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Thema: Ventura, Lino und Michel Piccoli

  1. #1
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    Lino Ventura und Michel Piccoli

    Lino Ventura und Michel Piccoli

    Es ist schon etwa zwanzig Jahre her, da liess ich mich in Zürich als Statist für einen Film von diesem Franzosen anheuern, der bekannt ist für gerade so passable Krimis, Yves Boisset. Der Film hiess nach seiner Fertigstellung "Espion lève toi", wird wohl auch einen deutschen Titel haben, vermutlich "Blaue Bohnen, kesse Miezen", nein, Quatsch, er hiess "Die Zürich-Connection", wie mir grad einfällt. Für ein paar Franken am Tag musste ich mit zwanzig, dreissig anderen Leuten im Hintergrund rumstehen, am See entlang gehen, einen Trampassagier mimen, in einer Szene-Bar (richtiges) Bier trinken, auf künstlich regennasser Strasse nachts so tun, als ob ich die auf einem Kranwagen montierte Kamera und die hundert Scheinwerfer nicht beachten würde. (Aus Geiz wohl wurden die immer gleichen StatistInnen in wechselnden Kostümen eingesetzt. Peinlich, fällt im Film auch auf.) Meist waren nur ein paar weniger bekannte Schweizer Schauspieler am Rumhopsen, aber dann, am x-ten Drehtag – kamen Michel Piccoli und Lino Ventura dazu! Wir waren alle ziemlich aufgeregt, obwohl nur die Frauen dies auch zeigten. Michel Piccoli eroberte gleich am ersten Tag die Herzen aller Anwesenden, da er unglaublich nett und gesprächig war, Zigaretten verteilte, mit den Statistinnen schäkerte (das hatten wir coolen männlichen Statisten nun davon) und einfach ein normaler sympathischer Mensch war. Lino Ventura hingegen, breitschultrig, griesgrämig, mit Hängebacken und Augenringen wie mit dem Marker gefilzt, sprach nur mit dem Regisseur und seinem alten Kumpel Piccoli, uns hingegen knurrte er jeweils an, wenn wir näher als drei Meter an ihn herankamen. Er wirkte müde, melancholisch, ein bisschen wie ein alternder Kampfhund (er soll ja auch Hundefreund gewesen sein, und seine Karriere als Catcher begonnen haben) und er rauchte Kette. Vor der Szenebar (die Kon-Tiki-Bar, ein muffiges Loch), mitten auf Zürichs blödester Amüsiermeile (Niederdorf), liess er sich für einen Tag sogar eine Art Kammer aus Sackleinen bauen, etwa einen Quadratmeter gross, in der er sich unbeobachtet wähnte. Allerdings bedachte er nicht, dass die Sonne seinen Schatten auf das Sackleinen warf, sodass all die Umstehenden ein Schattentheater geliefert bekamen: Lino Ventura zündet sich Zigaretten an, sitzt, raucht, kratzt sich am Hinterkopf... Wenn es aber galt, den Detektiv oder was immer er genau spielte, zu mimen, sprang und brüllte er voller Elan herum und prügelte in der Toilette der Szenebar einen Junkie (oder was immer) mit einer Pistole halbtot. Also nicht richtig, natürlich. Die Pistole war übrigens aus Hartgummi, sah aber schweineecht aus, ich versuchte sie zu mopsen, als sie mal in einer Drehpause unbewacht auf dem Tresen lag, aber der Regie-Assi, ein späterer Schweizer Filmer (nicht sehr erfolgreich), durchschaute mein allzu beiläufiges Hantieren mit dem Ding und nahm es mir mit tadelndem Blick aus der Hand. Aus Rache beteiligte ich mich nachher am Statisten-Streik, der allerdings nicht zur erhofften Lohnerhöhung führte, aber immerhin beinahe zum Nervenzusammenbruch des Assis. Wenn ich mich richtig erinnere, spielte in dem Film auch Dieter Moor mit (dann Moderator bei verschiedenen ORF-Sendungen und dem superpeinlichen "Night Moor" im Schweizer Fernsehen). Na, wie auch immer, ein Jahr später lief der Film dann im Kino und noch später kam er immer wieder mal am Fernsehen. Lino Ventura aber wurde nie mehr glücklich, er starb bald darauf. Sein Vermögen soll er einem Hundeheim vermacht haben. Oder wars ein Kinderheim? Na, auch wurscht. Übrigens hiess er nicht wirklich Lino Ventura, aber seinen richtigen Namen habe ich vergessen, obwohl ich ihn mal gelesen habe, in diesem höchst interessanten französischen Buch, in dem Prominente von Journalisten nicht bloss interviewt sondern so gnadenlos verhört werden, als ob sie Verbrecher wären. Und immer mit ihren richtigen Namen angeraunzt werden. Aber das gehört nicht mehr hierhin, glaube ich.

  2. #2
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Dochdoch, das gehört schon hierhin, glaube ich.

    Digital Immigrant

  3. #3
    Moderator
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    Immer her damit, fifo, man liest es mit klammheimlicher Freude.

  4. #4
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Die Frau Maisch wieder, herrlich. Wir haben schon ähnliche Interessen, gelle?

    Digital Immigrant

  5. #5
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Eine schöne Geschichte. Endlich mal wieder.
    Für Inge.

  6. #6
    Member Avatar von Zerebrum
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    Ventura, Piccoli und am Rande ein kleiner Moor, tolles Erlebnis!

    Ventura hieß mit bürgerlichem Namen übrigens Angelo Borrini.
    Ich mußte sie in Mehl rollen, um die feuchte Stelle zu finden.



  7. #7
    Member Avatar von Mr. Knister
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    Eine schöne Geschichte, in der Tat.

    Nur eine Frage zum Verständnis: Wenn Sie schreiben, das Niederdorf sei "Zürichs blödeste Amüsiermeile" - heißt das dann, dass es weniger blöde gibt? Wo sind die denn alle?
    Kim ist noch da.

  8. #8
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    Nach dieser Erfreulichkeit jetzt bitte noch den Buchtitel, fifo! Sadistische Prominentenverhoere, die taeten mir wahrscheinlich gefallen.

  9. #9
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    Der Buchtitel war, glaube ich "Descente de police", Verlag weiss ich nicht, ist aber sicher vergriffen, da vor ca. 20 Jahren erschienen. Und Zürichs weniger blöde Amüsiermeile ist die Langstrasse.

  10. #10
    Member Avatar von Mr. Knister
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    Merci vielmal. virchow, haben Sie das gewusst?
    Kim ist noch da.

  11. #11
    Member Avatar von Knappe Wamba
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    Die Kammer aus Sackleinen bau ich mir glaub ich auch.....
    Schoenes Detail, danke fifo.

  12. #12
    Moderator_S Avatar von U_Sterblich
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    Hallo fifo, fein paparazzt und willkommen in diesem Irrenhaus. Erzählen Sie uns beizeiten noch eine Geschichte.

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