Im Frühsommer 1987 stürmte eine studentische Hilfskraft aus unserem Sekretariat, erblickte meine Freundin und mich und schrie uns an, sie bräuche schnellstens zwei Mitarbeiter für den Künstler, der die Kassenhäuschen für die bevorstehende documenta baue, es gäbe auch gutes Geld.
Dieser Künstler, eigentlich Designer, hieß Javier Mariscal, kam aus Spanien und war sehr nett. Er zog später sogar aus seinem kleinen Hotelzimmer in die WG meiner (Studien-) Freundin, weil das Nettfinden wohl gegenseitig bzw. er dann auch nicht mehr so allein war.
Zwei Wochen lang schlugen wir mit Hohl- und Stechbeiteln Verzierungen in rosafarbene PU-Schaum-Blöcke, die späteren Kapitelle der als verballhornte griechische Säulen gebauten Kassenhäuschen. Im nachhinein betrachtet haben wir uns wohl zuviel Zeit gelassen, denn die Häuschen wurden erst knapp eine Stunde vor der offiziellen Eröffnung der documenta fertig, so dass sich die Männer mit dem Tieflader ziemlich beeilen mussten, damit zumindest das wichtigste der sechs Kassenhäuser noch rechtzeitig aufgestellt und vom Verkaufspersonal bezogen werden konnte.
Während wir an eben diesem Kassenhäuschen, genauer: an dessen Postament, die gröbsten Folgeschäden des Gabelstapler- und Tiefladertransports mit grauer Farbe ausbesserten, fiel uns ein hektisch fotografierender Mann auf, der abwechselnd die gerade eine Rede haltende Beuys Witwe und eine junge Eiche knipste. An seinem linken Handgelenk trug er eine blaubedruckte Plastiktüte (Aldi?), die ihn ganz offensichtlich ständig behinderte. Schließlich entschloss er sich, sie um der besseren fotografischen Beweglichkeit Willen wegzulegen, genau auf unser gerade ausgebessertes Podest. Nun wäre es um die Plastiktüte nicht weiter schlimm gewesen, dennoch machte ich den Mann, den ich in diesem Moment als Klaus Staeck, den berühmten Politplakat- und Postkartenmaler, erkannte, darauf aufmerksam, dass dort, wo er seine Tüte abstellen wolle, frisch gestrichen sei.
"Das macht nichts, diese Scheißdinger sehen sowieso scheiße aus", knurrte er nur und pfefferte seine Tüte auf unser Scheißpodest.
Ich habe danach – rein aus Protest – nie wieder eine Staeck Postkarte angerührt.
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