name ein, weil sie ihre Visitenarte vergessen hat. Ich bin
beeindruckt. Drei Tage vor Wettbewerbsbeginn trinken die BB's nicht mal
mehr einen Schluck Wasser. Durch die Dehydrierung treten die Muskeln
deutlicher zu Tage, bekommen einen scharfen Umriss, die Venen treten hervor.
Die Wangenhoehlen fallen ein. Da es keine Drogenkontrolle im Body Building
Bereich gibt, wird hier kraeftig zugelangt. Die Frauen sehen aus wie Drag
Queens, die gerade gelernt haben, wie man Make-up macht (oder noch dabei
sind es zu lernen). Dabei wollen sie aber Maennern imponieren, lesbisch sind
sie meistens nicht. Wenn sie die Hotel-Promenade von einem Casino zum
anderen entlang schreiten, bleiben alle Frauen stehen und machen sich ueber
die Frauen lustig, die mehr Muskeln haben, als alle ihre Ex-Maenner und
Ex-Freunde zusammen. Da die BB von ihrem 'Sport' nicht wirklich leben
koennen, gehen sie sonst einer regulaeren Beschaeftigung nach; Rosemary
Jennings z.B. ist Sekretaerin im Vorzimmer des Chefs. Vielleicht
macht er krumme Geschaefte und falls ihm mal einer an den Kragen will, an
ihr traut er sich bestimmt nicht vorbei... Lenda Murray, die amtierende Mrs.
Olympia, hat nur 2 % Koerperfett (so viel habe ich allein in meinem
Doppelkinn). Sie kommt mit ihrem reizenden Mann, er schmiert sie mit glaenzendem Body-Paint ein. Er kuemmert sich um sie wie um ein riesengrosses gefaehrliches Baby. Wenn man die meisten Maenner fragt, finden sie, dass Frauen, die aussehen wie Maenner, nicht attraktiv sind. Ich sage Mrs. Olympia, dass ich sie ausgesprochen huebsch finde, sie freut sich sehr, "die meisten finden mich ja haesslich", sagt sie. Ihr Mann nimmt seine uebergrosse Frau, die ausssieht wie Herkules oder eine griechische Statue, etwas umstaendlich in seine Arme. "Arnold kommt wohl heute abend"' sagt Mrs. Olympia ploetzlich gluecklich, als kaeme eine ganze Armee, um sie vor den boesen Blicken der verweichlichten Menschen zu beschuetzen. Mrs. Olympia ist naemlich auch "Mrs. Arnold", der zweitgroesste BB Wettbewerb der Welt heisst "Arnold classics".
Mrs. Olympia verraet mir, dass die meisten Body Builderinnen davon
leben, dass sie "Personal Work-Out" machen: Ueber das Inernet melden sich
Maenner, die fuer 200 $ die Stunde zuschauen, wie sie ihre Muskelposen machen und vor ihnen Gewichte stemmen. Dabei holen sie sich dann einen runter.
Mrs. Olympia aus California erwaehnt nebenbei, dass sie ja auch Arnold
gewaehlt habe, als Gouverner. Schliesslich sei er so ein netter Kerl. Und fuer die Body Building Welt haette er bahnbrechendes geleistet. Als dann am Abend in einem "Raum" des Hotels, in den 15.000 Leute passen, die 'finals' stattfinden, kommt ploetzlich Arnold auf die Buehne. Die Leute flippen aus. Gerade eingeflogen, den Hubschrauber haben wir noch gesehen. Arnold ist leider ueberraschend spontan und witzig - er lockert die sonst sehr versteifte Veranstaltung auf und macht sich ueber den Vortragenden lustig, indem er alles in eine merkwuerdige Taubstummensprache uebersetzt. Die Leute rechts und links von mir springen von ihren Sitzen und die Halle mit lauter Menschen, deren Gehirnfunktion sich am unteren Existenzminimum befindet, bruellt einhellig: "Arnold for President, Arnold for President".
Lesezeichen