ohne darüber nachzudenken, trug ich lange zeit die gewissheit, dass, wenn das schicksal etwas besonderes mit mir vorhat, ich es schon merken würde und genug zeit hätte, mich entsprechend darauf vorzubereiten. nichts dergleichen stimmt. wenn etwas aussergewöhnliches passiert, passiert es im denkbar ungünstigsten moment.
ich hatte mein abitur mit ach und krach geschafft, und am tag nach der zeugnisabholungszeremonie vor gerührten eltern stand ich am flughafen und wartete mit klopfendem herzen auf den start meines flugzeugs ins wahre leben. das wahre leben sollte ein au pair job in einer londoner familie sein.
wenn man in einem kleinen ort mit ungünstigem namen mitten im ruhrgebiet aufgewachsen ist, kommt eine adresse, und sei sie noch so bürgerlich, in w12 london dem höhepunkt der coolheit gleich. die ersten monate meines daseins bestanden aus frühstückstisch abräumen und um 18.00 uhr da sein, wenn die pubertäre tochter und ihr jüngerer bruder aus der schule kamen.
nach einer weile kannte ich nun wirklich jede touristenattraktion, das komplette fernsehnachmittagsprogramm und ich begann mich zu langweilen.
mein damals aktueller berufswunsch war fotografin, also begann ich, mich dementsprechend umzutun. in deutschland hätte ich mich nie getraut, einfach irgendwo anzurufen und zu sagen: hallo, ich bin aus deutschland und möchte in deinem fotostudio arbeiten. in england war ich dankbar, wenn man mich verstand, bzw. die geduld aufbrachte, mich beim aufbau komplizierter sätze zu unterstützen. die fotografen und assistenten waren ohne ausnahme freundlich und hilfreich und am ende des tages hatte ich einen termin bei einem fotografen. ich fuhr nach farringdon, nicht die beste gegend, um sich dort gegen abend aufzuhalten; alte lagerhäuser, abblätternde farbe, eingeschlagene fensterscheiben. schnell fand ich die adresse, dem alten gitteraufzug wollte ich nicht recht trauen und so lief ich alle acht etagen des verkommenen fabrikgebäudes hoch. aus einer der oberen etagen kam musik, das muss es sein, dachte ich. ausser atem und mit hochrotem kopf stand ich nun vor der tür und klingelte. der satz, den ich mir auf dem gesamten weg gebetsmühlenartig vorsagte um bloss nicht den ersten eindruck zu verpatzen war ungefähr so: hi, iâm sabine, i have an appointment with you. alles was ich herausbekam, als neil tennant mir die tür öffnete war: ach du scheisse!
neil tennant öffnete mir die tür! er war der traum meiner mittelstufenzeit und wer sich in die seele kleiner schwärmender mädchen einfühlen kann, weiss, was ich meine.
der rest ist schnell erzählt, der fotograf war leider nur ein mittelmässiger. er machte fotos von den pet shop boys für ein mittelmässiges teenymagazin und meine aufgabe war es, personal vorzutäuschen. das tat ich gern, neil tennant, um nun zu den details zu kommen, ist ein sehr, sehr grosser, sehr freundlicher mann mit leiser stimme. ich radebrechte irgendetwas über vegetarier.
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